Wirtschaftsrecht

Der an Politiker anzulegende Sorgfaltsmaßstab

o. Univ.-Prof.i.R. Dr. DDr. h.c. Helmut Koziol Wien / Graz

Nach § 1299 ABGB zählen Politiker zu den Sachverständigen, deren Verschulden objektiv zu bemessen ist: Sie haben den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zu vertreten. Die entscheidende Frage geht dahin, welcher Fleiß und welche Kenntnisse von Politikern zu erwarten sind. Die Antwort muss unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufgaben und mehrerer Faktoren differenzierend ausfallen.

1. Einleitung

Schadenersatzansprüche gegen "Politiker",2 die für den Bund, die Bezirke, die Länder, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung, also für die sogenannten Rechtsträger, in Vollziehung der Gesetze tätig waren, werden kaum je geltend gemacht - sehr zum Missvergnügen so mancher durch eine der weltweit höchsten Abgabenquoten gepeinigten Steuerzahler, die der sanktionslosen Verursachung von Schäden und der Vergeudung von Steuergeldern hilflos zusehen müssen.

Es erscheint lohnend, den Gründen für diesen vielfach als unbefriedigend empfundenen Zustand nachzugehen, da nur deren Kenntnis den theoretischen Weg für eine Verbesserung der Situation aufzuzeigen oder ein resignierendes Sich-Abfinden mit dem nicht nur praktisch Unabänderlichen nahezulegen vermag.

Die Gründe für die mangelnde Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Politiker hängen zunächst davon ab, wer die Geschädigten sind, und können verhältnismäßig leicht aufgedeckt werden: Geschädigten Bürgern oder Unternehmen stehen gegen jene Personen, die für den Rechtsträger in Vollziehung der Gesetze tätig werden, die sogenannten Organe,3 gemäß dem letzten Teil von § 1 Abs 1 Satz 1 Amtshaftungsgesetz (AHG) keine Schadenersatzansprüche zu; es haftet ihnen nur der Rechtsträger. Dieser kann allerdings Rückgriff gegen die Organe nehmen (§ 3 AHG) und sie auch sonst für ihm von ihnen durch hoheitliche Tätigkeit verursachte Schäden nach § 1 Abs 1 Organhaftpflichtgesetz (OrgHG) in Anspruch nehmen. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Organe - was kaum kritisiert wird - Haftungsbegünstigungen genießen, die jenen der Dienstnehmer nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) entsprechen (§ 3 AHG, § 3 OrgHG). Diese Einschränkungen der Haftung sind jedoch wohl nicht der einzige Grund, warum die Haftung der Politiker von den Rechtsträgern so selten in Anspruch genommen wird.

Weitere Gründe für die geringe haftungsrechtliche Inanspruchnahme von Politikern liegen darin, dass nach dem AHG eine Haftung des Staates für ein Fehlverhalten des Gesetzgebers nicht vorgesehen ist und daher insofern auch Rückgriffsansprüche der Rechtsträger gegen die Mitglieder der gesetzgebenden Institutionen ausscheiden und überdies das Haftungsprivileg für den Gesetzgeber vielfach weit verstanden wird und auf die Vorbereitung der Gesetzesbeschlüsse ausgedehnt wird.4 Aufgrund der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entwickelten Staatshaftung für Fehlverhalten des Gesetzgebers gibt es allerdings auch in Österreich eine Haftung für gesetzgeberische Akte, doch führt diese wegen der Immunitätsregelung (Art 57 Abs 1 B-VG) zu keinen Rückgriffsansprüchen gegen die Mitglieder der gesetzgebenden Organe.

Ferner ist zu bedenken, dass Geschädigte den durch rechtswidrige Vollzugsakte drohenden Schaden vielfach durch Rechtsmittel oder Beschwerde an den VwGH abwenden können oder dann, wenn sie dieser Obliegenheit nicht nachkommen, den Ersatzanspruch gegen den Rechtsträger verlieren.5 In beiden Fällen scheiden Rückgriffsansprüche des Rechtsträgers gegen das Organ aus, da der Rechtsträger keinen Schaden erlitten hat.

Eine Rolle spielt wohl auch eine gewisse Zurückhaltung der Entscheidungsträger von Rechtsträgern bei der Inanspruchnahme anderer leitender Personen. Aber auch haftungsrechtliche Probleme können schließlich dazu führen, dass Ersatzan-


Der an Politiker anzulegende Sorgfaltsmaßstab - Anfang Seite 592

sprüche gegen Politiker nicht geltend gemacht werden, obwohl die Haftung zumindest auf den ersten Blick als eine Selbstverständlichkeit erscheinen könnte.

Dieser flüchtige Überblick zeigt schon, dass es einige überlegenswerte Ansatzpunkte für eine Erweiterung der Politikerhaftung gäbe, vor allem durch eine Anerkennung der Haftung der Rechtsträger für gesetzgeberische Akte, die gegen übergeordnete Normen verstoßen. Im Folgenden wird jedoch lediglich für den Bereich, in dem eine Haftung für fehlerhaftes Vershalten schon nach geltendem Recht in Betracht kommt, eine grundsätzlichere Zurechnungsfrage, nämlich jene des anzulegenden Maßstabes bei der Beurteilung des Fehlverhaltens von Politikern, etwas näher behandelt. Die rechtspolitische und damit ganz anders geartete Frage, ob der Anwendungsbereich der Regeln über die Haftung des Staates, insb für sorglose gesetzgeberische Akte, und damit allenfalls auch die Rückgriffsansprüche ausgedehnt werden sollten, steht hier nicht zur Diskussion.

2. Die allgemeinen Grundsätze für die Beurteilung des Verschuldens

2.1. Voraussetzungen eines schuldhaften Verhalten

Schuldhaft kann ein Verhalten nur dann sein, wenn es rechtswidrig, also objektiv sorgfaltswidrig ist.6 Das ergibt sich schon daraus, dass unter Verschulden ein dem konkreten Täter vorwerfbares Verhalten verstanden wird und ein Vorwurf nur dann in Betracht kommt, wenn das Verhalten von der Rechtsordnung missbilligt wird. Damit einem konkreten Täter ein Verhalten auch subjektiv vorgeworfen werden kann, ist es erforderlich, dass dieser die erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzt, die von Alter und Geisteszustand abhängt. Insofern spielen für das Verschulden ganz allgemein jedenfalls subjektive Momente eine entscheidende Rolle, die allerdings für die hier zu erörternde Frage der Haftung von Politikern von keiner praktischen Relevanz sind. Problematisch und praktisch bedeutsamer ist jedoch, ob auch weitere subjektive Eigenschaften, wie Kenntnisse oder geistige und körperliche Fähigkeiten, bei der Feststellung des Verschuldens zu beachten sind, oder ob eine - gewisse - Objektivierung stattzufinden hat. Diese Problematik stellt sich allerdings nur bei der Fahrlässigkeit, nicht beim Vorsatz, bei dem es auf das tatsächliche Vorhersehen des schädigenden Erfolges und das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit ankommt.7

2.2. Der subjektive Maßstab

Fahrlässigkeit (§ 1294 ABGB) bedeutet die Außerachtlassung der gehörigen Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes und damit den Vorwurf eines Willensmangels.8 Dem konkreten Täter gegenüber kann ein solcher Vorwurf nur dann erhoben werden, wenn er bei gehöriger Willensanspannung erkannt hätte, dass er gefährlich und rechtswidrig handelt, und ihm ein anderes Verhalten möglich gewesen wäre. Verschulden bedeutet daher nach herrschender österreichischer Auffassung einen subjektiven Vorwurf des Willensmangels. Anzulegen ist somit kein objektiver Beurteilungsmaßstab, es ist vielmehr zu prüfen, ob der konkrete Täter aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten den Schadenseintritt und die Rechtswidrigkeit erkennen und dementsprechend handeln hätte können.9

Bezüglich des Grades der Aufmerksamkeit und des Fleißes kommt es allerdings nach dem Gesetz jedenfalls zu einer Objektivierung des Bewertungsmaßstabes:10 § 1294 ABGB sieht vor, dass der gehörige Fleiß und die gehörige Aufmerksamkeit aufzuwenden sind. Ebenso sagt § 1297 ABGB, dass jeder sich eines Versehens schuldig macht, der jenen Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit nicht aufwendet, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann.

2.3. Die Ausnahmen

Vom Grundsatz der subjektiven Bemessung des Verschuldens werden jedoch auch im österreichischen Recht Ausnahmen anerkannt, und zwar für Sachverständige sowie für den Bereich der Vertragshaftung und - was hier jedoch nicht weiter von Interesse ist - im Zusammenhang mit einer erhöhten Gefahr.11

Der bedeutsamste Bereich der Objektivierung ist jener der "Sachverständigenhaftung": Nach § 1299 ABGB ist bei der Beurteilung des Verschuldens von Sachverständigen ein objektiver Maßstab anzulegen;12 er muss den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen, nicht gewöhnlichen, Kenntnisse vertreten. Jeder, der eine besondere Tätigkeit ausübt, hat daher dafür einzustehen, dass er die nötigen Fähigkeiten hat. Die Vernachlässigung der individuellen Fähigkeiten ist bei Sachverständigen aus folgenden Erwägungen gerechtfertigt: Derjenige, der trotz seiner geringen Fähigkeiten eine Tätigkeit ausübt, die besondere Kenntnisse und Verstandeskräfte erfordert, schafft da-


Der an Politiker anzulegende Sorgfaltsmaßstab - Anfang Seite 593

durch eine besondere Gefahrenquelle, und zwar nicht nur für allfällige Vertragspartner, sondern auch für beliebige Dritte. Diese überforderten "Sachverständigen" könnten jedoch die Gefahrenerhöhung vermeiden, indem sie die anspruchsvolle Tätigkeit, der sie nicht gewachsen sind, unterlassen. Sie ziehen ferner in aller Regel aus der Ausübung der Sachverständigentätigkeit auch einen wirtschaftlichen Nutzen. Schaffung einer besonderen Gefahrenquelle, Beherrschbarkeit der Gefahr und wirtschaftliches Interesse an der Gefahrenquelle sprechen eindeutig für eine Haftungsverschärfung. Hier kann und soll die Anordnung der objektivierten und damit strengeren Haftung auch präventive Zwecke erfüllen: Durch die Androhung der Haftung bei Übernahme von Tätigkeiten, für die nicht die objektiv erforderlichen besonderen Fähigkeiten vorhanden sind, wird ein wirksamer Anreiz geschaffen, derartige Tätigkeiten nicht zu übernehmen oder wieder einzustellen.

Für die Vertragshaftung erscheint die Objektivierung der Verantwortung deshalb gerechtfertigt, weil die besonderen Vertragspflichten freiwillig übernommen werden, jeder Vertragsteil dem anderen durch den Vertragsabschluss erst die Möglichkeit einer derartigen Schädigung eröffnet und hierbei typischerweise das Vertrauen eine Rolle spielt, dass es zu einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Vertragsverhältnisses kommen werde. Hier ist die Annahme, dass sich jeder Vertragsteil auf das Vorhandensein der gewöhnlichen Fähigkeiten aufseiten des Partners verlassen darf, durchaus gerechtfertigt: Einerseits hängt für jeden Gläubiger der Wert seiner Forderung auch von den Sekundäransprüchen ab, die durch vom Schuldner verursachte Leistungsstörungen ausgelöst werden. Würde nämlich der Schuldner für die Folgen der Unterlassung oder der Mangelhaftigkeit der Leistung schon allein deshalb nicht verantwortlich, weil er nicht die entsprechenden Fähigkeiten besitzt, so wäre die den Schuldner treffende Verbindlichkeit letztlich von seinen dem Partner und Dritten meist nicht erkennbaren Fähigkeiten abhängig. Anderseits spielt bei den rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten auch ein abgeschwächter Garantiegedanke13 eine Rolle: Wenn der Schuldner zusagt, eine bestimmte Leistung zu erbringen,14 so darf dies vom Partner als Zusicherung dafür verstanden werden, dass der Schuldner zu der bei der Erfüllung erforderlichen Sorgfalt in der Lage ist und daher die übliche Leistungsfähigkeit besitzt. Dieser Gedanke hat durch Art 79 des UN-Kaufrechts Eingang in das positive Recht gefunden.15

3. Der an Politiker, die als Organe der Rechtsträger tätig werden, anzulegende Maßstab

3.1. Anwendbarkeit der Grundsätze der Sachverständigenhaftung (§ 1299 ABGB)?

Dass § 1299 ABGB auch auf Politiker, die als Organe eines Rechtsträgers tätig werden, anwendbar sein kann, unterliegt aufgrund des sehr weit verstandenen Sachverständigenbegriffs16 keinem Zweifel.17 Der erste Satz dieser Bestimmung lautet: "Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennt; oder wer ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muss daher den Mangel derselben vertreten." Die von Politikern zu übernehmenden "Ämter" sind zwar höchst verschiedenartig, erfordern aber doch - objektiv gesehen - so gut wie stets besondere Kenntnisse und Fähigkeiten sowie einen nicht gewöhnlichen Fleiß.

Von einem gem § 15 Abs 3 NRWO aufgrund eines Vorschlags einer Partei berufenen Beisitzer wird zwar wohl - abgesehen von den allgemein vorauszusetzenden Fähigkeiten des Lesens und Zählens - lediglich die durchaus zumutbare besondere Kenntnis der Wahlordnung verlangt werden müssen. Schon deshalb und wegen der erforderlichen besonderen Gewissenhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit sind sie als Sachverständige im Sinne des ABGB anzusehen. Die ansteigenden Anforderungen an Gemeinderäte, Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, Landeshauptleute, Mitglieder der Landesregierung, Mitglieder des Nationalrats, Bundesminister und an den Bundespräsidenten sind hingegen sicherlich höher. Es ist daher ohne Zweifel davon auszugehen, dass sie alle als Sachverständige iSd § 1299 ABGB anzusehen sind. Sie interessieren hier allerdings nur insoweit, als nicht die berufliche Immunität, insb der Mitglieder des Nationalrats, des Bundesrats und der Landtage (Art 57, 58, 96 B-VG), schon grundsätzlich einer zivilrechtlichen Haftung entgegensteht.

Eine Entscheidung des OGH aus dem Jahre 190818 - jüngere einschlägige Entscheidungen sind nicht zu finden - geht allerdings einen etwas anderen Weg und meint, dass ein Gemeindevorsteher, der zur Annahme seiner Wahl verpflichtet ist, nicht nach § 1299 ABGB haftet. Begründet wurde dies vor allem damit, dass jemand, der gezwungenermaßen das Amt übernimmt, sich nicht zu diesem Amt öffentlich bekennt und es auch nicht freiwillig übernimmt.

Diese Argumentation trägt jedoch nicht, wenn keinem Einzelnen eine Pflicht zur Übernahme auferlegt ist, vielmehr jeder


Der an Politiker anzulegende Sorgfaltsmaßstab - Anfang Seite 594

Angehörige einer bestimmten Personengruppe in Betracht kommt: Auf jeden von diesen trifft die Voraussetzung des § 1299 ABGB zu, dass er sich freiwillig um ein Amt bewirbt, das doch gewisse Fähigkeiten voraussetzt.

3.2. Der notwendige Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse

Die eigentlichen Schwierigkeiten ergeben sich bei der Beantwortung der Frage, welche objektiv zu bemessenden Fähigkeiten und Kenntnisse für die einzelnen "Ämter" zu fordern sind.

Die besondere Problematik kann durch einen Blick auf die Bürgermeister und Gemeinderäte (Art 117 B-VG) gut veranschaulicht werden: Sie müssen im Rahmen der den Gemeinden zugebilligten Selbstverwaltung mit einer breit gestreuten Vielfalt von Problemen zurande kommen, die mit der Größe der Gemeinde noch weiter wächst. Der weite Wirkungsbereich der Gemeinden wird durch Art 116 und 118 B-VG umschrieben:

Gem Art 116 Abs 2 ist die Gemeinde ein selbstständiger Wirtschaftskörper und "hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben".

Art 118 hält zunächst in Abs 1 fest, dass der Wirkungsbereich der Gemeinde ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener ist. Danach wird ausgeführt:

"(2) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art. 116 Abs. 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.

(3) Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet:

1.Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;
2.Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
3.örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei;
4.Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
5.Flurschutzpolizei;
6.örtliche Marktpolizei;
7.örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
8.Sittlichkeitspolizei;
9.örtliche Baupolizei; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;
10.öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
11.freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.

(4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches besteht ein zweistufiger Instanzenzug; dieser kann gesetzlich ausgeschlossen werden. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches kommt dem Bund und dem Land ein Aufsichtsrecht über die Gemeinde (Art. 119a) zu.

(5) Der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde sind für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich.

(6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände zu erlassen, sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen."

Die Aufgaben sind somit überaus vielfältig und deren Erfüllung erfordert ua nicht unbeträchtliche Rechtskenntnisse, etwa des Baurechts, Verständnis für sicherheitspolizeiliche Erfordernisse oder für - gerade in letzter Zeit in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückte - finanzielle Fragen, etwa der Veranlagung von Geldern oder der Aufnahme von Krediten. Es geht aber ganz offenkundig nicht an, deshalb vertiefte Kenntnisse und Fähigkeiten aus allen der Gemeinde obliegenden Aufgabengebieten vorauszusetzen. Dagegen spricht schon, dass das B-VG dem demokratischen Grundgedanken entsprechend den Zugang zu diesen Ämtern weit offenhält und nur Minimalvoraussetzungen aufstellt: Art 117 Abs 2 B-VG bestimmt, dass die Wahlordnung die Bedingungen des Wahlrechtes und damit auch der Wählbarkeit nicht enger ziehen darf als die Landtagswahlordnung; es kann lediglich bestimmt werden, dass Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht wahlberechtigt und wählbar sind, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist. Art 95 Abs 2 B-VG sieht seinerseits wiederum vor, dass die Landtagswahlordnungen die Bedingungen des Wahlrechtes und der Wählbarkeit nicht enger ziehen dürfen als die Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat. Nach Art 26 Abs 4 B-VG schließlich sind wählbar die zum Nationalrat Wahlberechtigten, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wahlberechtigt sind nach Abs 1 alle Männer und Frauen des Bundesvolkes, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben. Ein Ausschluss vom Wahlrecht oder von der Wählbarkeit kann nur durch Bundesgesetz als


Der an Politiker anzulegende Sorgfaltsmaßstab - Anfang Seite 595

Folge rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilung vorgesehen werden (Abs 5). Es wird somit für die Wählbarkeit lediglich auf das Alter, die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung sowie bei den Gemeinden den bloß vorübergehenden Aufenthalt abgestellt, nicht hingegen auf irgendwelche besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse, Ausbildungen oder sonstige Eigenschaften.

Diese den demokratischen Prinzipien entsprechende verfassungsrechtliche Grundregel, dass derartige Ämter grundsätzlich von jedermann und nicht nur von besonders ausgebildeten Fachleuten übernommen werden können, ist selbstverständlich auch bei der Ausgestaltung der schadenersatzrechtlichen Zurechnungsregeln zu berücksichtigen: Scharfe Haftungsregeln, die zu hohe Anforderungen an die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse stellen, könnten die verfassungsrechtliche Grundregel praktisch aushebeln. Derartige Anforderungen würden nämlich dazu führen, dass insb in kleineren Gemeinden nur eine überaus begrenzte Zahl von Personen, die für das Amt des Bürgermeisters oder als Mitglied des Gemeinderates in Betracht kommen, vorhanden sind und vielfach überhaupt keine diesen Anforderungen auch nur auf einem Teilgebiet entsprechende Kandidaten zu finden wären. Alle anderen Mitglieder der Gemeinde wären einem unzumutbaren Haftungsrisiko ausgesetzt, sodass sie faktisch abgehalten würden, derartige Ämter zu übernehmen. Aber auch in größeren Städten gäbe es kaum je Personen, die als Fachleute in allen Zuständigkeitsbereichen angesehen werden könnten.19 Die Aufstellung zu weit reichender Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten müsste daher zur Undurchführbarkeit der Selbstverwaltung der Gemeinden führen und damit in Widerspruch zu diesem Grundanliegen geraten.

Dem Gesetzgeber kann nun sicherlich nicht unterstellt werden, dass er einerseits in den Gemeinden eine Selbstverwaltung vorsieht, andererseits diese jedoch durch die aufgestellten Anforderungen undurchführbar macht oder zumindest alle Personen, die sich für die Durchführung der Selbstverwaltung bereitstellen, einem unvermeidlichen, hohen und damit unzumutbaren Haftungsrisiko aussetzt und damit von der Übernahme des Amtes abhält. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber dann, wenn er im Rahmen der Selbstverwaltung die Übernahme von Geschäften durch Personen vorsieht, die typischerweise nicht besondere Sachkenntnisse besitzen, er bei den Mitgliedern der beigezogenen Personengruppe nur jene Fähigkeiten voraussetzt, die die Angehörigen dieser konkreten Gruppe - die je nach Art und Größe der Gemeinde unterschiedlich vielfältig sein kann20 - üblicherweise besitzen.21 Es ist davon auszugehen, dass schon die objektiven Sorgfaltspflichten unter Berücksichtigung dieser zu erwartenden durchschnittlichen Fähigkeiten und nicht unter Zugrundelegung unrealistischer Idealvorstellungen festzusetzen sind.

Die Objektivierung des Verschuldens wegen der Sachverständigeneigenschaft der Organe wirkt sich aber immerhin noch dahin aus, dass ein Organ sich nicht zur Entlastung auf seine unterdurchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnisse berufen kann: Entscheidend ist, dass dann, wenn alle in Betracht kommenden Personen gleichermaßen die umfassenden Sachkenntnisse nicht besitzen und einer von ihnen dennoch das Amt übernehmen muss, um die vorgesehene Selbstverwaltung umzusetzen, eine Haftung gem § 1299 ABGB nur dann anzunehmen ist, wenn er nicht einmal die bei dieser konkreten Personengruppe, aus deren Mitte einer das Amt übernehmen muss, typischerweise vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt.22 Er hat demnach nicht etwa für die besonderen Sachkenntnisse eines idealen Muster-Bürgermeisters, sondern lediglich für die konkreten gruppenspezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse einzustehen.23 Es geht in diesem Bereich eben nicht vorrangig darum, ausgewiesene Fachleute zu berufen, sondern jemanden aus dem Personenkreis heranzuziehen, dem die Selbstverwaltung zugebilligt wurde, etwa den Gemeindemitgliedern.

Zusätzlich werden jedoch bei Bürgermeistern und Gemeinderäten wohl die für das zu übernehmende Amt erforderlichen besonderen Fähigkeiten vorauszusetzen sein, sich in die den Kompetenzen entsprechenden Sachfragen einzuarbeiten sowie die nötigen Kenntnisse zu erwerben und vor allem zu erkennen, wann sie fachmännischen Rat einholen müssen,24 was insb dann der Fall sein wird, wenn es um die Entscheidung von Rechtsfragen oder die Durchführung von riskanten, komplizierten Finanzgeschäften geht. In einer größeren Stadt wird es insofern einfacher sein, als schon innerhalb der Gemeindeorganisation weitgehende Sachkompetenz vorhanden sein wird und für die einzelnen Fachbereiche Stadträte und Fachleute in leitender Funktion zuständig sind.

Für Bürgermeister und Gemeinderäte ist daher maßgebender als spezifische Sachkompetenz - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - die allgemeine Organisations- und Leitungskompetenz sowie die für die Ausübung eines derartigen Amtes erforderliche besondere Fähigkeit, die Notwendigkeit der Beiziehung von Fachleuten zu erkennen, und die Bereitschaft, Rat einzuholen und zu befolgen.

Erheblich mehr Bedeutung muss hingegen der fachlichen neben einer politischen Kompetenz beigemessen werden, wenn es etwa um die Ausübung des Amtes eines Bundesministers geht.


Der an Politiker anzulegende Sorgfaltsmaßstab - Anfang Seite 596

Art 70 Abs 2 B-VG erwähnt zwar lediglich die Voraussetzung der Wählbarkeit zum Nationalrat, doch ist damit nur ein verfassungsrechtliches unabdingbares Minimalerfordernis festgelegt.25 Damit steht der Bestellung einer beliebigen Person zwar kein verfassungsrechtliches Hindernis entgegen, doch wird dadurch ihre haftungsrechtliche Verantwortlichkeit für das Fehlen der erforderlichen Fähigkeiten nicht beseitigt: Es ist zu bedenken, dass es sich hier einerseits nicht um die Bestellung des Vertreters eines vielfach relativ kleinen Personenkreises handelt, anderseits auch nicht um die Abdeckung eines nahezu uferlosen Sachbereiches geht, sondern um die Leitung eines fachlich eingegrenzten Bereiches, für den auch jedenfalls fachlich kompetente Personen zur Verfügung stehen. Bei den Bundesministern soll es ferner - den selbstverständlichen Zielen entsprechend - um Personen gehen, die fachlich in der Lage sind, nicht nur den vorhandenen Zustand fortzuführen, sondern den Änderungsbedarf zu erkennen und Reformvorschläge zu beurteilen, aber darüber hinaus auch eigene Ideen über die künftige Entwicklung einzubringen und nicht nur das Sprachrohr von Fachleuten zu sein, deren Vorschläge er nicht einzuschätzen vermag. Neben der bei Politikern allgemein vorauszusetzenden Organisations- und Leitungskompetenz, der Fähigkeit, die Notwendigkeit der Beiziehung von Fachleuten zu erkennen, sowie der Bereitschaft, Rat einzuholen und zu befolgen, ist bei Ministern in wesentlich höherem Maße auch eine fachliche Kompetenz oder zumindest die Fähigkeit, sich in kurzer Zeit die notwendigen Sachkenntnisse anzueignen, vorauszusetzen; Letzteres reicht aber nur dann, wenn die aktuelle Lage nicht sofortige wichtige Entscheidungen erfordert. Es ist daher bei Festlegung der objektiven Sorgfaltspflichten sowohl von einer erhöhten politischen als auch fachlichen Kompetenz auszugehen.26 Die Objektivierung des Verschuldensmaßstabes, die wegen der Sachverständigeneigenschaft der Bundesminister anzunehmen ist, führt wiederum dazu, dass sich ein Bundesminister nicht auf seine für einen Minister unterdurchschnittlichen Fähigkeiten berufen kann.

Hat sich etwa jemand Zeit seines Lebens als Politiker lediglich mit Familien- oder Außenpolitik beschäftigt, so stellt sich die Frage, ob er die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, um sich als Finanzminister in der für ihn relevanten, höchst vielschichtigen und komplizierten Materie selbst bei ausreichender Beratung durch die fachkundigen Beamten mit der besonders in Krisenzeiten erforderlichen Raschheit eine eigene, halbwegs fundierte Meinung bilden zu können und neue Ideen einzubringen. Es ist auch eher anzunehmen, dass ein Politiker, der nicht Jurist ist, kaum die erforderlichen Kenntnisse für die Führung des Amts des Justizministers besitzen, oder jemand, der nie eine Universität besucht hat, das Wissenschaftsministerium fachkundig leiten können wird. Es kann wohl auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass jemand, der die für einen Gesundheits- oder Familienminister erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, dafür geeignet ist, stattdessen ohne Weiteres das Verkehrsministerium zu übernehmen. Derartige Neuernannte werden zumindest häufig während einer Einarbeitungsphase noch nicht die Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen, für die sie einzustehen haben, sodass sie sich auch noch der Ausübung von Tätigkeiten enthalten sollten, für die diese erforderlich sind; dies wird gerade in schwierigen Zeiten aber nicht selten kaum möglich sein.

Hervorzuheben ist, dass es auch keineswegs der Bundesverfassung widerspricht, wenn bei den Ministern zum Wohl des Landes besondere politische und fachliche Fähigkeiten vorausgesetzt werden, die nicht jedem zum Nationalrat Wählbaren eigen sind. Das zeigt sich schon darin, dass einerseits der Bundespräsident Bedenken gegen die Nominierung eines Bundesministers erheben darf,27 andererseits der Nationalrat einem Minister das Misstrauen aussprechen kann (Art 74 Abs 1 und 2 B-VG). Daher sollte es auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken stoßen, wenn ein Bundesminister für rechtswidrige Handlungen einzustehen hat, die auf seine mangelnden Fähigkeiten und Kenntnisse zurückzuführen sind.

Bei der Festlegung der objektiven Sorgfaltspflichten und der objektiv zu erwartenden durchschnittlichen Fähigkeiten eines Politikers ist daher darauf Rücksicht zu nehmen, ob es bei dem von ihm zu übernehmenden Amt primär um die Vertretung eines bestimmten Personenkreises geht, sodass nur die für diesen typischen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die erforderliche Leitungskompetenz vorauszusetzen ist, oder ob ein auch fachlich ausgerichtetes Amt auszuüben ist, in dem die Fachkompetenz und damit die Fähigkeit zu eigenständigen Initiativen neben der politischen Kompetenz eine ausschlaggebende Rolle spielt und nicht lediglich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe maßgebend ist.

3.3. Anwendbarkeit der Grundsätze der Vertragshaftung?

Da zwischen Organen und Rechtsträgern Verträge oder vertragsähnliche - insb öffentlich-rechtliche - Sonderrechtsbeziehungen bestehen, die auf Erbringung einer Leistung gegen Entgelt oder Aufwandsentschädigung gerichtet sind, kommen die allgemeinen Grundsätze über die Objektivierung des Verschuldensmaßstabes auch hier grundsätzlich zur Anwendung. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dann, wenn das Organ aus den Mitgliedern einer bestimmten Gruppe auszuwählen ist, stets davon auszugehen ist, dass er lediglich für jene Fähigkeiten und Kenntnisse einzustehen bereit ist, die von Mitgliedern dieser Gruppe typischerweise erwartet werden dürfen, und andererseits auch kein berechtigtes Vertrauen auf höhere Fähigkeiten und Kenntnisse bestehen kann. Der Vertrauensgedanke trägt daher auch hier lediglich eine Objektivierung der Verschuldensmaßstabes, die auf die durchschnittlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Personengruppe abstellt, die er zu vertreten hat. Das kann insb bei Gemeinderäten oder Bürgermeistern kleiner Gemeinden relevant sein.


Der an Politiker anzulegende Sorgfaltsmaßstab - Anfang Seite 597

Bei den Bundesministern sind hingegen auch von diesem Ansatz her doch besondere fachliche und politische Fähigkeiten vorauszusetzen. Insofern kann auf die Ausführungen zur Sachverständigenhaftung verwiesen werden.

3.4. Die Mitverantwortung des Rechtsträger (§ 1299 letzter Satz ABGB)

§ 1299 Satz 2 ABGB lautet: "Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder, bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können; so fällt zugleich dem Letzteren ein Versehen zur Last." Diese Bestimmung kann erhebliche Bedeutung erlangen, wenn der Rechtsträger von seinem Organ geschädigt wurde oder er wegen des Fehlverhaltens des Organs Dritten ersatzpflichtig wurde und gegen das ihm haftbare Organ Rückgriff nehmen will.

Bei Dienstverhältnissen und verwandten Rechtsbeziehungen ist der Einwand, dem geschädigten Dienstgeber sei die mangelnde Eignung des Dienstnehmers ohnehin erkennbar oder sogar bekannt gewesen, praktisch besonders bedeutsam, da bei solchen Rechtsbeziehungen - anders als bei Kaufverträgen oder Werkverträgen - der Auswahl des Partners regelmäßig eine intensivere Prüfung der Fähigkeiten der Person des Dienstnehmers vorangeht. Die "Unerfahrenheit" wird daher dem Dienstgeber in hohem Maße bewusst oder zumindest erkennbar gewesen sein.

Einem Rechtsträger wird allerdings dann keine Mitverantwortung anzulasten sein, wenn er die Auswahl des Organs nicht beeinflussen konnten, was insb dann der Fall ist, wenn das Organ das Amt aufgrund allgemeiner Wahlen erlangte.

4. Zusammenfassung

Politiker sind als Sachverständige iSd § 1299 ABGB anzusehen, sodass ihr Verschulden anhand eines objektiven Maßstabes zu messen ist. Als Partner in einer vertraglichen oder vertragsähnlichen rechtlichen Beziehung mit dem Rechtsträger, unterliegen sie ebenfalls einer objektivierten Verschuldensbeurteilung. Es ist allerdings schon bei der Festlegung der objektiven Sorgfaltspflichten und der zu erwartenden durchschnittlichen Fähigkeiten eines Organs darauf Rücksicht zu nehmen, ob es bei dem von ihm zu übernehmenden Amt primär um die Vertretung eines bestimmten Personenkreises geht, sodass nur die für diesen typischen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die erforderliche Leitungskompetenz vorauszusetzen ist; zu berücksichtigen ist, dass der Antritt eines derartigen Amtes grundsätzlich jedem Mitglied dieser Personengruppe offenstehen soll. Geht es jedoch um ein Amt, das nicht von einem Mitglied einer bestimmten Personengruppe zu übernehmen ist und bei dem auch eine gewisse Fachkompetenz eine Rolle spielt, so sind neben der politischen Kompetenz auch besondere fachliche Fähigkeiten oder zumindest die Fähigkeit, sich in das Fachgebiet im erforderlichen Umfang einzuarbeiten, und die Bereitschaft zur Beratung vorauszusetzen. Die Objektivierung des Verschuldens führt dazu, dass das Organ sich nicht damit entschuldigen kann, dass es lediglich geringere Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt, als von einem Organ in seiner Position zu erwarten wäre.

1

Herrn Univ.-Prof. Dr. Karl Stöger, MJur (Oxford), Graz, danke ich für wertvolle Anregungen und interessante kritische Diskussionen.


2

Darunter werden die durch Wahlen Bestellten und die sonstigen demokratisch legitimierten Spitzenfunktionäre verstanden; eine genauere Abgrenzung ist hier nicht beabsichtigt.


3

Organe iSd § 1 Abs 2 des AHG und des OrgHG sind alle Personen, die "in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Hoheitsverwaltung) handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe sind und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder nach privatem Recht zu beurteilen ist". Der Begriff ist hier somit weiter als sonst bei juristischen Personen, bei denen nur die leitenden Personen (die Machthaber) darunter fallen, siehe B. A. Koch in KBB4 § 26 Rz 16.


4

Siehe dazu die berechtigte Kritik von David Messner, Amtshaftung für Regierungsvorlagen zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (wird demnächst veröffentlicht).


5

So die herrschende Auffassung, die eine Schadensteilung ablehnt, siehe Schragel, Amtshaftungsgesetz3 (2003) § 2 Rz 181.


6

Dazu ausführlicher Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 (1997) Rz 4/13 ff.


7

Siehe Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 5/25 ff.


8

Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts (1941) 43 ff; Koziol, Objektivierung des Fahrlässigkeitsmaßstabes im Schadenersatzrecht? AcP 196 (1996) 595; ders, Grundfragen des Schadenersatzrechts (2010) Rz 6/81 mwN.


9

Abweichend für das österreichische Recht Kramer, Das Prinzip der objektiven Zurechnung im Delikts- und Vertragsrecht, AcP 171 (1971) 422. Zur ganz überwiegend objektiven Beurteilung in anderen Rechtsordnungen siehe Koziol, Rechtsvergleichende Schlussbemerkungen, in Koziol (Hrsg), Grundfragen des Schadenersatzrechts aus rechtsvergleichender Sicht (2014) Rz 8/229 ff.


10

Mayrhofer, Schuldrecht I3 295 f; OGH 8 Ob 227/76, ZVR 1978/167. Vgl auch von Zeiller, Commentar III/2, 711. Zur entsprechenden Objektivierung im Strafrecht vgl Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht (1974) 189 f.


11

Siehe Koziol, Grundfragen Rz 6/87 ff mwN.


12

Siehe dazu Karner in KBB4 § 1299 Rz 1 f; Reischauer in Rummel, ABGB II/13 § 1299 Rz 2 und 5; OGH 6 Ob 521/81, JBl 1982, 534; 1 Ob 605/84, SZ 57/140 = JBl 1985, 625; 10 Ob 501/89, JBl 1990, 49; 9 Ob 23/07h, ÖBA 2008, 658 (Madl).


13

Siehe Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I14 (1987) § 20I; Koziol, Delikt, Verletzung von Schuldverhältnissen und Zwischenbereich, JBl 1994, 214.


14

Auf die Frage, ob und wie weit die Objektivierung des Verschuldens nicht nur bei Verletzung der Leistungspflichten, sondern auch bei Verletzung der Schutz- und Sorgfaltspflichten eingreift, kann hier nicht näher eingegangen werden. Es sind wohl die für die Umkehr der Beweislast gem § 1298 ABGB entwickelten Lösungen (siehe zu diesen die Übersicht bei Karner in KBB4 [2014] § 1298 Rz 1 und 3 mwN) auch für die Objektivierung des Verschuldens entsprechend heranzuziehen.


15

Dazu Karollus, UN-Kaufrecht (1991) 206; Rummel, Schadenersatz, Höhere Gewalt und Fortfall der Geschäftsgrundlage, in Hoyer/Posch (Hrsg), Das Einheitliche Wiener Kaufrecht (1992) 178; Schlechtriem/Stoll, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht2 (1995) Art 79 Rz 6.


16

Zu diesem Karner in KBB4 § 1299 Rz 5 ff mwN.


17

Allgemein zur Anwendbarkeit des § 1299 ABGB auf Organe der Rechtsträger OGH 8 ObA 70/03g, JBl 2004, 327; Ent, Die Organhaftpflicht (1969) 85 f; Mader in Schwimann, ABGB VII3 (2005) § 1 OrgHG Rz 11. Schauer, Verschulden als Haftungsvoraussetzung, in Holoubek/Lang (Hrsg), Organhaftung und Staatshaftung in Steuersachen (2002) 62 mwH.


18

GlUNF 4134.


19

Darauf weist auch Schragel, Amtshaftungsgesetz3 § 3 Rz 203, hin.


20

Es besteht daher kein abstrakter, genereller Sorgfaltsmaßstab für Bürgermeister schlechthin - wovon jedoch offenbar etwa das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 5. 12. 1997, 2A 11925/96, auszugehen scheint -, es muss vielmehr auch auf die konkrete Gemeinde abgestellt werden.


21

Siehe Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 (1984) 183; ders, Die Mitbestimmung Unqualifizierter nach dem UOG und ihre haftungsrechtlichen Folgen, JBl 1976, 295 f; Rebhahn, Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr (1997) 459; Schauer in Holoubek/Lang (Hrsg), Organhaftung und Staatshaftung in Steuersachen 62; Schragel, Amtshaftungsgesetz3 § 3 Rz 203.


22

Hat ein Organ außergewöhnliche Fähigkeiten, so führt dies in aller Regel zu keiner weiter gehenden Haftung, da die objektiven Sorgfaltspflichten meist auf durchschnittliche Fähigkeiten der Normunterworfenen abstellen; vgl Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 5/43 ff.


23

Rebhahn, Staatshaftung 459, und ebenso wohl Eypeltauer/Strasser, Die Haftung der Organe und der Bediensteten der Gemeinden (1987) 95, tendieren zur Anwendung eines subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabes, was mE aus den im Text angeführten Überlegungen zu weit geht.


24

Vgl Schragel, Amtshaftungsgesetz3 § 3 Rz 203.


25

Siehe Wieser in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar zum Bundesverfassungsrecht (9. Lfg; 2012) Art 70 Rz 8.


26

Vgl dazu auch Wieser in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 70 Rz 8.


27

Wieser in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 70 Rz 15.


Artikel-Nr.
RdW 2016/448

16.09.2016
Heft 9/2016
Autor/in
Helmut Koziol

Univ.-Prof. i.R. Helmut Koziol war von 1969 bis 2000 Mitglied der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und danach Direktor des Europäischen Zentrums für Schadenersatz- und Versicherungsrecht. Die Forschungsschwerpunkte lagen im Schuldrecht, insbesondere dem Schadenersatzrecht, ferner dem Bankvertragsrecht und dem Recht der Gläubigeranfechtung.

Publikationen:
Über 400 Veröffentlichungen, insb aus dem Bereich des Schadenersatzrechts, des Bankrechts, des Rechts der Gläubigeranfechtung und der Rechtsvergleichung.