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Zahnärztliche Leistung im Fernabsatz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

FAGG: § 1

Die österreichische Umsetzungsnorm des FAGG geht (zulässigerweise) in ihrem Anwendungsbereich über die Verbraucherrechte-RL (RL 2011/83/EU) hinaus. Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 FAGG gilt dieses Gesetz nicht für Verträge über Gesundheitsdienstleistungen – mit Ausnahme des Vertriebs von Arzneimitteln und Medizinprodukten im Fernabsatz. Diese Gegenausnahme wurde vom österreichischen Gesetzgeber aus Verbraucherschutzgründen bewusst normiert (vgl RV 89 BlgNR 25. GP 5 und 23).

Diese Gegenausnahme des § 1 Abs 2 Z 3 FAGG für den Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten im Fernabsatz ist eng auszulegen und gilt nur für den Verkauf standardisierter Massenprodukte, erfasst aber nicht individuell angefertigte oder angepasste Medizinprodukte (hier: individuell angefertigte Zahnschienen aus Kunststoff samt Behandlungsplan, der durch Zahnärzte erstellt wird).

OGH 20. 10. 2020, 4 Ob 158/20v

Sachverhalt

Die kl Körperschaft öffentlichen Rechts ist gesetzlich zur Wahrnehmung der Interessen der Österreichischen Zahnärzte und Dentisten berufen. Sie stützt sich (im Sicherungsverfahren) auf § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Rechtsbruch).

Die Bekl ist eine deutsche GmbH mit Sitz in Berlin; die Mehrheit ihrer Gesellschafter ist nicht zur selbstständigen Berufsausübung des zahnärztlichen Berufs berechtigt. Sie verkauft individuell angefertigte Zahnschienen aus Kunststoff samt Behandlungsplan, der durch Zahnärzte erstellt wird. Bei Abweichungen vom normalen Behandlungsverlauf erfolgt eine Begutachtung durch einen Kooperationszahnarzt.

Die Bekl bewirbt ihr Angebot auf ihrer Website, die auch auf den österreichischen Markt ausgerichtet ist. Dabei verweist die Bekl auf einen Standort in Wien unter Angabe des Namens und der Adresse eines Kooperationszahnarztes. Die Kosten für die Leistungen der Bekl sind auf der Website mit 1.899 € inklusive USt für Deutschland und 2.199 € inklusive USt für Österreich angegeben.

Entscheidung

Nach Art 3 lit e der Werbe-RL ist die Nennung des Preises für privatzahnärztliche Leistungen in der Öffentlichkeit grds standeswidrig und damit unzulässig. Dagegen verstößt die Bekl mit den beanstandeten Werbeankündigungen auf ihrer Website. Auf die Ausnahme der Werbe RL für den Fall, dass die Angabe gesetzlich vorgeschrieben ist, kann sie sich nicht berufen. Das FAGG – und damit die Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 4 FAGG – ist nämlich nicht anwendbar (siehe Leitsatz). Auch § 2 Abs 6 Z 3 UWG (Angabe des Bruttopreises bei einer Aufforderung zum Kauf) kommt im Anlassfall nicht zur Anwendung.

Verfassungsrechtliche Bedenken zeigt die Bekl auch mit ihrem Argument nicht auf, die Ärztekammer habe anders als die Zahnärztekammer das Werbeverbot für Preisangaben zwischenzeitlich abgeschafft, weshalb eine unsachliche Differenzierung vorliege.

Die Tätigkeit der Bekl in Österreich, die sie über einen österreichischen Kooperationszahnarzt ausübt, greift weiters in den Zahnärztevorbehalt ein (vgl 4 Ob 87/12s, Rechtsnews 14481). Die Bekl entspricht den Anforderungen nach § 26 Abs 3 ZÄG nicht, weil auch standesfremde Personen Gesellschafter sind. Dass die Tätigkeit der Bekl nach ihren Behauptungen nach deutschem Recht zulässig ist (vgl dazu Scholz, Medizinrecht3 § 23a MBO Rz 2), hilft ihr nicht weiter, weil § 31 ZÄG (Dienstleistungsfreiheit) nur auf berufsberechtigte natürliche Personen abstellt.

Schließlich greift auch das Argument der Bekl nicht, dass der Gebissabdruck auch vom Patienten selbst erstellt werden könnte, weil nach dem bescheinigten Sachverhalt eine Reihe von weiteren zahnärztlichen Leistungen verbleiben, die vom österreichischen Kooperationszahnarzt erbracht werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30239 vom 13.01.2021