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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Der VwGH hatte zu entscheiden, ob bei einer Veräußerung eines Mitunternehmeranteils die Zurückbehaltung im Sonderbetriebsvermögen befindlicher Wertpapiere, die für investitionsbedingte Gewinnfreibeträge angeschafft wurden, zu einer Entnahme ins Privatvermögen führt. Zudem war zu klären, ob der Wegfall des Zwecks der Stärkung des Betriebskapitals zu einem gewinnerhöhenden Ansatz beim Rechtsnachfolger führt.
VwGH 24. 4. 2025, Ro 2023/15/0026
Sachverhalt
Die Rw, eine GmbH & Co KG, reichte für das Jahr 2021 eine Feststellungserklärung ein. In dieser wurden für die Jahre 2017–2020 investitionsbedingte Gewinnfreibeträge gem § 10 EStG für im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Wertpapiere geltend gemacht. Eine Nachversteuerung dieser Freibeträge wurde unterlassen, weil T, der seinen Mitunternehmeranteil im Jahr 2021 verkauft hat, die betreffenden Wertpapiere weiterhin in seinem Eigentum halte. Das Finanzamt (FA) wich im Feststellungsbescheid von der Erklärung ab und erhöhte den Veräußerungsgewinn um die seinerzeit geltend gemachten Gewinnfreibeträge.
Die Rw argumentierte (mit Verweis auf BFG 13. 1. 2020, RV/5100617/2018) in ihrer Beschwerde, dass bei noch vorhandenen, aber nicht mitveräußerten Wertpapieren keine Nachversteuerung zu erfolgen habe, obwohl die Behaltefrist noch nicht abgelaufen sei. Sie sah die Wertpapiere als fiktives Betriebsvermögen an, das die Erfüllung der Behaltefrist auch außerhalb des Betriebs ermögliche. Das FA folgte dieser Argumentation nicht, wies die Beschwerde ab und das BFG bestätigte diese Ansicht. Es stellte klar, dass durch die Zurückbehaltung der Wertpapiere bei gleichzeitiger Veräußerung des Mitunternehmeranteils eine Entnahme ins Privatvermögen vorliege, was zu einer Nachversteuerung führe.
Das BFG erklärte die Revision für zulässig, weil zu der vorliegenden Konstellation – Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Zurückbehaltung der im Sonderbetriebsvermögen befindlichen, mit Gewinnfreibeträgen begünstigten Wertpapiere – eine Rsp des VwGH noch nicht vorliege.
Entscheidung des VwGH
Außer Streit steht, dass T im Jahr 2021 seinen gesamte Mitunternehmeranteil an der GmbH & Co KG veräußerte, jedoch die im Sonderbetriebsvermögen befindlichen, zur Deckung investitionsbedingter Gewinnfreibeträge iSd § 10 EStG angeschafften Wertpapiere zurückbehalten hat.
Die Rw brachte vor, dass die Einstellung der Erwerbstätigkeit infolge der Veräußerung höhere Gewalt sei. Der VwGH verneinte das Vorliegen von höherer Gewalt, weil höhere Gewalt nur vorliegt, wenn ein außergewöhnliches Ereignis von außen einwirkt und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abgewendet werden kann.
Weiters bringt die Rw vor, dass der VwGH ein Fortbestehen der Eigenschaft als Betriebsvermögen trotz Betriebsveräußerung in seiner früheren Rsp anerkannt habe (mVa VwGH 22. 10. 1996, 95/14/0018; 24. 2. 2004, 99/14/0250). Im Schrifttum wird aus diesen Erkenntnissen abgeleitet, dass Wertpapiere, die zur Deckung eines investitionsbedingten Gewinnfreibetrags angeschafft wurden, auch nach einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe weiterhin vom Veräußerer gehalten werden dürften, um die Behaltefrist von vier Jahren gem § 10 Abs 5 EStG einzuhalten (mVa Beiser, Der Gewinnfreibetrag im Falle einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe – In welchen Fällen ist nach § 10 EStG nachzuversteuern? SWK 2017, 498; Beiser, Betriebsvermögen ohne Betrieb, RdW 2020, 471). Prodinger (mVa Prodinger, Betriebsaufgabe und Gewinnfreibetrag, SWK 2020, 1159 [1162 f]) sieht eine unsachliche Benachteiligung des Steuerpflichtigen, weil eine gegenteilige Auslegung dazu führen würde, dass in den vier Jahren vor dem Pensionsantritt der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag faktisch nicht mehr nutzbar wäre.
Dem entgegnet der VwGH, dass sich die von der Revision angeführten Erkenntnisse (mVa VwGH 22. 10. 1996, 95/14/0018; 24. 2. 2004, 99/14/0250) ausschließlich auf nach der Betriebsaufgabe anfallende Zinsen aus betrieblichen Verbindlichkeiten beziehen, wenn diese weder zur Finanzierung von ins Privatvermögen überführten Vermögensgegenständen gedient haben noch mit Aktiva des Betriebes abgedeckt werden konnten. Dann haben diese nach Betriebsaufgabe unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zu nachträglichen negativen Einkünften führen können (mVa Ebner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], EStG [22. Lfg 2021] § 32 Rz 88). Wertpapiere, die beim Verkauf eines Betriebes zurückbehalten werden, scheiden zwingend aus dem Betriebsvermögen aus. Das vorzeitige Ausscheiden vor Ablauf der Behaltefrist führt gem § 10 Abs 5 EStG zum gewinnerhöhenden Ansatz der betroffenen Gewinnfreibeträge. Zweck des investitionsbedingten Gewinnfreibetrags ist die Stärkung des Betriebskapitals. Bei einer Entnahme entfällt dieser Zweck. Eine unterschiedliche Behandlung zwischen mitübertragenen und ins Privatvermögen übernommenen Wertpapieren sieht der VwGH nicht, weil der Steuerstundungseffekt sowie die steuerlichen Vorteile, die sich bei einer Betriebsausgabe ergeben, nicht vergessen werden dürfen.
Daher kam der VwGH zur Entscheidung, dass die Revision zulässig ist, aber nicht begründet.
Conclusio
Im Mitunternehmeranteil von T wurden die Wertpapiere im Sonderbetriebsvermögen gehalten. Da dieses Sondervermögen auch zurückbehalten wurde, wurde das Sonderbetriebsvermögen iSd § 4 Abs 1 EStG entnommen (vgl Kauba in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], EStG [21. Lfg 2020] § 23 Tz 265/2). Die Ansicht von Beiser, dass bis zum Ablauf der Behaltefrist das Sonderbetriebsvermögen im „nachträglichen notwendigen Betriebsvermögen“ gehalten werden kann (vgl Beiser, Der Gewinnfreibetrag im Falle einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe, SWK 2017, 498), überzeugt nicht, weil durch das Zurückhalten des Sonderbetriebsvermögens beim Verkauf des Mitunternehmeranteils die Verbindung zwischen dem Wirtschaftsgut (Wertpapier) und dem Betrieb aufgelöst wird.
Da somit die Wertpapiere vor Ende der Behaltefrist gem § 10 Abs 5 EStG ausgeschieden sind, hat eine Nachversteuerung gem § 10 Abs 5 Z 1 EStG zu erfolgen (vgl dazu Hirschler/Sulz/Oberkleiner/Bernwieser, Nachversteuerung des Gewinnfreibetrages bei Betriebseinbringung, BFGjournal 2023, 363 [366]).