Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der RdW erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Die Zins-Swap-Vereinbarung (vereinbarter Austausch zukünftiger Zinszahlungen in einer bestimmten Währung während eines festgelegten Zeitraums) ist ein auf den Finanzmärkten weit verbreitetes Instrument, das es den Vertragsparteien ermöglicht, bestehende Zinsrisken zu steuern und an die individuellen Zinserwartungen anzupassen. Zu diesem Zweck werden – so auch hier – oftmals Rahmenverträge abgeschlossen, um eine standardisierte Vertragsgrundlage zu schaffen.
In Anlehnung an österreichischen Standard-Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte sieht auch der hier abgeschlossene Rahmenvertrag (RV) zwei Beendigungsarten des Zins-Swap-Geschäfts vor: Die Kündigung aus wichtigem Grund (§ 7 Abs 1 und 2 RV) und die automatische Vertragsbeendigung (§ 7 Abs 3 RV; hier § 7 Abs 3 lit c RV: Liquidation der Kl, ein nach dem BaSAG abgewickeltes Kreditinstitut). Die Beendigungswirkung umfasst sowohl den Rahmenvertrag als auch alle auf dieser Grundlage abgeschlossenen Einzelabschlüsse. Rechtsfolge der automatischen Beendigung ist nach § 7 Abs 4 RV der Entfall jeglicher Zahlungs- und sonstiger Leistungspflichten iSd § 3 Abs 1 RV, unabhängig davon, ob diese gleichtägig oder später fällig geworden wären. Allerdings sieht § 7 Abs 4 letzter Satz RV ausdrücklich vor, dass an die Stelle dieser Verpflichtungen Forderungen gem §§ 8 und 9 RV treten, dh das sog „Liquidationsnetting“.
Dabei sieht das Zusammenspiel von § 8 und § 9 RV einen – in zweifacher Hinsicht der Höhe nach begrenzten – Ausgleichsanspruch auch der „anderen Partei“ vor, die also wegen ihrer Liquidation die Vertragsbeendigung zu vertreten hat (unabhängig von Ersatzansprüchen der „ersatzberechtigten Partei“). § 8 RV („Schadenersatz und Vorteilsausgleich“) zielt nicht darauf ab, eine Vertragspflichtverletzung einer Partei zu sanktionieren, sondern (auch) bei Beendigungsgründen wie Insolvenz oder Liquidation eine Aufrechnung und einen Ausgleich offener Forderungen zu ermöglichen und damit eine Abwicklung des Vertrags ex nunc zu gewährleisten, womit ein Wertausgleich zwischen den Vertragsparteien bewirkt wird. Ein etwaiger Ersatzanspruch der „anderen Partei“ darf bei korrekter Auslegung des § 8 Abs 2 RV einerseits die Höhe des Vorteils der „ersatzberechtigten Partei“ (finanzieller Vorteil aus der Beendigung von Einzelabschlüssen insgesamt) und andererseits die Höhe des Schadens der „anderen Partei“ nicht übersteigen.
Aus zivilrechtlicher Sicht sind die Regelungen als Rechtsgrundlage einer Aufrechnungsvereinbarung und eines verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs anzusehen. Nach Verrechnung kann ein Saldo daher grds sowohl für die „ersatzberechtigte Partei“ als auch für die „andere Partei“ positiv sein. Ein Wertausgleich zwischen den Parteien dient auch der Hintanhaltung von Wertungswidersprüchen gegenüber dem Insolvenzrecht.
Entscheidung
Liquidationsnetting auch bei Liquidation
Soweit die Rekurswerberin meint, nach dem Wortlaut des Rahmenvertrags seien die §§ 8 f RV bei Liquidation gar nicht anwendbar, ignoriert sie den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs 4 letzter Satz RV, der unterschiedslos alle Beendigungsgründe des § 7 Abs 3 RV erfasst, somit auch die Liquidation.
Auch die Lehre hält die Bestimmungen der §§ 8 f RV im Fall der Liquidation für anwendbar (Fiedler, ÖBA 2024, 616; Ewerz/Torggler, RdW 2024, 8, je mwN) und bezeichnet die nach § 7 Abs 4 iVm §§ 8 und 9 RV erforderliche Verrechnung im Wege einer Ausgleichsforderung als „Liquidationsnetting“. Demnach seien die Bruttomarktwerte (positiv wie negativ) aller unter dem Rahmenvertrag gebündelten Einzelgeschäfte zu verrechnen und zu einer Ausgleichsforderung umzuwandeln (Fiedler, ÖBA 2024, 616; Ewerz/Torggler, RdW 2024, 8 [10]; Fuchs/Kammel, ÖBA 2010, 598 [601]). Im Beendigungszeitpunkt werden die Werte der bestehenden Einzelabschlüsse ermittelt, saldiert und zu einer einheitlichen Ausgleichsforderung zusammengefasst, wodurch es zu einer Gesamtabrechnung ähnlich wie bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens eines Gesellschafters im Ausscheidungs- oder Liquidationsfall kommt. Hintergrund dieser Überlegungen ist, dass ein Zins-Swap einen im Zeitlauf veränderlichen Marktwert hat und einen (unkörperlichen) Vermögenswert darstellt (Ewerz/Torggler aaO, 11).
Zweifach begrenzter Ausgleichsanspruch der liquidierten Partei
§ 8 Abs 1 RV bezeichnet für den Fall der Beendigung die „kündigende oder solvente Partei“ als „ersatzberechtigte Partei“, der „ein vom Verschulden der anderen Partei unabhängiger Anspruch auf Schadenersatz“ zusteht.
Dass die Liquidation und daher der Beendigungsgrund von der Kl ausging (ein nach dem BaSAG abgewickeltes Kreditinstitut) und demgemäß die Kl nicht als ersatzberechtigte Partei iSd § 8 Abs 1 RV anzusehen war (ungeachtet des Umstands, dass sie nicht insolvent war), haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Nach der Diktion des RV ist daher im konkreten Fall die Bekl (eine Gebietskörperschaft) die ersatzberechtigte Partei, die Kl hingegen „andere Partei“. Ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch nach § 8 Abs 1 RV steht der Kl nicht zu und ist daher auch nicht zu beurteilen.
Zu erörtern ist aber die Frage, ob die Kl als „andere Partei“ ihren Anspruch auf § 8 Abs 2 RV stützen kann, der grds („vorbehaltlich § 9 Abs 2 RV“) einen Ersatzanspruch der „anderen Partei“ in Höhe des finanziellen Vorteils vorsieht, den die „ersatzberechtigte Partei“ (hier die bekl P) aus der Beendigung von Einzelabschlüssen insgesamt erlangt, wobei dieser Ersatzanspruch jedoch mit der Höhe des Schadens der „anderen Partei“ begrenzt ist.
Die vom BerufungsG erwähnte doppelte Begrenzung eines derartigen Anspruchs ist daher richtigerweise in rechtlicher Sicht so vorzunehmen, dass bei korrekter Auslegung des § 8 Abs 2 RV ein etwaiger Ersatzanspruch der Kl als „anderer Partei“ einerseits die Höhe des Vorteils der Bekl als „ersatzberechtigter Partei“ und andererseits die Höhe des Schadens der Kl als „anderer Partei“ nicht übersteigen darf. Was die Berechnung des finanziellen Vorteils betrifft, finden nach § 8 Abs 2 RV die Grundsätze des § 8 Abs 1 RV über die Schadensberechnung entsprechend Anwendung.
Eine etwaige Ausgleichsforderung der Kl wäre daher nach den Anordnungen des § 8 RV in zwei Schritten zu ermitteln: Im ersten Schritt ist der Schadenersatzanspruch der Bekl als ersatzberechtigter Partei nach § 8 Abs 1 RV zu ermitteln, im zweiten Schritt der Ausgleichsanspruch der Kl als anderer Partei nach § 8 Abs 2 RV und auf dieser Grundlage die Ausgleichsforderung (Fiedler, ÖBA 2024, 616 [623]; Ewerz/Torggler aaO 11f).
Diese Berechnungsmodalität des § 8 Abs 1 und 2 RV legt bereits nahe, daraus abzuleiten, dass auch der Kl als „anderer Partei“ tatsächlich ein solcher Anspruch auf Ausgleich unabhängig von erhobenen Ersatzforderungen der Bekl als ersatzberechtigter Partei zustehen soll. Jedenfalls ist aber der in § 8 Abs 2 RV ausdrücklich zitierte § 9 Abs 2 RV zu berücksichtigen, der davon spricht, dass eine Ausgleichsforderung gegen die „ersatzberechtigte Partei“ nur zahlbar wird, soweit diese keine Ansprüche aus irgendeinem rechtlichen Grund gegen die „andere Partei“ hat, und der eine erweiterte Aufrechnungsmöglichkeit der „ersatzberechtigten Partei“ vorsieht. Diese Bestimmung wäre unerklärlich, könnte es in keinem Fall einen Anspruch der „anderen Partei“ geben, der sich nach § 8 Abs 2 RV ermittelt. Auch § 8 Abs 2 RV selbst weist in diese Richtung, weil danach die „ersatzberechtigte Partei“, hier also die Bekl, „vorbehaltlich § 9 Abs 2“ RV der „anderen Partei“ einen Betrag in Höhe ihres Vorteils schuldet.
Dass das Zusammenspiel der §§ 8 und 9 RV einen selbstständigen Ausgleichsanspruch auch für die andere Partei vorsieht, die aufgrund ihrer Liquidation für die Vertragsbeendigung verantwortlich ist, kann sich auch auf systemische Überlegungen stützen.
Hinweis: In seinen Entscheidungsgründen geht der OGH weiters näher darauf sowie der Vollständigkeit halber auch auf insolvenz- und aufsichtsrechtliche Erwägungen ein. Als Ergebnis hält er diesbezüglich fest, dass die automatische Auflösung und darauffolgende Aufrechnung von Netting-Vereinbarungen wie hier insolvenzrechtlich nach § 20 Abs 4 iVm § 25b Abs 2 IO zulässig ist und ein Wertausgleich zwischen den Parteien somit auch der Hintanhaltung von Wertungswidersprüchen gegenüber dem Insolvenzrecht dient.
Keine Geltungs- und Inhaltskontrolle nach § 864a und § 879 Abs 3 ABGB
Nach den Feststellungen ging der Übermittlung eines Entwurfs des Rahmenvertrags durch die Kl voraus, dass der Berater der Bekl seinerseits bereits bei Anfrage um ein Angebot den österreichischen Standard-Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (und damit auch dessen §§ 7–9) vorgeschlagen und der Kl einen solchen aus einem ähnlichen Geschäftsabschluss zur Verfügung gestellt hatte.
Als „Verwender“ des Rahmenvertrags war daher in Ansehung der hier relevanten Bestimmungen nicht die Kl, sondern die bekl P anzusehen, von der dieser Vorschlag kam; keine Rede kann hingegen davon sein, die Kl habe den österreichischen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte als Vertragsformblatt der Bekl „gestellt“. Die Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Geltungs- und Inhaltskontrolle nach §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB ist daher zu verneinen (vgl 1 Ob 214/17b, Zak 2018/171; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.05 § 864a Rz 36; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar V5 § 864a ABGB Rz 5). Auch die Unklarheitenregel des § 915 Abs 2 ABGB ist aus diesem Grund nicht anwendbar (vgl RS0017992; Vonkilch in Klang3 § 915 ABGB Rz 38).
Wenn die bekl P damit argumentiert, der Endigungsgrund der Liquidation treffe nicht gleichermaßen auf beide Vertragsparteien zu und daraus eine Sittenwidrigkeit iSd § 879 Abs 1 ABGB ableiten möchte, fehlt es ebenso an einer erkennbaren Nachteiligkeit. Zwar mag die Liquidation einer Gebietskörperschaft praktisch ausgeschlossen sein, allerdings kommt eine einseitige willkürliche Liquidation der Kl zu einem von dieser gewählten Zeitpunkt nicht in Betracht. Die Frage, ob die „ersatzberechtigte Partei“ auch im Fall gröbster oder vorsätzlicher Pflichtverstöße der „anderen Partei“ wirtschaftlich an einen Vertrag gefesselt wäre, wenn ein Ausstieg aufgrund der drohenden Ausgleichszahlung nicht leistbar wäre, ist von rein theoretischer Natur und daher hier nicht zu erörtern. Ob die Klausel auch für diesen Fall anwendbar wäre, bedarf keiner vertieften Prüfung.
Ergebnis
Im fortgesetzten Verfahren wird das ErstG einerseits den Schaden der Kl als „anderer Partei“ und andererseits den Vorteil der Bekl als „ersatzberechtigter Partei“ nach den Kriterien des § 8 RV zu ermitteln und auf Basis dessen einen allfälligen Ausgleichsanspruch der Kl zu bemessen haben.