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Wiedereinsetzung in die Frist zur Revision an den VwGH

Bearbeiter: Franz Wallig

VwGG: § 46

ZustellG: § 22

Abstract

Die Übernahme von zugestellten Dokumenten ist vom Übernehmer des Dokuments zu bestätigen. Will ein Parteienvertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erwirken, weil eine Mitarbeiterin die Übernahme von Dokumenten unvollständig bestätigt hat, muss er die Einhaltung seiner eigenen Kontroll- und Überwachungspflichten nachweisen. Insbesondere sind aus der Übernahme resultierende Fristen selbst zu berechnen und dazu die Übernahmebestätigung selbst oder durch eine weitere verlässliche Mitarbeiterin zu prüfen. Kann ein solcher Nachweis nicht erbracht werden, ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren.

VwGH 7. 9. 2023, Ra 2023/15/0001

Sachverhalt

Die Revisionswerberin, eine natürliche Person, wollte gegen ein Erkenntnis des BFG durch ihren Parteienvertreter Revision einbringen. Aufgrund eines Fehlers einer langjährigen Mitarbeiterin des Parteienvertreters wurde die Revision jedoch erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebracht. Konkret übernahm die Mitarbeiterin das revisionsgegenständliche Erkenntnis des BFG in Form eines RSb-Schreibens, erstellte eine Kopie des Schreibens (inkl unterfertigtem Rückschein) und übergab dem zustellenden Postbeamten in der Folge den abgetrennten Rückschein. Die Mitarbeiterin vermerkte jedoch das Übernahmedatum nicht am Rückschein. Stattdessen wurde der Rückschein vom Postbeamten vervollständigt, wobei der 29. 9. 2022 als Datum der Übernahme eingetragen wurde. Die Mitarbeiterin der Kanzlei stempelte hingegen das übernommene Erkenntnis nur mit dem Kanzleistempel ab, welcher fälschlicherweise das Datum „30. 9. 2022“ zeigte. In der Folge wurde diese falsche Eingangsfrist im Fristenmanagement der Kanzlei hinterlegt und die Revision wurde entsprechend einen Tag nach Ablauf der tatsächlichen Revisionsfrist eingebracht. Dieser Fehler wurde dadurch bestätigt, dass der weitgehend verblasste Stempel der Zustellbasis eine „2“ als erste Ziffer des Datums aufwies. Nachdem der Parteienvertreter Kenntnis von diesem Irrtum erlangt hatte, brachte er rechtzeitig nach Wegfall des Hindernisses einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem § 46 VwGG ein. Der Parteienvertreter brachte vor, dass das RSb-Schreiben von einer langjährigen verlässlichen Mitarbeiterin übernommen wurde. Darüber hinaus sei ihm ein solcher Fehler in den vergangenen knapp 20 Jahren noch nie passiert. Ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden könne ihm nicht zur Last gelegt werden, wenn er sich auf das Datum des Kanzleistempels verlassen hatte, den seine überaus verlässliche Mitarbeiterin angebracht hat.

Entscheidung des VwGH

Gem § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht. Wird die Partei vertreten, trifft das Verschulden des Parteienvertreters auch die Partei, wobei ein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei rechtsunkundigen Personen. Der Fehler einer Mitarbeiterin ist dem Parteienvertreter zuzurechnen, wenn er die Überwachungspflicht gegenüber der Mitarbeiterin verletzt hat. Er hätte Maßnahmen treffen müssen, um die korrekte Eintragung der Fristen im Kalender zu überprüfen. Dazu hätte bspw er selbst oder eine weitere geschulte und verlässliche Mitarbeiterin eine laufende Kontrolle der Eintragungen in angemessenen Abständen vornehmen können. Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleimitarbeiters seines bevollmächtigten berufsmäßigen Parteienvertreters geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem berufsmäßigen Parteienvertreter obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Da insbesondere die Frage, in welcher Form und binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Parteienvertreter bedarf, hätte dieser selbst den Übernahmeschein überprüfen müssen. Dann hätte er auch erkennen können, dass die Kanzleiangestellte im Übernahmefeld des Rückscheins selbst kein Datum eingetragen hatte und er sich nicht ohne weiteres auf den Eingangsstempel der Kanzlei verlassen konnte. Insgesamt enthielt der Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Vorbringen dazu, inwiefern der Parteienvertreter seinen Pflichten nachgekommen sei und ob die Kanzleiangestellte bei der Übernahme von Dokumenten auch schon in der Vergangenheit die in § 22 Abs 2 ZustellG vorgesehene Datumsangabe unterlassen hatte. Daher konnte die Revisionswerberin nicht nachweisen, dass dem Parteienvertreter kein Verschulden oder lediglich ein minderer Grad des Versehens anzulasten wäre, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend abzuweisen war.

Conclusio

Wird eine Zustellung durch eine Mitarbeiterin einer Kanzlei übernommen, so hat diese die Übernahme gem § 22 Abs 2 ZustellG zu bestätigen. Die Bestätigung hat neben der eigenhändigen Unterschrift auch das Datum der tatsächlichen Übernahme und die Angabe des Naheverhältnisse zu enthalten. Ein Naheverhältnis ist beispielsweise dann anzugeben, wenn der Übernehmer Postbevollmächtigter oder gem § 13 Abs 4 ZustellG befugter Angestellter eines bevollmächtigten Parteienvertreters ist (siehe bspw Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 22 ZustellG Rz 5). Neben der gesetzlichen Verpflichtung liegt es auch im Interesse des Parteienvertreters, dass Rückscheine immer mit dem korrekten Datum versehen werden. Der Zustellnachweis selbst ist eine öffentliche Urkunde, der grundsätzlich die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs zukommt (siehe bspw VwGH 29. 11. 2010, 2010/17/0198). Wenn der Zusteller daher aufgrund einer vom Parteienvertreter unterlassenen Datumsangabe aus Versehen ein falsches Datum ergänzt, wäre dieses grundsätzlich als „wahrer“ Zustellzeitpunkt anzunehmen. Dann liegt es am Parteienvertreter selbst einen Zustellmangel nachzuweisen und Beweise anzuführen, welche den Zustellzeitpunkt widerlegen (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 22 ZustG Rz 2 mwN). Daher sollte der Übernehmer eines zugestellten Dokumentes immer darauf achten, die Datumsangabe selbst am Rückschein anzubringen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34821 vom 05.12.2023