News

VwGH zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristverlängerungsantrag

Bearbeiter: Michael Hubmann

BAO: §§ 308, 309a, 310

Abstract

Der VwGH hatte zu entscheiden, ob bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem § 308 BAO ein Antrag auf Verlängerung der Vorlageantragsfrist unter den Begriff der versäumten Handlung iSd § 308 Abs 3 letzter Satz BAO subsumiert werden kann. Abweichend vom BFG geht der VwGH davon aus, dass auch der Antrag auf Fristverlängerung und nicht nur der Vorlageantrag selbst eine versäumte Handlung sein kann. Es ist daher nicht notwendig den Vorlageantrag selbst gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Vielmehr ist es ausreichend, gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung einen Fristverlängerungsantrag zu stellen.

VwGH 19. 12. 2023, Ro 2023/15/0019

Sachverhalt

Das FA setzte im Jahr 2021 gegenüber dem Rw KESt für die Jahre 2011 bis 2017 fest. Eine gegen diese Festsetzungsbescheide erhobene Beschwerde wies das FA als unbegründet ab. Die entsprechende BVE wurde dem steuerlichen Vertreter des Rw am 2. 1. 2023 zugestellt. Die einmonatige Frist zur Stellung eines Vorlageantrags verstrich ungenützt. Am 16. 2. 2023 brachte der steuerliche Vertreter des Rw beim Finanzamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem § 308 BAOzur Einbringung einer Fristerstreckung zur Abgabe eines Vorlageantrags“ ein. Begründend brachte der steuerliche Vertreter vor, dass er auf die Frist vergessen habe, weil seine Mutter am 31. 1. 2023 verstorben ist und er daher seinen „seelisch am Boden zerstört[en]“ Vater unterstützen musste. Das FA wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid vom 21. 2. 2023 ab, wogegen durch den steuerlichen Vertreter des Rw am 13. 3. 2023 Beschwerde erhoben und gleichzeitig die Vorlage der Beschwerden gegen die Festsetzungsbescheide an das BFG beantragt wurde. Neben dem steuerlichen Vertreter beantragte auch der Rw selbst die Vorlage dieser Beschwerden. Das BFG entschied mit Erkenntnis, dass der abweisende Bescheid vom 21. 2. 2023 abzuändern und der Antrag vom 16. 2. 2023 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen (anstatt abzuweisen) ist (BFG 8. 5. 2023, RV/2100178/2023). Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller nämlich, so das BFG, spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen. Dies sei nicht passiert, da der Rw die Frist für den Vorlageantrag versäumt und durch seinen steuerlichen Vertreter mit dem Wiedereinsetzungsantrag – anstelle des Vorlageantrags – lediglich einen Antrag auf Fristverlängerung eingebracht hat. Außerdem wies das BFG auch die gestellten Vorlageanträge als nicht fristgerecht mit Beschluss zurück (BFG 8. 5. 2023, RV/2100180/2023). Gegen das Erkenntnis wurde ordentliche und gegen den Beschluss außerordentliche Revision erhoben. Diese wurden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Entscheidung des VwGH

Der streitgegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthält alle von § 309a BAO geforderten Angaben (Bezeichnung der versäumten Frist, des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses, Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung notwendig sind sowie die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind). Der Rw beantrage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um eine Verlängerung der Vorlageantragsfrist zu erwirken. Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat er einen Antrag auf „Erstreckung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages“ gestellt, womit nach Ansicht des VwGH die versäumte Handlung nachgeholt worden ist. Der vom BFG angenommene nicht verbesserungsfähige Mangel liegt somit nicht vor, weshalb die o Revision begründet und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Revision gegen den Zurückweisungsbeschluss entgegnet der VwGH, dass die Rechtmäßigkeit eines Bescheides grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit seiner Erlassung zu beurteilen ist. Der Zurückweisungsbescheid ist somit dann rechtmäßig, wenn zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt war (was hier der Fall ist). Durch die – nun im fortgesetzten Verfahren – folgende Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, tritt das Verfahren gem § 310 Abs 3 erster Satz BAO in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Dies bewirkt, dass alle nach Ablauf der versäumten (nunmehr durch die Wiedereinsetzung restituierten) Frist aufgrund der Versäumung ergangenen Bescheide mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt ihrer Erlassung vernichtet werden. Der Zurückweisungsbeschluss tritt daher im Falle der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ex lege außer Kraft (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 310 Rz 2 mwN). Durch die Zurückweisung des Vorlageantrages wurde der Rw demnach in keinem Recht verletzt, weshalb die ao Revision als unbegründet abzuweisen war.

Conclusio

Gem § 308 Abs 3 letzter Satz BAO hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen. Während das BFG annimmt, dass die versäumte Handlung nur die Stellung eines Vorlageantrags sein kann (BFG 8. 5. 2023, RV/2100178/2023), geht der VwGH davon aus, dass auch ein Antrag auf Fristverlängerung (und nicht nur der Vorlageantrag selbst) eine versäumte Handlung iSd § 308 BAO sein kann.

Grundsätzlich sieht § 245 Abs 3 BAO die Möglichkeit zur Fristverlängerung nur für Beschwerden vor. Diese gilt gem § 264 Abs 4 lit a BAO aber sinngemäß auch für Vorlageanträge. Problematisch erscheint mE aber, dass die Frist, an die § 308 BAO anknüpft, nur die Vorlageantragsfrist sein kann. Es gibt keine eigene Frist für die Fristverlängerung, die restituiert werden könnte. Zu bedenken ist auch, dass § 308 Abs 3 BAO ohnehin eine (großzügige) Frist von drei Monaten nach Wegfall des Hindernisses zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrags und Nachholung der versäumten Handlung einräumt, womit die einmonatige Vorlageantragsfrist schon deutlich verlängert wäre. Der VwGH geht mit der gegenständlichen Entscheidung und der dadurch ermöglichten Fristerstreckung nun aber noch einen Schritt weiter. Innerhalb der nun restituierten Vorlageantragsfrist wäre auch eine erneute Fristverlängerung möglich (§ 245 Abs 3 BAO). Einer Verfahrensbeschleunigung ist dies jedenfalls abträglich (vgl Chen, BFG zum Begriff der versäumten Handlung bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, LexisNexis Rechtsnews 34283).

Entsprechend der Rechtsansicht des VwGH wird das BFG im fortgesetzten Verfahren nun den Bescheid des FA auf eine Bewilligung der Wiedereinsetzung abzuändern haben. Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung werden die in Konsequenz der angenommenen Fristversäumung ergangenen Erledigungen (hier der Zurückweisungsbeschluss des BFG) rückwirkend vernichtet. Dies gilt ex lege; einer ausdrücklichen (bspw im Bewillungsbescheid verfügten) Aufhebung bedarf es nicht (vgl Capek/Turpin in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar [2023] § 310 Rz 6; Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 310 Rz 2).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35198 vom 19.03.2024