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Web-Mail-Dienst – Auskunftsanspruch analog § 18 Abs 4 ECG

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ECG: § 13, § 16, § 18

Haben Diensteanbieter iSv § 16 ECG (Host-Provider) mit den Nutzern ihres Dienstes „Vereinbarungen über die Speicherung von Informationen“ abgeschlossen, müssen sie gem § 18 Abs 4 ECG den Namen und die Adresse eines Nutzers auf Verlangen dritten Personen übermitteln, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet.

Der Auskunftsanspruch gegenüber Dritten gem § 18 Abs 4 ECG gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur gegenüber den in § 16 ECG genannten Diensteanbietern, sohin gegenüber Host-Providern. So ist etwa der Betreiber eines Online-Diskussionsforums – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 18 Abs 4 ECG – zur Herausgabe von Namen und Adresse jener Personen verpflichtet, die im Rahmen dieses Forums Beiträge „posten“.

Soweit aber der Anbieter eines Webmail-Dienstes hinsichtlich der Haftungsbeschränkungen § 13 ECG unterliegt – sei es, weil er bloß den Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk und keine Speichermöglichkeit über die Zwischenspeicherung gem § 13 Abs 2 ECG hinaus anbietet, sei es, weil dem Tatbestand des § 16 ECG das ungeschriebene Erfordernis entnommen wird, die vom Nutzer eingegebenen Informationen Dritten zugänglich zu machen –, erweist sich das ECG gemessen an seiner eigenen Zielsetzung als lückenhaft. Denn auch die Bereitstellung eines Webmail-Dienstes zielt darauf ab, Dritten (den Empfängern der E-Mail) die vom Nutzer eingegebenen Inhalte zugänglich zu machen, wodurch es zu Rechtsverletzungen kommen kann. Auch in einem solchen Fall bestünde ohne einen Auskunftsanspruch ein Rechtsschutzdefizit des Verletzten, weil der Web-Mail-Anbieter selbst aufgrund des Kommunikationsgeheimnisses (§ 93 TKG) keine Kenntnis der versendeten Informationen hat und für deren Inhalt daher nicht haftet. § 18 Abs 4 ECG ist daher in einem solchen Fall analog anzuwenden.

OGH 20. 5. 2020, 6 Ob 226/19g

Ausgangsfall

Die Bekl bietet ihren Kunden unter der Bezeichnung „Festnetz-Internet Privat/Glasfaser Speed“ die Herstellung und Nutzung einer Internetverbindung an. Zu den inkludierten Leistungen gehört ua die Bereitstellung von drei bis fünf E-Mail-Adressen.

Nachdem die Kl in einer Tageszeitung eine Kolumne veröffentlicht hatte, wurde in Reaktion darauf von der E-Mail-Adresse s*****@*****.net eine E-Mail an mehrere in- und ausländische Medien gesendet, deren Text Äußerungen enthält, die von der Kl als ehrenrührig und kreditschädigend beanstandet werden. Die E-Mail ist mit einem Namen unterzeichnet, bei dessen Abfrage im Melderegister – ebenso wie bei Abfrage des Namens der E-Mail-Adresse – Personen mit aktuellem Hauptwohnsitz an derselben Adresse angeführt sind.

Die Bekl lehnte der Kl gegenüber die Herausgabe der Nutzerdaten ab. Sie betreibe keinen Dienst der Informationsgesellschaft iSd § 3 Z 1 ECG. Jedenfalls sei sie nicht Host-Provider iSd § 16 ECG, sondern Access-Provider iSd § 13 ECG. Das Webmail der Bekl sei lediglich dazu konzipiert, E-Mails zu senden und zu empfangen, nicht dazu, sie zu speichern. Auch nach den Feststellungen des ErstG werden die E-Mails nicht auf den Servern der Bekl gespeichert, sondern in eine Warteschlange eingereiht und in Intervallen 30 Sekunden zum End-Mail-Server zugestellt.

ErstG und BerufungsG beurteilten die Bekl im Hinblick auf die Speicherung der E-Mails unterschiedlich – nämlich als Host-Provider iSd § 16 ECG (ErstG) bzw als Access-Provider iSd § 13 ECG (BerufungsG) – und kamen hinsichtlich des Auskunftsanspruchs der Kl daher zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Entscheidung

Nach Ansicht des OGH bedarf es im vorliegenden Fall keiner abschließenden Beurteilung, ob die Bekl den Voraussetzungen des § 13 oder des § 16 ECG unterworfen ist. Selbst unter der Annahme, dass sie im Hinblick auf das Haftungsregime § 13 ECG unterworfen wäre, ist hier nämlich die analoge Anwendung des § 18 Abs 4 ECG geboten, sodass die Kl im Ergebnis mit ihrem Auskunftsbegehren erfolgreich war.

Die Herausgabepflicht nach § 18 Abs 4 ECG setzt voraus, dass die Rechtsverfolgung aufgrund einer groben Prüfung der vom Kl geltend gemachten Verletzungen eine gewisse Aussicht auf Erfolg hat (RS0129335 [T2]). Dass dies hier der Fall ist (Äußerungen iSv § 1330 ABGB, §§ 11, 115 StGB), zieht die Bekl nicht in Zweifel. Die Kl hat darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass die begehrte Auskunft eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet, weil die Existenz von Personen eines bestimmten Namens keinen verlässlichen Schluss darauf zulässt, ob diese hinsichtlich des konkreten Webmail-Zugangs verfügungsberechtigt waren.

Der Einwand der Bekl, wonach sie auch als Telekommunikationsunternehmen zu qualifizieren sei und nur im Wege der zentralen Durchlaufstelle gem § 102a TKG 2003 zur Übermittlung verpflichtet werden könnte, lässt außer Acht, dass diese Bestimmung nicht die Übermittlung von Stammdaten regelt (dazu gehören gem § 92 Abs 1 Z 3 lit a und c TKG 2003 Name und Anschrift einer Person), sondern die Datensicherheit bei der Übermittlung von Verkehrs- und Standortdaten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29622 vom 02.09.2020