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VwGH zur Steuerbefreiung von Reiseaufwandsentschädigungen bei andauernd gleichem Einsatzort

Bearbeiter: Kilian Posch

EStG 1988: § 3 Abs 1 Z 16b

Abstract

Der VwGH hatte zu entscheiden, ob Reiseaufwandsentschädigungen auch dann gem § 3 Abs 1 Z 16b EStG steuerfrei zustehen, wenn der Dienstnehmer eines Baustellen- und Montageunternehmers seine Tätigkeit über lange Zeit am selben Werksgelände eines Auftraggebers verrichtet. Der VwGH schloss sich der vorangegangen Entscheidung des BFG an und sprach aus, dass der Telos der Steuerbefreiung nicht auf konstante Einsatzorte außerhalb des eigenen Betriebs gerichtet ist, da sich in solchen Fällen keine für Reisen typische Aufwendungen und Belastungen ergeben.

VwGH 29. 5. 2024, Ro 2022/15/0019

Sachverhalt

Der Revisionswerber (Rw) ist Masseverwalter über das Vermögen einer GmbH im Montage- Schlosser-, und Installationsgewerbe, die ihre Mitarbeiter oft von Anfang an und über Monate und Jahre hinweg am Industriebetrieb des gleichen Großkunden einsetzte. Für diese Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des ständigen Betriebs der GmbH stand den Arbeitnehmern laut Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe eine Reiseaufwandsentschädigung zu. Diese zahlte die GmbH unter Berufung auf § 3 Abs 1 Z 16b EStG steuerfrei aus. Nach einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben kam das Finanzamt jedoch zum Schluss, dass die Steuerbefreiung nur für die ersten sechs Monate des jeweiligen Einsatzes beim selben Großkunden zustände und setzte daher für die Jahre 2010–2016 Bescheide über die Haftung für Lohnsteuer sowie über die geschuldeten Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag samt Säumniszuschläge fest. Nach erfolglosen Bescheidbeschwerden vor dem BFG brachte der Rw ordentliche Revision ein und begründete diese damit, dass die Dienstnehmer laut Betriebsvereinbarung und Dienstvertrag am ständigen Betrieb der GmbH beschäftigt worden seien und es der Wortlaut des § 3 Abs 1 Z 16b EStG nicht zuließe, die Steuerbefreiung für Reiseaufwandsentschädigungen bei verpflichtender Gewährung aufgrund lohngestaltender Vorschriften wie Kollektivverträge zeitlich zu beschränken.

Entscheidung des VwGH

Gem § 3 Abs 1 Z 16b EStG sind vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigkeitsgelder, soweit sie nicht gem § 26 Z 4 EStG zu berücksichtigen sind, ua für Baustellen- und Montagetätigkeiten außerhalb des Werkgeländes des Arbeitgebers (3. Teilstrich leg cit) steuerfrei, sofern der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gem § 68 Abs 5 Z 16 EStG zur Zahlung verpflichtet ist. Aus der Begründung des Initiativantrags zur Reisekosten-Novelle 2007 (220/A BlgNR 23. GP 4 f) ergibt sich, dass die Steuerbefreiung solcher Reiseaufwandsentschädigungen damit gerechtfertigt wurde, dass bei den befreiten Tätigkeiten Aufwendungen verschiedenster Art entstehen, die bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht oder nicht in dieser Art anfallen. Zudem soll § 3 Abs 1 Z 16b EStG die mit den angeführten Tätigkeiten verbundene Reiseerschwernis sowie Mobilitätsanreize berücksichtigen. Daraus leitet der VwGH nun ab, dass der Gesetzgeber speziell auf die Belastungssituation von Betätigungen außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte abzielen wollte (vgl VwGH 27. 1. 2011, 2010/15/0168). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob sich der feste Arbeitsplatz am Werksgelände des Arbeitgebers oder an der Betriebsstätte eines Auftraggebers befindet, weil in beiden Fällen keine Reiseerschwernis oder ein Bedarf an Mobilitätsanreizen erkennbar ist. Wenn sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, dass die Steuerbefreiung nicht für Tätigkeiten am ständigen Betriebsgelände des Arbeitgebers intendiert ist, muss dies ebenso für ständige Tätigkeiten eines Dienstnehmers am Ort des Auftraggebers gelten. Das Erkenntnis des BFG war somit nicht rechtswidrig und die Revision dementsprechend abzuweisen.

Conclusio

In seinem Erkenntnis stützt sich der VwGH maßgeblich auf die teleologische sowie historische Auslegungsmethode. Dabei zieht er insbesondere die Begründung des Initiativantrags zur Reisekosten-Novelle 2007 heran, die eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf Konstellationen mit Wechsel des Tätigkeitsortes nahelegt (vgl 220/A BlgNR 23. GP 4 f). Diese Interpretation steht aber entgegen der Behauptung des Rw auch nicht zwingenderweise im Konflikt zum Wortlaut des § 3 Abs 1 Z 16b EStG, wenn man unter Reiseaufwand durch Veränderung des Tätigkeitsortes hervorgerufene Mehrkosten versteht. Die Phrase außerhalb des Werkgeländes des Arbeitgebersim 3. TS leg cit würde dann nur festlegen, dass eine Reiseaufwandsentschädigung für Tätigkeiten am Werkgelände des eigenen Arbeitgebers nie steuerfrei sein kann, auch wenn damit ein Ortswechsel einhergehen sollte. Der Inhalt der gesetzlichen Bestimmung kann auch nicht durch die Benennung einer monetären Leistung im Kollektivvertrag als Reiseaufwandsentschädigung beeinflusst werden. Schließlich hat der VfGH die Vorgängerregelung in § 26 Z 4 vierter Satz EStG aufgehoben, weil Reisekostenersätze bei Fehlen lohngestaltender Vorschriften nur im Rahmen des § 26 Z 4 EStG steuerfrei gestellt werden konnten, während durch günstigere Definitionen von Dienstreisen im Kollektivvertrag weitergehende Möglichkeiten zur Ausbezahlung steuerfreier Reiseaufwendungsentschädigungen bestanden. Dies hat der VfGH als unsachliche Differenzierung erkannt (VfGH 22. 6. 2006, G 147/05, G 12/06, V 111/05, V 7/06). Solche „Entschädigungen“, die nicht unter die gesetzlichen Ausnahmetatbestände in § 3 Abs 1 Z 16 EStG fallen und auf die auch sonst keine Begünstigung anzuwenden ist (vgl § 26 Z 4 EStG), sind somit regulär als Teil der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem § 25 EStG zu versteuern.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35799 vom 30.08.2024