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Ziviltechnikergesellschaft – Einzelprokura

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

UGB: §§ 49 f

ZTG: § 28

Zum Einzelprokuristen einer Ziviltechnikergesellschaft darf nur eine Person bestellt werden, die über eine aufrechte Ziviltechnikerbefugnis verfügt.

OGH 30. 3. 2016, 6 Ob 42/16v

Sachverhalt

Eine Ziviltechnikergesellschaft hatte die Eintragung einer selbständig vertretungsbefugten Prokuristin im Firmenbuch beantragt, die über keine aufrechte Befugnis als Ziviltechnikerin verfügt; nach § 28 ZTG sei dies nicht erforderlich.

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten sprach sich gegen die Eintragung aus und die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab. § 28 Abs 1 ZTG in der Stammfassung (BGBl I 1994/156) habe gelautet: „... Geschäftsführung und Vertretung müssen Gesellschaftern mit ausgeübter Befugnis vorbehalten sein...“. Mit BGBl I 2005/137 sei § 28 Abs 1 ZTG auf den nunmehr geltenden Wortlaut („Geschäftsführer und organschaftliche Vertreter ...“). Für die Änderung des Wortlauts von „Vertretung“ auf „organschaftliche Vertreter“ finde sich in den Materialien keine Erklärung (vgl 1090 der Blg 22. GP). Auch wenn aber nun eine aufrechte Ziviltechnikerbefugnis ausdrücklich nur bei organschaftlicher Vertretung verlangt werde, also bei gemischter Gesamtvertretung (organschaftliche Vertretung durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen), stehe ein solches Auslegungsergebnis zum Normzweck in Widerspruch. § 28 ZTG diene der Erhaltung der Unabhängigkeit des Ziviltechniker-Berufs von störenden Einflüssen „fachlich Inkompetenter“ und dem Normzweck werde nur dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass ein Prokurist einer ZT-Gesellschaft eine aufrechte Berufsbefugnis haben müsse.

Entscheidung

Kein Umkehrschluss aus Fehlen einer Regelung im ZTG

Als Argumente gegen diese Auffassung wurde ua vorgebracht, dass sich der Novellengesetzgeber des Jahres 2005 (ZTG-Novelle BGBl I 2005/137) mit Fragen der Prokura in Ziviltechnikergesellschaften nicht befasst habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits in einigen Berufsgesetzen entsprechende Verbote bestanden (§ 12 Abs 3 ApothekenG, § 29a Z 10 PatAnwG und § 21c Z 9a RAO); mangels ausdrücklicher Regelung der (Un-)Zulässigkeit der Prokuraerteilung ohne Berufsbefugnis des Prokuristen habe der Gesetzgeber somit im ZTG die Prokuraerteilung völlig frei und unabhängig von einer Berufsbefugnis gestatten wollen.

Diese Ansicht teilt der OGH nicht: Ein solcher Umkehrschluss könne nur gezogen werden, wenn die Lücke (Nichtregelung der Prokura im ZTG) vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen wäre, wofür hier jegliche Anhaltspunkte fehlen. Vielmehr sei aus dem Verbot der Prokura in den anderen Standesgesetzen zumindest auf eine gewisse Skepsis des Gesetzgebers gegenüber der Prokura bei den freien Berufen zu schließen.

Befugnisse im Außen- und im Innenverhältnis

Das BerufungsG hatte sich weiters darauf gestützt, dass eine Beschränkung des Umfangs der Prokura gegenüber Dritten unwirksam sei, auch wenn sie im Innenverhältnis eingeschränkt werde (hier: Einschränkung im Gesellschaftsvertrag, wonach Prokuristen für die Gesellschaft nur dann öffentliche Urkunden ausstellen dürfen, wenn sie selbst Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis auf dem Fachgebiet sind, in dessen Rahmen die Beurkundung vorgenommen wird). Die auch bei Personen ohne aufrechte Ziviltechnikerbefugnis Dritten gegenüber unbeschränkbare Prokura stehe daher diametral dem Normzweck gegenüber, den Ziviltechnikerberuf von störenden Einflüssen „fachlich Inkompetenter“ freizuhalten.

Dagegen brachte die Revisionsrekurswerberin vor, dass eine Beschränkung im Außenverhältnis ja auch bei einem Einzelprokuristen mit aufrechter Befugnis nicht möglich ist; selbst wenn daher die ZT-Gesellschaft aufgrund ihres Unternehmensgegenstands in unterschiedlichen Fachgebieten tätig sei, könnte der Umfang der Prokura im Außenverhältnis nicht auf den jeweiligen fachspezifischen Bereich der aufrechten Befugnis des Prokuristen beschränkt werden.

Diese Überlegung hält der OGH zwar – für sich genommen – für zutreffend, aber nicht ausreichend, um die Ansicht der Revisionsrekurswerberin zu tragen, dass die Prokuraerteilung in einer ZT-Gesellschaft auch ohne jegliche Berufsbefugnis des Prokuristen zulässig sein müsse. Bei nach außen hin unbeschränkbarer Vertretungsbefugnis sei ein mögliches Auseinanderfallen von rechtlichem „Können“ im Außenverhältnis (Vertretungsbefugnis) und weniger weitreichendem rechtlichem „Dürfen“ im Innenverhältnis generell unvermeidbar und keine Besonderheit der Prokura (vgl auch § 20 Abs 2 Satz 1 GmbHG).

Einen Hinweis auf die Art der Befugnis einer Ziviltechnikergesellschaft (und somit auch auf die Art der Befugnis der Prokuristen einer solchen Gesellschaft) gäben im Übrigen auch die in § 38 ZTG geschützten Berufsbezeichnungen (Ziviltechniker, Architekt, Ingenieurkonsulent, Zivilgeometer, Zivilingenieur).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21530 vom 27.04.2016