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Stabilitätsabgabegesetz: § 2 Abs 1
Abstract
Die Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe ist gem § 2 Abs 1 Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG) die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme des Kreditinstituts, vermindert um taxativ in § 2 Abs 2 Z 1–8 StabAbgG aufgezählte Posten. Da auf die unkonsolidierte Bilanzsumme abgestellt wird, fallen somit auch auf ausländische Betriebsstätten bezogene Anteile an der Bilanzsumme in die Bemessungsgrundlage eines im Inland ansässigen Kreditinstituts. Dagegen fällt die Bilanzsumme ausländischer Tochtergesellschaften nicht in die inländische Bemessungsgrundlage des Kreditinstituts nach § 2 Abs 1 StabAbgG. Daher stellt sich im vorliegenden Fall für den VwGH die Frage, ob darin eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu erkennen ist.
VwGH 27. 3. 2024, Ro 2021/13/0020
Sachverhalt
Die Revisionswerberin (Rw) war ein unbeschränkt steuerpflichtiges Kreditinstitut mit einer Konzession nach dem BWG und tätigte sowohl in Österreich als auch im EU-Ausland über Betriebsstätten Bankgeschäfte. Für das 1. Quartal 2019 hat die Rw die Bemessungsgrundlage gem § 2 StabAbgG ermittelt und dafür die unkonsolidierte Bilanzsumme als Ausgangslage herangezogen. Darin hat sie auch die Bilanzsummen der ausländischen Betriebsstätten berücksichtigt und die Abgabe entsprechend entrichtet. Anschließend erhob die Rw einen Antrag auf Festsetzung der Stabilitätsabgabe gem § 201 Abs 3 Z 1 BAO, in dem sie allerdings von einer anderen, reduzierten Bemessungsgrundlage ausging. In dieser reduzierten Bemessungsgrundlage zog sie die Teile der unkonsolidierten Bilanzsumme, die auf die ausländischen Betriebsstätten entfielen, aufgrund unionsrechtlicher Bedenken ab. Dieser Antrag ist vom Finanzamt (FA) abgewiesen worden, weil die ursprüngliche Selbstberechnung der Stabilitätsabgabe richtig sei. Die gegen diesen abweisenden Bescheid erhobene Beschwerde wies das BFG ab und führte aus, dass die Bestimmungen zur Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe unionsrechtskonform seien. In der vorliegenden ordentlichen Revision machte die Rw geltend, dass das Abstellen auf die unkonsolidierte Bilanzsumme für die Bemessungsgrundlage gem § 2 StabAbgG gegen die Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit verstoße.
Entscheidung des VwGH
Zunächst weist der VwGH darauf hin, dass eine allfällige beschränkende Wirkung im Zusammenhang mit Bankdienstleistungen im vorliegenden Fall ausschließlich in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gem Art 49 AEUV fällt und nicht in den der Kapitalverkehrsfreiheit (siehe etwa EuGH 15. 5. 2008, C-414/06, Lidl Belgium, Rn 16). Somit erübrigt sich eine Prüfung beider Grundfreiheiten, vielmehr bedarf es nur der Prüfung einer allfälligen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.
Anschließend führt der VwGH aus, dass mit der Niederlassungsfreiheit das Recht verbunden ist, Tätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten durch eine Tochtergesellschaft, eine Zweigniederlassung oder eine Agentur auszuüben (EuGH 22. 9. 2022, C-538/20, , Rn 14 mwN). Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit liegt nach der Rsp des EuGH etwa dann vor, wenn steuerliche Regelungen bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt nachteiligere Folgen vorsehen als bei rein inländischen Sachverhalten: Etwa bei ungünstigerer Behandlung einer gebietsansässigen Gesellschaft, die über eine Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird, im Vergleich zu einer gebietsansässigen Gesellschaft, die durch eine Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte in demselben Land wie die gebietsansässige Gesellschaft tätig wird (s EuGH 12. 6. 2018, C-650/16, Bevola und Jens W. Trock, Rn 19 mwN).
Im Zusammenhang mit der in Frage stehenden Bestimmung zur Bemessungsgrundlage gem § 2 Abs 1 StabAbgG führt der VwGH aus, dass diese unabhängig von inländischen oder ausländischen Betriebsstätten ermittelt wird. Ebenso wenig ist relevant, ob das Kreditinstitut inländische oder ausländische Tochtergesellschaften hat, weil deren Bilanzsummen nicht für die Ermittlung der Stabilitätsabgabe des Kreditinstitutes herangezogen werden. Somit stellt diese Bestimmung nach Ansicht des VwGH keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aufgrund einer (un)mittelbaren Diskriminierung dar, weil Kreditinstitute mit ausländischen Betriebsstätten nicht ungünstiger behandelt werden als Kreditinstitute mit inländischen Betriebsstätten.
Abschließend hält der VwGH noch fest, dass bestimmte Maßnahmen nicht von der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV erfasst werden: Wenn deren einzige Wirkung ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie ihre Erbringung innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats berühren (jüngst EuGH 27. 4. 2022, C-674/20, Airbnb Ireland, Rn 46). Bei der Stabilitätsabgabe handelt es sich um eine Abgabe mit einer solchen Wirkung (EuGH 22. 11. 2018, C-625/17, Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank, Rn 32).
Conclusio
Die Einführung der Stabilitätsabgabe im Jahr 2011 (BGBl I 111/2010) als Reaktion auf die Finanzkrise führte nicht nur zu Fragen im Hinblick auf deren Unionsrechtskonformität, sondern auch auf deren Verfassungskonformität. Nachdem der VfGH im Jahr 2011 die Verfassungskonformität der Stabilitätsabgabe festgestellt hat (s VfGH 14. 12. 2011, B 886/11; kritisch etwa Staringer/Denk, ÖZW 2012, 70 und Loser/Urtz, ZFR 2012, 69; zur Verfassungskonformität auch noch im Jahr 2015: VfGH 19. 6. 2015, E 1218/2014 und E 1256/2014), hatte im Jahr 2018 der EuGH in einem vom VwGH eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren über eine mögliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aufgrund der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage zu entscheiden (EuGH 22. 11. 2018, C-625/17, Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank). Darin hielt der EuGH fest, dass keine Beschränkung vorliegt, wenn Bankgeschäfte durch ausländische Tochtergesellschaften nicht in die österreichische Bemessungsgrundlage einbezogen werden, während die unmittelbare Erbringung von Bankgeschäften ins Ausland durch österreichische Kreditinstitute sehr wohl in die Bemessungsgrundlage einfließt (Rn 44). Keinen Gegenstand dieses Urteils bildete hingegen die Frage der Vereinbarkeit der Bemessungsgrundlage mit der Niederlassungsfreiheit.
Der VwGH sah im vorliegenden Fall keinen Anlass, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzunehmen. Er begründet dies damit, dass grenzüberschreitende Sachverhalte nicht schlechter behandelt werden als rein innerstaatliche Sachverhalte. Kreditinstitute mit inländischen Betriebsstätten werden gleich behandelt wie Kreditinstitute mit ausländischen Betriebsstätten: In beiden Fällen werden die entsprechenden Anteile an den Bilanzsummen in die Bemessungsgrundlage des Kreditinstituts gem § 2 Abs 1 StabAbgG aufgenommen, weil die unkonsolidierte Bilanzsumme dafür maßgeblich ist. Der einzige „Störfaktor“ im vorliegenden Fall ist darin zu erkennen, dass Tochtergesellschaften von Kreditinstituten anders behandelt werden als deren Betriebsstätten, weil nur die Anteile an der Bilanzsumme letzterer in die Bemessungsgrundlage des inländischen Kreditinstituts einfließen. Das liegt jedoch allein an der Tatsache der rechtlichen Ausgestaltung der Stabilitätsabgabe: Diese erfasst eben die unkonsolidierte Bilanzsumme, weshalb im Ergebnis das Vermögen von Tochtergesellschaften nicht zu erfassen ist. Dieses unterliegt – im Fall von inländischen Tochtergesellschaften mit einer ausreichend hohen Bemessungsgrundlage – in weiterer Folge selbst der Stabilitätsabgabe. Fraglich könnte jedoch sein, ob die vom VwGH gezogene Vergleichspaarbildung bei der Feststellung einer mittelbaren Diskriminierung zutreffend ist. Er vergleicht inländische Betriebsstätten mit ausländischen Betriebsstätten, die für Zwecke der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe gleich behandelt werden, und erkennt darin keine mittelbare Diskriminierung. Eine mittelbare Diskriminierung liegt bei einer dem Anschein nach neutralen Regelung vor, die aber eine benachteiligte Gruppe überproportional betrifft (Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union [2018] § 3 Rz 102). Daher ist fraglich, ob das Abstellen auf die unkonsolidierte Bilanzsumme nicht eine solche mittelbare Diskriminierung darstellen könnte, wenn doch dadurch inländische Kreditinstitute mit ausländischen Betriebsstätten insofern überproportional benachteiligt werden als inländische Kreditinstitute mit ausländischen Tochtergesellschaften, als nur erstere die inländische Bemessungsgrundlage erheblich erhöhen können.