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Der vorliegende Art 4.1.3 der Allgemeinen Bedingungen zur Haftpflichtversicherung von Vermögensschäden der Wirtschaftstreuhänder (AVBW 1994) enthält einerseits den Ausschluss von Haftpflichtansprüchen wegen der „Verletzung ausländischen Rechts“ (Rechtsverletzungsklausel) und weiters den wegen „Nichtbeachtung ausländischen Rechts“ (Nichtbeachtungsklausel).
Die Rechtsverletzungsklausel bezieht sich auf ausländisches Recht, das im Zuge der Mandatsbearbeitung nach entsprechender Sachverhalts- und Rechtsprüfung fehlerhaft angewandt wird. Der Tatbestand „Verletzung eines ausländischen Rechts“ setzt voraus, dass eine vorherige Beschäftigung mit ausländischem Recht erfolgt (etwa durch Prüfung des materiellen Inhalts ausländischen Rechts). Durch Prüfung/Beratung bzw Anwendung zu und von ausländischem Recht kann gegen ausländisches Recht verstoßen und dieses „verletzt“ werden. Die Verletzung ausländischen Rechts setzt damit ein aktives, bewusstes Tun voraus.
Nach der Nichtbeachtungsklausel wird über die Verletzung hinaus auch schon die Nichtbeachtung ausländischen Rechts vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Ihr zufolge besteht schon dann kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer bloß passiv übersieht, dass auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug ausländisches Recht anzuwenden wäre.
Grundsätzlich gilt auch Unionsrecht als inländisches Recht. Dies trifft jedenfalls auf Verordnungen zu. Eine RL hingegen ist grds nicht unmittelbar anwendbar, sondern muss von den Mitgliedstaaten in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden. Damit handelt es sich bei ausländischen Umsetzungsgesetzen von RL jedenfalls um „ausländisches“ Recht iS dieses Risikoausschlusses.
Bereits aus der klaren Formulierung der Bestimmung „Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Verletzung oder Nichtbeachtung ausländischen Rechts“ folgt, dass der Ausschluss Kausalität zwischen der Verletzung oder Nichtbeachtung ausländischen Rechts und dem Schadenseintritt voraussetzt.
Der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherten ist durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig, und zwar unter Zugrundelegung des vom Geschädigten behaupteten Sachverhalts.
Entscheidung
Risikoausschluss betr dt Recht
Im Schreiben vom 2. 10. 2023 konkretisierten die Geschädigten ihre Ansprüche gegen die Kl (Steuerberaterin, Versicherungsnehmerin). Sie warfen ihr vor, sich nur auf österreichisches Recht bezogen und andererseits die geforderte Tätigkeit in Deutschland und nach deutschem Steuerrecht – wie auch den Hinweis auf die Notwendigkeit einer Sonderbehandlung der in Deutschland getätigten Umsätze – schuldhaft und rechtswidrig unterlassen zu haben.
Der Vorwurf beinhaltet die Nichtbeachtung deutschen Rechts in zweifacher Hinsicht, nämlich zum einen die Nichtbeachtung der vom deutschen Gesetzgeber festgesetzten Schwellengrenze und das daraus resultierende Unterbleiben der Versteuerung in Deutschland und zum anderen die Nichtbeachtung deutschen Rechts durch Unterlassung der Steuervoranmeldung und Steuererklärungen für die Vergangenheit nach Erkennen dieses Fehlers, womit die Voraussetzungen des Risikoausschlusses der Nichtbeachtungsklausel erfüllt sind. Die von den Geschädigten vorgenommene rechtliche Qualifikation ist dabei unbeachtlich.
Die daraus resultierenden Forderungen gegenüber der Kl beziehen sich nach dem Vorbringen auf Schäden, die dadurch entstanden seien, dass unrichtig keine Versteuerung in Deutschland erfolgt sei. Ob darüber hinaus (zusätzlich) fälschlich Umsatzsteuer auch in Österreich abgeführt wurde, ist für die in diesem Zusammenhang zu beurteilenden Schadenersatzansprüche mangels Kausalität nicht von Bedeutung.
Die entsprechenden Bestimmungen im österreichischen und deutschen Steuerrecht setzen die RL 2006/112/EG (MwStSystRL) um. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich beim Überschreiten der vom deutschen Gesetzgeber in Umsetzung dieser RL festgesetzten Schwellengrenze (was die steuerlichen Verpflichtungen nach deutschem Steuerrecht auslöst), um ausländisches, nämlich deutsches Recht handelt.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass sich die geltend gemachten Schadenersatzforderungen der Geschädigten, soweit sie sich auf die Nichtbeachtung von deutschem Recht – im oben dargestellten Sinn – gründen unter den Risikoausschluss des Art 4.1.3 AVBW fallen.
Ansprüche iZm österr Recht
Dies ändert im Ergebnis nichts an der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung:
Im Schreiben vom 16. 11. 2021 gründen die Geschädigten ihre Schadenersatzforderungen erkennbar auch auf Pflichtverstöße iZm der (verspäteten) Rückführung und Realisierung der fälschlicherweise in Österreich abgeführten Umsatzsteuerbeträge gegenüber den österreichischen Steuerbehörden, wofür – wie aus dem Klagebegehren folgt – ebenfalls Versicherungsschutz begehrt wird. Soweit Schadenersatzforderungen aus der nicht vollständigen Rückführung der in Österreich abgeführten Steuern geltend gemacht werden, sind diese vom Risikoausschluss nicht umfasst, weil sie aus der Verletzung/Nichtbeachtung österreichischen Rechts folgen.
Abgesehen davon, dass bislang nicht dargelegt wurde, welche österreichischen Normen verletzt/nicht beachtet wurden, erweist sich auch die Ansicht des BerufungsG als zutreffend, dass die geltend gemachten Schadenersatzforderungen (so insb die Vertreterkosten) den einzelnen der Kl vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht zugeordnet wurden und daher mangels ausreichender Schlüssigstellung eine Differenzierung nach gedeckten und nicht gedeckten Ansprüchen (noch) nicht vorgenommen werden kann.