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Abstract
Strittig vor dem VwGH war, ob der ehemalige Geschäftsführer (Mitbeteiligte) zur Haftung gem §§ 9 und 80 BAO für aus Umsatzsteuervoranmeldungen resultierenden Abgabenschulden herangezogen werden kann. Zwar erfassten die Umsatzsteuervoranmeldungen Zeiträume, in denen der Mitbeteiligte als Geschäftsführer tätig war. Die betreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen wurden jedoch erst nach Auflösung der Gesellschaft beim Finanzamt (FA) eingereicht, wobei der Mitbeteiligte in den letzten Jahren vor Auflösung der Gesellschaft nicht mehr als Geschäftsführer tätig war. Entgegen der Ansicht des BFG bejahte der VwGH die Haftungsinanspruchnahme des ehemaligen Geschäftsführers, weil sich die Abgabenbehörde im Haftungsverfahren an den Abgabenbescheid zu halten hat. Die Verschuldensprüfung des Mitbeteiligten wäre im Abgabenverfahren durchzuführen gewesen, nicht jedoch im Haftungsverfahren. Im Haftungsverfahren war davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte unrichtige Abgabenerklärungen abgegeben und insoweit keine Abgaben entrichtet hat.
VwGH 5. 10. 2023, Ra 2023/13/0060
Sachverhalt
Der Mitbeteiligte war bis Oktober 2019 alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der von ihm gegründeten Gesellschaft (GmbH). Während dieses Zeitraumes war die GmbH steuerlich vertreten und reichte stets Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Im Oktober 2019 verkaufte der Mitbeteiligte seine Anteile an B, der auch die Geschäftsführertätigkeit übernahm. Im Zeitpunkt des Verkaufs der Anteile wies das Abgabenkonto der GmbH keinen Rückstand aus. Im Mai 2021 wurde ein Insolvenzverfahren über die GmbH mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet, weshalb die GmbH aufgelöst und im Mai 2022 infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde. Nach der Auflösung der GmbH langten beim FA elektronisch (erneut) Umsatzsteuervoranmeldungen für die Zeiträume Jänner bis Juli 2019 ein, wodurch das FA eine Abgabenschuld iHv rd € 129.000,– ohne weitere Begründung festsetzte. Mit Haftungsbescheid für die Zeiträume Jänner bis Juli 2019 zog das FA den Mitbeteiligten gem § 9 BAO iVm § 80 BAO als ehemaligen Geschäftsführer der GmbH zur Haftung für die aushaftenden Abgabenschulden heran. Nachdem das FA die Beschwerde abgewiesen hatte, wurde die Vorlage an das BFG beantragt.
Das BFG stellte fest, dass die Inanspruchnahme eines Vertreters gem §§ 9 und 80 BAO ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und eine Kausalität der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit erfordert (vgl VwGH 3. 7. 2003, 2000/15/0043). Die Eingabe durch B sei unwahrscheinlich. Dieser konnte mangels Auffindbarkeit nicht befragt werden. Daher prüfte das BFG, ob dem Mitbeteiligten eine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten und ihm die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen subjektiv vorwerfbar sei. Abweichend vom FA erkannte das BFG, dass im gegenständlichen Fall nicht festgestellt werden konnte, welche Umsätze die nachträglichen Umsatzsteuervoranmeldungen betroffen haben und von wem diese eingebracht worden sind. Insb sei nicht erwiesen, dass die nachträglichen Umsatzsteuervoranmeldungen Umsätze erfassten, die während der Geschäftsführertätigkeit des Mitbeteiligten angefallen sind. Da nicht festgestellt werden konnte, worin die schuldhafte Pflichtverletzung des Mitbeteiligten liegt, sei auch die Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und den Abgabenschulden nicht weiter zu prüfen. Nachdem die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Mitbeteiligten nicht gegeben waren, war der Haftungsbescheid aufzuheben. Die Revision wurde nicht zugelassen, woraufhin das FA ao Revision erhob.
Entscheidung des VwGH
Nach § 9 Abs 1 BAO haften die in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den (durch sie vertretenen) Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben, sofern die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Abgabenrechtliche Pflichten werden nicht erfüllt, wenn zu entrichtende Abgaben nicht entrichtet worden sind (vgl VwGH 6. 9. 2022, Ra 2021/13/0115 mwN). Der Vertreter hat hierbei darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls darf die Abgabenbehörde von einer schuldhaften Verletzung iSd § 9 Abs 1 BAO ausgehen. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, darf die Abgabenbehörde die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgaben annehmen (vgl VwGH 25. 4. 2019, Ra 2019/13/0009 mwN).
Soweit einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorgeht, ist die Behörde an den Abgabenbescheid gebunden und hat sich im Rahmen des Haftungsbescheides an den Abgabenbescheid zu halten. Die Verschuldensprüfung im Haftungsverfahren hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen. In dem dem Abgabenverfahren nachgelagerten Haftungsverfahren ist somit davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte unrichtige Abgabenerklärungen einreichte und insoweit keine Abgaben entrichtete, wodurch der Mitbeteiligte abgabenrechtliche Pflichten schuldhaft verletzte und diese Pflichtverletzung auch für die Uneinbringlichkeit kausal war. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung der Umsatzsteuer sind nur in einem gem § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren zu klären, nicht jedoch im Haftungsverfahren (vgl VwGH 3. 3. 2023, Ra 2020/13/0071 mwN). Die angefochtene Entscheidung des BFG war sohin wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Conclusio
Mit der gegenständlichen Entscheidung bekräftigt der VwGH seine stRsp zur Geschäftsführerhaftung, wonach sich die Abgabenbehörde im Haftungsverfahren an den Abgabenbescheid zu halten hat. Einwände gegen die Richtigkeit des Abgabenbescheides können demnach nur im Abgabenverfahren vorgebracht werden. Einem Haftungspflichtigen kommt nach Maßgabe des § 248 BAO auch ein Beschwerderecht gegen den Abgabenbescheid zu, das von diesem innerhalb der Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid wahrzunehmen ist. Erhebt der Haftungspflichtige etwaige Einwendungen im Rechtsmittelverfahren gegen den Abgabenbescheid jedoch nicht und erwächst der Abgabenbescheid in Rechtskraft, so ist dies nicht durch Einwendungen im Haftungsverfahren zu sanieren; dort ist nämlich von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl unlängst VwGH 3. 3. 2023, Ra 2020/13/0071; 6. 9. 2022, Ra 2021/13/0115 und 13. 1. 2021, Ra 2020/13/0104 mwN).
Somit stand im vorliegenden Fall der Umstand, dass der ehemalige Geschäftsführer möglicherweise aufgrund seines Ausscheidens im betreffenden Abgabenverfahren nicht mehr involviert war, einer Haftung nicht entgegen. Vielmehr wäre es an ihm gelegen, sein aufgrund § 248 BAO zustehendes Recht wahrzunehmen und den zugrundeliegenden Abgabenbescheid zu bekämpfen.