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UStG 1988: § 12
Abstract
Der VwGH hatte über eine Konstellation zu entscheiden, in der ein Gesellschafter-Geschäftsführer eine Immobilie an die ihn beschäftigende GmbH vermietete und ebendiese Immobilie zu Wohnzwecken als Sachbezug bezog. Dies lässt sich als Gestaltungsmissbrauch oder Scheingeschäft klassifizieren. Die Mietzinszahlungen sind dabei weder gewerbliche Einkünfte noch Umsätze und auch die damit verbundenen Ausgaben sowie geltend gemachten Vorsteuern können nicht berücksichtigt werden. Es ist vielmehr zu prüfen, ob eine „unangemessene Vorteilszuwendung“ an den Geschäftsführer vorliegt. Eine allfällige Berichtigung der für den Kauf der Immobilie geltend gemachten Vorsteuer gem § 12 Abs 10 UStG kann nicht – wie im gegenständlichen Fall versucht – in einem Folgejahr zur Korrektur der ursprünglich falschen Einschätzung der Vorsteuerabzugsberechtigung erfolgen.
VwGH 17. 5. 2023, Ra 2022/13/0096
Sachverhalt
Der Revisionswerber (Rw) vermietete als Einzelunternehmer Immobilien und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er war weiters Gesellschafter der I GmbH und bezog in den Streitjahren 2007–2011 als Geschäftsführer dieser Gesellschaft Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Im Jahr 2005 machte der Rw Vorsteuer für den Kauf einer Doppelhaushälfte geltend und nahm die Immobilie für das Jahr 2006 in das Anlageverzeichnis seines Gewerbebetriebes auf. Ab März 2006 hatte der Rw dort seinen Hauptwohnsitz gemeldet. Bis zur Scheidung im Jahr 2008 hat auch seine Ehegattin mit den beiden Kindern dort gewohnt. Die Doppelhaushälfte wurde an die I GmbH zu einem monatlichen Mietzins iHv 1.100 € vermietet. Die I GmbH stellte das Gebäude wiederum ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer (Rw) gegen einen Sachbezug iHv monatlich 990 € zur Verfügung. Einen schriftlichen Mietvertrag gab es nicht. Da in den Einkommensteuererklärungen des Rw für die Jahre 2006 und 2007 andere Adressen als Wohnanschrift angegeben wurden, sei erst durch eine Außenprüfung im Jahr 2014 die Vermietung des Objektes an die I GmbH und die Nutzungsüberlassung an den Rw erkennbar geworden. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse lag nach Ansicht des FA eine unangemessene Vorteilszuwendung an den Rw vor, die nach § 8 KStG iVm § 22 BAO nicht zulässig sei. Die Immobilie sei weiters aus dem Betriebsvermögen auszuscheiden und die Vorsteuer zu berichtigen. Daher nahm das FA die Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2007–2011 wieder auf und setzte diese neu fest. Der Rw erhob sowohl gegen die Wiederaufnahme als auch die neuen Sachbescheide Beschwerde. Das BFG wies diese als unbegründet ab. Bei der Immobilie handelt es sich, so das BFG, um notwendiges Privatvermögen, weshalb Aufwendungen für diese gem § 20 EStG nicht abzugsfähig sind. Ein Vorsteuerabzug stand nicht zu und war daher richtigerweise zu korrigieren. Überdies rechnete das BFG den Differenzbetrag zwischen Mietzinszahlungen und Sachbezug (1.320 € jährlich) zu den Einkünften des Rw hinzu und änderte damit die Einkommensteuerbescheide ab. Gegen das Erkenntnis erhob der Rw außerordentliche Revision.
Entscheidung des VwGH
Die „Sache“, über die das BFG zu entscheiden hat, ist bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen, nur die Wiederaufnahme aus den vom FA herangezogenen Gründen; also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das FA als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Die Identität der Sache, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der von der Behörde als neu hervorgekommen unter dem von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl VwGH 9. 12. 2021, Ra 2021/13/0040). Da das BFG sich auf § 20 EStG und nicht – wie das FA – auf § 8 KStG iVm § 22 BAO gestützt hat, behauptete der Rw, dass das BFG damit „den Wiederaufnahmegrund ausgetauscht“ hätte. Nach Ansicht des VwGH stützten sich aber sowohl das FA als auch das BFG auf den gleichen – der Abgabenbehörde erst im Zuge der Außenprüfung bekannt gewordenen – Sachverhalt und die dabei neu hervorgekommenen Tatsachen. Der Umstand, dass das BFG diese rechtlich anders beurteilte, ändert nichts daran, dass es sich um denselben Tatsachenkomplex handelt.
Zutreffend ist, dass eine Sachverhaltskonstellation wie die vorliegende – entgegen der Beurteilung des BFG – nicht § 20 Abs 1 Z 1 EStG unterliegt. Diese ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmissbrauches oder auch eines Scheingeschäfts zu prüfen. Dem BFG ist aber nicht entgegenzutreten, wenn es die auf die vorliegende „Mietkonstruktion“ bezogenen Zahlungen weder als gewerbliche Einkünfte (aus einer Vermietung des Rw) noch als Umsätze berücksichtigte und auch die damit verbundenen Ausgaben sowie geltend gemachten Vorsteuern in allen Streitjahren nicht berücksichtigt. Vorsteuern, die nach Ansicht des BFG im Jahr 2005 zu Unrecht geltend gemacht worden sind, können aber nicht in einem Folgejahr (2007) berichtigt werden. Gem § 12 Abs 10 UStG hat bei einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse eine Vorsteuerberichtigung für das Jahr der Änderung zu erfolgen. Aus den Feststellungen des BFG ist nicht ableitbar, dass es im Jahr 2007 zu einer Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs 10 UStG gekommen wäre. Das BFG geht vielmehr davon aus, dass die Doppelhaushälfte niemals als Betriebsvermögen des Rw zu behandeln gewesen wäre und zu keinem Zeitpunkt ein umsatzsteuerlich zu berücksichtigendes Leistungsverhältnis dazu bestanden hatte. Die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse sind deshalb seit dem Zeitpunkt des Leistungsbezuges sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht unverändert geblieben. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs 10 UStG kann daher nicht erfolgen, da diese nämlich nicht der Korrektur fehlerhafter Entscheidungen betreffend die ursprüngliche Vorsteuerabzugsberechtigung dient (vgl VwGH 18. 12. 2017, Ra 2016/15/0084). Die Hinzurechnung des Differenzbetrags zwischen Mietzinszahlungen und Sachbezug zu den nichtselbstständigen Einkünften des Rw ist hingegen nicht zu beanstanden. Das angefochtene Erkenntnis war daher betreffend Umsatzsteuer 2007 aufzuheben. Im Übrigen war die Revision als unbegründet abzuweisen.
Conclusio
Die Wiederaufnahme gem § 303 Abs 1 lit b BAO erfolgte im gegenständlichen Fall zu Recht. Es liegt – entgegen der Behauptung des Rw – seitens des BFG durch die von der Ansicht des FA abweichende rechtliche Beurteilung jedenfalls kein „Austauschen“ des Wiederaufnahmegrunds vor. Es stünde dem BFG sogar frei, bei mangelhaften Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden FA – ausgehend vom herangezogenen Wiederaufnahmegrund – ggf erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl VwGH 17. 4. 2008, 2007/15/0062). Auch das grundsätzliche Ergebnis des BFG, wonach die Mietzinszahlungen und damit zusammenhängende Aufwendungen und geltend gemachte Vorsteuern nicht zu berücksichtigen sind, ist nicht zu beanstanden. Die bei der Umsatzsteuer 2007 versuchte Berichtigung der im Jahr 2005 für den Kauf der Doppelhaushälfte geltend gemachten Vorsteuer war jedoch verfehlt. Es gab in Bezug auf die Vorsteuerabzugsberechtigung nämlich keine Änderung der Verhältnisse, da der Vorsteuerabzug von Anfang an nicht zustand. § 12 Abs 10 UStG dient gerade nicht der Korrektur fehlerhafter Entscheidungen betreffend die ursprüngliche Vorsteuerabzugsberechtigung, die bereits rechtskräftig veranlagt sind und hinsichtlich derer gerade keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist (vgl VwGH 18. 12. 2017, Ra 2016/15/0084; 23. 11. 2022, Ro 2021/15/0017).