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VwGH zur Verfristung eines Vorlageantrages

Bearbeiter: Vera Hellebrandt

BAO: § 245 Abs 3 und 4; § 260 Abs 1; § 264

Abstract

Der VwGH entschied, dass wenn vor Ablauf einer nach einem Fristerstreckungsantrag verlängerten Frist ein erneuter Fristverlängerungsantrag gestellt, aber von der Finanzverwaltung abgewiesen wird, die Berechnung der noch offenen Restfrist im Hinblick auf den der Abweisung zugrundeliegenden Antrag erfolgt.

VwGH vom 30. 6. 2021, Ra 2021/15/0019

Sachverhalt

Die mitbeteiligte Partei erhob Beschwerde gegen einen Einkommensteuerbescheid aus dem Jahr 2010. Im November 2017 gab die Finanzverwaltung im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde teilweise statt. Am 14. 12. 2017 stellte die mitbeteiligte Partei einen Fristverlängerungsantrag für die Einbringung eines Vorlageantrages an das BFG, weil die Frist hierfür am 18. 12. 2017 geendet hätte. Am 18. 12. 2017 erstreckte die Finanzverwaltung die Frist antragsgemäß bis zum 31. 1. 2018. Am 31. 1. 2018 langte ein erneuter Fristverlängerungsantrag auf Erstreckung der Frist bis zum 16. 2. 2018 ein. Dieses Begehren wies die Finanzverwaltung mit der Begründung ab, dass eine Vorlagefrist von zwei Monaten ausreichend wäre. Dieser Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei am 12. 2. 2018 zugestellt. Dennoch brachte die Mitbeteiligte ihren Vorlageantrag am 14. 2. 2018 zur Post. Das BFG behandelte in der Folge die Frage, welche Restfrist der Mitbeteiligten nach Zustellung des Abweisungsbescheids betreffend des zweiten Fristerstreckungsantrags noch zur Verfügung gestanden sei. Durch die Zustellung des Abweisungsbescheids vom 12. 2. 2018 sei das Ende der Fristhemmung nach § 245 Abs 3 BAO erfolgt. Die nach dem ersten Fristverlängerungsantrag vom 14. 12. 2017 noch offen gebliebene Frist von fünf Tagen verlängere das Fristende um fünf Tage bis zum 16. 2. 2018. Damit schloss sich das BFG der Ansicht der Mitbeteiligten an, wonach die nach Einbringung des ersten Fristverlängerungsantrags verbleibende Restfrist das Fristende perpetuiere und damit eine Zurückweisung wegen Verspätung nicht in Betracht komme. Die Finanzverwaltung erhob gegen dieses Erkenntnis des BFG eine außerordentliche Amtsrevision.

Entscheidung des VwGH

Zunächst führt der VwGH aus, dass auf Antrag die einmonatige Beschwerdefrist von der Abgabenbehörde nach § 245 Abs 3 BAO verlängert werden kann. Die Hemmung des Fristlaufs beginnt gem § 245 Abs 4 BAO mit dem Tag der Einbringung des Antrags und endet mit dem Tag der Zustellung der Entscheidung an den Antragsteller. Beide Bestimmungen gelten nach § 264 Abs 4 lit a BAO auch für Vorlageanträge iSd § 264 Abs 1 BAO.

Selbst wenn einem Fristverlängerungsansuchen stattgegeben wird, endet die Hemmung mit dem Tag der Zustellung an den Antragsteller. Eine noch offene Restfrist geht in der von der Finanzverwaltung verlängerten Frist auf und kann nicht auf spätere Fristverlängerungsanträge übertragen werden. Der VwGH verweist auf den Zweck des § 245 Abs 4 BAO den Beschwerdeführer zu schützen, damit dieser bei Abweisung des Fristverlängerungsantrags noch die Restfrist zur Einbringung der Beschwerde nutzen kann. Dieses Schutzgedankens bedarf es nicht, wenn dem Antrag des Beschwerdeführers stattgegeben wird. Wenn ein erneuter Fristverlängerungsantrag von der Finanzverwaltung abgewiesen wird, muss die noch offene Restfrist im Hinblick auf den der Abweisung zugrundeliegenden Antrag berechnet werden.

Bezüglich des vorliegenden Revisionsfalls führt der VwGH aus, dass mit Stattgabe des ersten Fristerstreckungsantrags die noch offene Restfrist aufgebraucht worden ist und nicht auf spätere Anträge übertragen werden kann. Durch das Stellen eines zweiten Fristerstreckungsantrags am letzten Tag der verlängerten Frist war somit noch ein Tag der Frist offen. Die Restfrist nach dem abgewiesenen Antrag begann mit Ablauf des Tages des Wegfalls der Hemmung des Fristenlaufs, also am 13. 2. 2018 um 0 Uhr, erneut zu laufen und dauerte einen Tag. Die Einbringung der Beschwerde durch die mitbeteiligte Partei am 14. 2. 2018 erweist sich daher als verspätet. Das BFG hätte keine meritorische Entscheidung treffen dürfen, sondern hätte die Beschwerde wegen Unzuständigkeit zurückweisen müssen (§ 264 Abs 4 lit e BAO iVm § 260 Abs 1 BAO). Daher hob der VwGH das Erkenntnis des BFG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts auf.

Conclusio

Mit der Berechnung der offenen Restfrist nach § 245 Abs 4 BAO hat sich der VwGH bereits in der jüngeren Vergangenheit auseinandergesetzt (vgl VwGH 5. 3. 2020, Ro 2019/15/0008, VwGH 25. 5. 2020, Ro 2019/13/0023). Allerdings lagen beiden Erkenntnissen Sachverhalte zugrunde, in denen die Finanzverwaltung bereits den ersten Antrag auf Fristverlängerung zurückgewiesen hatte. Im vorliegenden Erkenntnis stellt der VwGH klar, dass auch bei Stattgabe des Fristverlängerungsantrags die Hemmung der Beschwerdefrist nach § 245 Abs 4 BAO mit dem Tag der Zustellung der Stattgabe an den Antragsteller eintritt. Eine noch offene Restfrist kann nicht auf spätere Fristerstreckungsanträge übertragen werden. Wird ein erneuter Antrag gestellt und abgewiesen, dann wird die offene Restfrist nach dem zuletzt gestellten Fristverlängerungsantrag berechnet.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31447 vom 15.09.2021