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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
MwStSyst-RL: Art 11
Abstract
Der EuGH beschäftigte sich in diesem Urteil mit der Frage, ob eine Personengesellschaft nur dann eine Organgesellschaft sein kann, wenn neben der Organträgerin nur finanziell in die Organträgerin eingegliederte Personen Gesellschafter der Personengesellschaft sind. Der EuGH lehnt das Bestehen eines solchen zusätzlichen Kriteriums zur Begründung einer Organschaft mit einer Personengesellschaft klar ab.
EuGH vom 15. April 2021, C-868/19, Finanzamt für Körperschaften Berlin
Sachverhalt
PD war eine deutsche GmbH & Co KG. PD gehörten die A-GmbH als Komplementärin und die D-GbR sowie drei weitere natürliche Personen als Kommanditisten an. Jeder Gesellschafter besaß unabhängig von der Höhe der Pflichteinlage eine Stimme, außer die D-GbR, die sechs Stimmen besaß. Für die Beschlussfassung der PD reichte grundsätzlich die einfache Mehrheit aus. Zusätzlich war PD organisatorisch und wirtschaftlich in die D-GbR eingegliedert. PD ging davon aus, dass sie auch finanziell in die D-GbR eingegliedert gewesen sei, somit die Voraussetzungen einer Organschaft erfüllt seien und reichte keine Umsatzsteuervoranmeldung ein.
Das deutsche Finanzamt war der Auffassung, dass PD nicht finanziell in die D-GbR eingegliedert war, weil lt Auffassung des deutschen Finanzamts eine Personengesellschaft nur dann eine Organgesellschaft sein kann, wenn neben dem Organträger nur finanziell in den Organträger eingegliederte Personen Gesellschafter der Personengesellschaft sind. Diese Voraussetzung lag in gegebenem Fall nicht vor, weil die weiteren Gesellschafter von PD nicht finanziell in die Organträgerin (D-GbR) eingegliedert waren.
Entscheidung des EuGH
Kern dieser Entscheidung war die Frage, ob die vom V. Senat des BFH vorgenommene und vom deutschen BMF übernommene Interpretation von Art 11 MwStSyst-RL zulässig ist, wonach eine umsatzsteuerliche Organschaft mit einer Personengesellschaft nur gebildet werden kann, wenn alle Gesellschafter der Personengesellschaft in den Organträger finanziell eingegliedert sind.
Voraussetzung zur Gründung einer Organschaft ist die enge Verbindung finanzieller Beziehungen Art 11 Abs 1 MwStSyst-RL, wobei dieser Begriff einheitlich und autonom ausgelegt werden muss. Eine einheitliche und autonome Auslegung bedeutet jedoch nicht eine restriktive Auslegung des Begriffs. Personengesellschaften dürfen, nur, weil sie keine juristischen Personen sind, nicht per se vom Anwendungsbereich des Art 11 MwStSyst-RL ausgeschlossen werden. Weiters hat der EuGH bereits abgelehnt, dass die Organschaft nur auf Einheiten anwendbar sei, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger befinden (s EuGH 16. 7. 2015, C‑108/14 und C‑109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, Rn 45 f).
Im vorliegenden Fall kann die D-GbR ihren Willen bei PD durch mehrheitlich gefasste Beschlüsse durchsetzen; das Bestehen von engen Verbindungen durch finanzielle Beziehungen kann deshalb vermutet werden. Obwohl theoretisch die Möglichkeit bestanden hätte, den Gesellschaftsvertrag von PD mündlich insoweit zu ändern, dass Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen, reicht diese Möglichkeit nicht aus um das Vorliegen der finanziellen Eingliederung abzulehnen. Die (deutsche) Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Organschaften auf Personengesellschaften ist eine zusätzliche Voraussetzung, die in Art 11 MwStSyst-RL nicht vorgesehen ist und die Mitgliedstaaten nicht aufgrund von Besonderheiten des nationalen Rechts einführen dürfen.
Auch die Prüfung, ob die Voraussetzung eine erforderliche Maßnahme zur Vorbeugung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen ist, lehnte der EuGH ab: Beweisschwierigkeiten oder die rein theoretische Gefahr der Steuerhinterziehung oder ‑umgehung reichen als Rechtfertigung nicht aus. Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geht die vorliegende nationale Regelung über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Insbesondere, weil zur Erreichung des Ziels auch gelindere Mittel in Form eines Urkundenbeweises oder eine Bewilligung der Organschaft durch die Finanzverwaltung herangezogen werden könnten.
Der EuGH entschied, dass im Licht der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität die Beschränkung auf Personengesellschaften, an denen neben dem Organträger nur Personen beteiligt sind, die in dieses Unternehmen eingegliedert sind, Art 11 MwStSyStRL entgegensteht.
Conclusio
Durch die Entscheidung in der Rs Finanzamt für Körperschaften Berlin beendet der EuGH die Rechtsunsicherheit in Deutschland, die durch die divergierende BFH-Rsp von zwei BFH Senaten bestand. Auch von der österreichischen Finanzverwaltung wurde die restriktive Auslegung zur Gründung einer Organschaft durch Personengesellschaften des V. BFH Senats übernommen (UStR 2000, Rn 233). Die ausdrückliche Ablehnung des EuGH zum Bestehen des zusätzlichen Kriteriums bei Personengesellschaften als Organträger erfordert wohl eine Abänderung der Rn 233 der UStR 2000.