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VwGH zur wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur beim Mantelkauf

Bearbeiter: Benjamin Beer

KStG 1988: § 8 Abs 4 Z 2

Abstract

Der VwGH hatte zu beurteilen, ob eine für den Mantelkauftatbestand vorausgesetzte wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur vorliegen kann, obwohl die bisherige Alleingeschäftsführerin ihre Organstellung auch nach dem Gesellschafterwechsel weiterhin innehatte. Nach Ansicht des VwGH kann in einem solchen Fall eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur dann stattfinden, wenn die faktische Geschäftsführung durch eine andere Person wahrgenommen wird.

VwGH 24. 4. 2024, Ro 2022/15/0040

Sachverhalt

Bei der mitbeteiligten Partei, einer GmbH, fand für die Jahre 2005–2009 eine Außenprüfung statt, bei der festgestellt wurde, dass deren gesamtes Stammkapital um 1 € an die X GmbH übertragen wurde. Außerdem hatte sich im Zuge dieses Gesellschafterwechsels auch der Unternehmensgegenstand vom Maschinenbau und Warenhandel zur technischen Beratung geändert. Die bisherige Gf der mitbeteiligten Partei behielt ihre Organstellung bei, andere Gf traten nicht hinzu. Allerdings wurde das operative Geschäft durch die Organe der nunmehrigen Alleingesellschafterin abgewickelt.

Das FA nahm daher das Vorliegen eines Mantelkaufs nach § 8 Abs 4 Z 2 KStG an und verfügte die Wiederaufnahme der Verfahren. In den neu erlassenen KöSt-Bescheiden für 2005–2009 versagte es den Verlustabzug der mitbeteiligten Partei. Der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde gab das BFG in weiterer Folge statt (BFG 14. 6. 2022, RV/4100660/2011, nicht veröffentlicht gem § 23 Abs 3 BFGG). Nach Ansicht des BFG war nämlich nicht erkennbar, ob die Gf der mitbeteiligten Partei tatsächlich keine nach außen ersichtliche Tätigkeit ausübte. Daher erachtete das BFG die Wiederaufnahme nach § 303 Abs 1 lit b BAO für unzulässig. Gegen dieses Erkenntnis des BFG erhob das FA Amtsrevision.

Entscheidung des VwGH

Zunächst stellt der VwGH fest, dass bei Erfüllung des Mantelkauftatbestandes des § 8 Abs 4 Z 2 KStG das Verlustabzugsrecht des § 18 Abs 6 EStG untergeht. Dafür müssen sich die organisatorische und wirtschaftliche Struktur sowie die Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage wesentlich ändern, sodass die Körperschaft ihre wirtschaftliche Identität verliert (VwGH 26. 7. 2005, 2001/14/0135).

Eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur liegt insb dann vor, wenn sich die überwiegende Mehrheit der Gf ändert. Dabei stellt der VwGH nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf die tatsächlichen Verhältnisse ab, es kommt somit auf den „faktischen Geschäftsführer“ an. Eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur kann somit auch dann vorliegen, wenn zwar formal kein Wechsel der Gf stattfindet, faktisch aber jemand anderes die Geschäfte führt. Dabei ist stets das Gesamtbild der Verhältnisse zu beachten (VwGH 15. 12. 2021, Ro 2019/13/0008). Der faktische Geschäftsführer ist auch in § 9a BAO angeführt.

Weiters stellt der VwGH fest, dass die Gf der mitbeteiligten Partei keine operativen Tätigkeiten wahrnimmt und nur mehr „diverse Schriftstücke“ unterfertigt. Sie erhält auch kein Gf-Gehalt. Stattdessen werden die operativen Tätigkeiten durch die Organe der nunmehrigen Alleingesellschafterin, der X GmbH, wahrgenommen. Die formale Beibehaltung der Gf kann daher das Vorliegen eines Mantelkaufs nicht verhindern (VwGH 15. 12. 2021, Ro 2019/13/0008). Da das BFG zuständig gewesen wäre, den Wiederaufnahmegrund zu prüfen (VwGH 5. 3. 2020, Ro 2018/15/0004) und somit ausreichende Feststellungen für das Vorliegen des Mantelkaufs vorzunehmen, ist das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Conclusio

In der vorliegenden Entscheidung präzisiert der VwGH seine bisherige Rsp zur wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur beim Mantelkauf (VwGH 15. 12. 2021, Ro 2019/13/0008). In dieser Entscheidung hatte er festgestellt, dass eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur auch dann vorliegen kann, wenn die bisherigen Gf zwar ihre Organstellung beibehalten, allerdings auch neue Gf bestellt werden, die dann über die tatsächliche Entscheidungsgewalt verfügen.

In der vorliegenden Entscheidung geht der VwGH einen Schritt weiter: Hier ist es nämlich nicht so, dass lediglich neue Gf zu den bisherigen Gf hinzutreten. Vielmehr treten keine personellen Änderungen im Organ der Geschäftsführung ein. Nach der vorliegenden Entscheidung kann auch ohne solche personellen Änderungen die organisatorische Struktur wesentlich geändert werden, wenn die bisherigen Gf die tatsächliche Geschäftsführung nicht ausüben. Bemerkenswert ist dabei, dass der VwGH nicht mehr – wie in der früheren Entscheidung – nur eine Negativabgrenzung vornimmt, wonach eine bloß formale Beibehaltung einer Gf-Stellung nicht die wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur verhindern kann. In der vorliegenden Entscheidung stellt der VwGH nun aber – soweit ersichtlich – erstmals für Zwecke des Mantelkaufs ausdrücklich auf den faktischen Geschäftsführer ab.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35569 vom 24.06.2024