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Anmerkung zu OLG Innsbruck 15 Ra 20/21k
Nach § 6 Abs 1 IO können Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner weder anhängig noch fortgesetzt werden (sog Masseprozesse).1 Hingegen können Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insb über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Schuldners, nach § 6 Abs 3 IO auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig gemacht und fortgesetzt werden (sog Schuldnerprozesse).2 Das OLG Innsbruck setzte sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Frage auseinander, ob der Prozess eines Arbeitnehmers auf Übermittlung von Lohnabrechnungen nach Konkurseröffnung gegen den Schuldner oder den Masseverwalter fortzusetzen ist.3
In der Praxis kann oft beobachtet werden, dass Arbeitnehmer nicht nur kein Arbeitsentgelt, sondern auch keine Lohnabrechnungen4 mehr erhalten, wenn ihr Arbeitgeber in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Dies liegt zumeist daran, dass dem Arbeitgeber die notwendigen finanziellen Mittel für die Bezahlung der damit beauftragten externen Personalverrechnung fehlen. Erhält der Arbeitnehmer bei Fälligkeit des Entgelts nicht die entsprechenden Abrechnungen, kann er seinen in § 2 f Abs 1 AVRAG normierten Anspruch auf Übermittlung einer schriftlichen, übersichtlichen, nachvollziehbaren und vollständigen Abrechnung von Entgelt und Aufwandsentschädigungen gegen den Arbeitgeber klagsweise durchsetzen.5 Wird über das Vermögen des Arbeitgebers ein Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, ob es sich bei einem solchen Prozess um einen Masseprozess handelt, der gegen den Masseverwalter zu führen bzw fortzusetzen ist oder um einen Schuldnerprozess, der gegen den Arbeitgeber weiterläuft.6 Wie die folgenden Ausführungen noch zeigen werden, ist dabei auch von Relevanz, ob gleichzeitig mit dem Anspruch auf Übermittlung der Lohnabrechnungen auch offene Arbeitsentgelte eingeklagt werden und ob das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch aufrecht ist.
Der Entscheidung des OLG Innsbruck lag die Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitergeber auf Übermittlung von Lohnabrechnungen und Zahlung von offenen Lohnansprüchen zugrunde. Das Arbeitsverhältnis war nach dem Klagsvorbringen bei Klagseinbringung bereits beendet. Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde in weiterer Folge ein Insolvenzverfahren eröffnet, woraufhin der gesamte Prozess unterbrochen wurde. Der Masseverwalter hat die vom Arbeitnehmer als Insolvenzforderung angemeldeten Gehaltsforderungen mit der Begründung bestritten, dass kein Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner bestanden habe. Über Antrag des Arbeitnehmers wurde der Prozess zur Gänze gegen den Masseverwalter fortgesetzt. Gegen diesen Fortsetzungsbeschluss hat der Masseverwalter insoweit einen Rekurs erhoben, als der Prozess auch hinsichtlich des Klagebegehrens auf Übermittlung von Lohnabrechnungen gegen ihn fortgesetzt wurde.
Das OLG Innsbruck gab dem Rekurs keine Folge. Begründend führte es aus, zur Beurteilung der vorliegenden Frage könne zwanglos auch auf die zur Frage der Ausstellung von Arbeitszeugnissen entwickelte Judikatur7 zurückgegriffen werden. Demnach könne die Ausstellung eines Dienstzeugnisses ausnahmsweise dann gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, wenn ein enger Sachzusammenhang mit dem Hauptbegehren besteht.8 Weiters wies das Rekursgericht darauf hin, dass nach dem durch das IRÄG 20109 neu gefassten § 25 Abs 1 IO der Insolvenzverwalter dann, wenn der Schuldner Arbeitgeber war, die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers ausübe. Hierzu werde in der Literatur zunehmend die Ansicht vertreten, der während des Insolvenzverfahrens arbeitgeberfunktionsausübende Insolvenzverwalter sei in allen Fällen des Insolvenzverfahrens - also nicht nur im Fall der Weiterbeschäftigung und bei untrennbarem Zusammenhang - zur Ausstellung des Arbeitszeugnisses legitimiert.10 Schließlich stützte sich das OLG Innsbruck auch darauf, dass die Kosten der Ersatzvornahme für die Ausstellung der Lohnabrechnung durch einen Steuerberater eine nach § 1 Abs 2 Z 2 IESG gesicherte (Schadenersatz-)Forderung seien, wenn ein Insolvenzverwalter die Lohnabrechnungen für einen Arbeitnehmer, der lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Betrieb ausgeschieden war, trotz Aufforderung nicht ausstellt.11
Aufgrund dessen vertrat das OLG Innsbruck die Ansicht, dass die Ausstellung von Lohnabrechnungen auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor Insolvenzeröffnung geendet hat, jedenfalls dann dem Insolvenzverwalter obliegt, wenn diese Lohnabrechnungen Abrechnungsperioden betreffen, für die - wie im vorliegenden Fall - noch offene Entgeltansprüche behauptet werden. Zugleich wies es darauf hin, dass aufgrund des engen Konnexes zwischen den geltend gemachten Entgeltansprüchen und dem Begehren auf Ausstellung von Lohnabrechnungen letzteres keiner vorigen Anmeldung im Insolvenzverfahren bedürfe.
Die vorliegende Entscheidung ist im Ergebnis zu begrüßen. Da sowohl das Arbeitsentgelt als auch das Begehren auf Ausstellung von Lohnabrechnungen von derselben strittigen Vorfrage abhingen, nämlich ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, wird durch die Fortsetzung des Verfahrens hinsichtlich beider Begehren die Gefahr widersprechender Entscheidungen vermieden.12 Allerdings ist die Begründung des OLG Innsbruck in einigen Punkten zu hinterfragen. Zudem bringt die Entscheidung mehrere Folgeprobleme mit sich.
Keine taugliche Begründung liefert mE die Entscheidung OGH 9 Ob 19/91.13 Dort ging es um die als Schadenersatzanspruch gem § 1 Abs 2 Z 2 IESG geltend gemachten Kosten, die der Arbeitnehmer vor Insolvenzeröffnung für den beauftragten Steuerberater aufgewendet hat, weil der spätere Schuldner keine Lohnabrechnungen ausgestellt hatte. Daraus, dass dieser bereits vor Insolvenzeröffnung entstandene Schadenersatzanspruch nach § 1 Abs 2 Z 2 IESG gesichert ist, können keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung verpflichtet gewesen wäre, die Abrechnungen auszustellen, zumal dies auf den gesicherten Anspruch keinerlei Auswirkungen gehabt hätte.
Ebenso wenig kann mE § 25 Abs 1 S 1 IO herangezogen werden. Laut den Materialien14 soll der durch das IRÄG 2010 neu eingeführte erste Satz lediglich verdeutlichen,15 dass der Insolvenzverwalter die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers ausübt, ohne dass es dadurch zu einer Änderung der Rechtslage gekommen ist. Voraussetzung dafür, dass der Insolvenzverwalter in ein Arbeitsverhältnis (und folglich in die daraus resultierenden Rechte und Pflichten) eintritt, ist aber, dass es im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch aufrecht war.16 Auch im umgekehrten Fall, wenn nämlich das Arbeitsverhältnis bei Insolvenzeröffnung noch nicht angetreten worden ist, kommt nicht § 25 IO zur Anwendung, sondern § 21 IO.17
Aufgrund der insoweit gleichen Interessenslage ist es mE zutreffend, dass sich das OLG Innsbruck auf die zur Ausstellung eines Dienstzeugnisses ergangene Entscheidung OGH 9 ObA 118/04z stützt. Anders als etwa ein Rechnungslegungsbegehren, das einen reinen Hilfsanspruch für die Durchsetzung von
Konkursforderungen darstellt,18 handelt es sich sowohl beim Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses als auch beim Anspruch auf Übermittlung von Lohnabrechnungen um selbstständig einklagbare Ansprüche,19 die beide keinen unmittelbaren Einfluss auf den Stand der (Soll-)Insolvenzmasse haben.20 Auch der OGH erachtet das Begehren auf Übermittlung von Lohnabrechnungen als selbstständigen Anspruch und nicht bloß als Hilfsanspruch.21
Das Verfahren über den Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses ist nach herrschender und vom OGH als zutreffend erachteter Auffassung ein Anspruch, der das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen nicht betrifft und der daher grundsätzlich iSd § 6 Abs 3 IO auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner fortgesetzt werden kann. 22 Wenn hingegen zwischen dem Begehren auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses und dem Begehren auf Feststellung einer Insolvenzforderung ein enger Sachzusammenhang besteht, ist ausnahmsweise eine andere Beurteilung gerechtfertigt. Wie bei der Entscheidung OGH 9 ObA 118/04z zum Dienstzeugnis lag auch bei der Entscheidung des OLG Innsbruck insofern ein derartiger enger Sachzusammenhang vor, als beide Begehren von der strittigen Vorfrage abhingen, ob ein Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner bestanden hatte. In derartigen Fällen erscheint es durchaus gerechtfertigt, dass zur Vermeidung der Gefahr von widersprechenden Entscheidungen ausnahmsweise das gesamte Verfahren unterbrochen und sodann gegen den Masseverwalter fortgesetzt wird. Daraus ergeben sich aber eine Reihe von Rechtsunsicherheiten, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
Nach § 7 Abs 1 IO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO bezeichneten Streitigkeiten, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Schuldnerprozesse werden daher durch die Konkurseröffnung nicht unterbrochen.23 Werden in einer Klage mehrere Ansprüche in objektiver Klagshäufung geltend gemacht, von denen einer die Masse betrifft, der andere den Schuldner persönlich, wird der Prozess nur hinsichtlich der massebezogenen Ansprüche unterbrochen.24 Dies gilt wiederum nicht bei besonders engem Sachzusammenhang, insb wenn die weiteren Ansprüche vorbereitende (Neben-)Ansprüche eines die Masse betreffenden Leistungsprozesses sind.25
Wird über das Vermögen des Arbeitgebers ein Insolvenzverfahren eröffnet, gegen den zu diesem Zeitpunkt ein Prozess auf Zahlung von offenem Arbeitsentgelt und Übermittlung von Lohnabrechnungen aus einem bereits beendeten Arbeitsverhältnis anhängig ist, stellt sich die Frage, ob der Prozess zur Gänze oder nur hinsichtlich des Zahlungsbegehrens unterbrochen wird. Falls zu diesem Zeitpunkt vom Arbeitgeber noch kein (Bestreitungs-)Vorbringen erstattet wurde, steht nicht fest, ob beide Begehren von derselben strittigen26 Vorfrage abhängen und damit im oben ausgeführten Sinne ein enger Sachzusammenhang besteht. Denkbar ist nämlich etwa, dass aus Sicht des Insolvenzverwalters beide Begehren27 zurecht bestehen28 oder nur das Begehren auf Übermittlung von Lohnabrechnungen zu bestreiten wäre (zB weil die begehrten Abrechnungen bereits übermittelt wurden). Somit könnte in diesen Fällen erst im Nachhinein beurteilt werden, ob aufgrund einer strittigen Vorfrage ein enger Sachzusammenhang besteht. Da die Unterbrechung eines Rechtsstreits aber durch die Konkurseröffnung, also ex lege eintritt29 und der üblicherweise vom Gericht gefasste Unterbrechungsbeschluss nur deklarative Wirkung30 hat, kann die Unterbrechung nicht von Umständen nach Insolvenzeröffnung abhängen.
Fraglich ist zudem, welche Konsequenz es haben soll, wenn der Insolvenzverwalter die Forderungsanmeldung über das Arbeitsentgelt, das im bisherigen Prozess vom Arbeitgeber gemeinsam mit dem Begehren auf Übermittlung von Lohnabrechnungen bestritten wurde, anerkennt. Auch in dieser Konstellation liegt mangels derselben strittigen Vorfrage kein enger Sachzusammenhang (mehr) vor. Denkbar wäre auch, dass die vom Insolvenzverwalter anerkannte Forderung von einem berechtigten Insolvenzgläubi-
ger nach § 105 Abs 5 IO bestritten wird.31 Der anhängige Prozess ist in diesem Fall hinsichtlich des Arbeitsentgelts nach § 113 iVm § 110 Abs 1 IO als Prüfungsprozess (nur) gegen den bestreitenden Insolvenzgläubiger aufzunehmen. Da eine Fortsetzung hinsichtlich des Begehrens auf Übermittlung von Lohnabrechnungen gegen den bestreitenden Insolvenzgläubiger keinesfalls in Frage kommt, besteht hier die Gefahr widersprechender Entscheidungen, weil die gleichen Vorfragen in verschiedenen Prozessen mit unterschiedlichen Parteien verhandelt werden. Eine solche Gefahr besteht auch dann, wenn bei Insolvenzeröffnung nur ein Verfahren auf Übermittlung von Lohnabrechnungen anhängig ist und der Insolvenzverwalter die spätere Forderungsanmeldung über das Arbeitsentgelt bestreitet, was zu einem eigenen Prüfungsprozess führt.
Auch die Wiederaufnahme des unterbrochenen Prozesses, die nach § 7 Abs 2 IO vom Insolvenzverwalter und vom Gegner (also vom Arbeitnehmer) beantragt werden kann, bereitet Probleme. Geht man mit dem OLG Innsbruck zurecht davon aus, dass der Anspruch auf Übermittlung von Lohnabrechnungen nicht der Anmeldung im Insolvenzverfahren unterliegt, muss für die diesbezügliche Wiederaufnahme des Prozesses nicht die Prüfungstagsatzung abgewartet werden. Vielmehr kann die Teilfortsetzung sogleich nach Insolvenzeröffnung beantragt werden.32 Auch bei einer Anspruchshäufung "gemischter" Ansprüche besteht nämlich laut der Judikatur kein Grund, den Gläubiger bezüglich der nicht der Anmeldung im Insolvenzverfahren unterliegenden Ansprüche mit der Verfahrensfortsetzung auf den Abschluss der Prüfungstagsatzung zu verweisen.33 Der Arbeitnehmer kann sohin die Teilfortsetzung hinsichtlich des Begehrens auf Übermittlung von Lohnabrechnungen unmittelbar nach Insolvenzeröffnung beantragen. In den zuvor genannten Fällen steht zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht fest, ob zwischen beiden Begehren ein enger Sachzusammenhang besteht, sodass auch nicht feststeht, ob der Prozess diesbezüglich gegen den Schuldner oder den Insolvenzverwalter fortzuführen ist. Wird der Prozess gegen den falschen Beklagten34 geführt, hat dies die Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge.35
Wegen dieser drohenden Nichtigkeitssanktion überwiegt das Interesse an Rechtssicherheit, ob der Prozess hinsichtlich des Begehrens auf Übermittlung von Lohnabrechnungen durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen ist bzw gegen wen der Prozess diesbezüglich fortzusetzen ist, mE das Interesse der Beteiligten an der Vermeidung der Gefahr widersprechender Entscheidungen. Auch der Gesetzgeber nimmt diese Gefahr in anderen Fällen bewusst in Kauf, etwa wenn er die Unterbrechung eines Rechtsstreits, dessen Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, die Gegenstand eines anderen Verfahrens ist, nach § 190 Abs 1 ZPO in das pflichtgemäße Ermessen des Richters stellt, statt zwingend eine Unterbrechung anzuordnen.36 Ebenso wenig wie das bloße Bedürfnis nach Entscheidungsharmonie eine Unterbrechung nach § 190 Abs 1 ZPO rechtfertigen kann,37 rechtfertigt es die Unterbrechung des Verfahrens nach § 7 Abs 1 IO bzw die Fortsetzung des Verfahrens gegen den Insolvenzverwalter, nur weil im fortgesetzten Verfahren beide Begehren von derselben strittigen Vorfrage abhängen könnten. Daher geht mE das OLG Innsbruck zu weit, wenn bereits ausreichend sein soll, dass das Begehren auf Ausstellung von Lohnabrechnungen Perioden betrifft, für die noch offene Entgeltansprüche behauptet werden.
Bei zu Insolvenzeröffnung bereits beendeten Arbeitsverhältnissen soll es meiner Ansicht nach daher aus Gründen der Rechtssicherheit nur in jenen Fällen zu einer Unterbrechung des gesamten Verfahrens kommen, in denen aufgrund des bis zur Insolvenzeröffnung erstatteten (Bestreitungs-)Vorbringens des Arbeitgebers feststeht, dass beide Begehren von derselben strittigen Vorfrage abhängen. In allen anderen Fällen kommt es zu keiner Unterbrechung des Verfahrens hinsichtlich des Begehrens auf Übermittlung von Lohnabrechnungen und der Prozess läuft als Schuldnerprozess gegen den Arbeitgeber weiter. Abhilfe gegen die Gefahr widersprechender Entscheidungen kann in solchen Situationen eine Verbindung der Verfahren nach § 187 ZPO 38 bieten, die auch dann möglich ist, wenn das Verfahren hinsichtlich der Lohnabrechnungen gegen den Schuldner und der Prüfungsprozess gegen den Insolvenzverwalter oder einen bestreitenden Insolvenzgläubiger geführt wird.39
Ist das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch aufrecht, tritt der Insolvenzverwalter in die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers ein, sodass der hinsichtlich des Begehrens auf Übermittlung von Lohnabrechnungen unterbrochene Prozess umgehend (also nicht erst nach der Prüfungstagsatzung) vom Arbeitnehmer oder vom Insolvenzverwalter nach § 7 Abs 2 IO aufgenommen werden kann. Den Insolvenzverwalter trifft in diesen Fällen sohin aufgrund des Eintrittes in den Arbeitsvertrag die Pflicht zur Übermittlung von Lohnabrechnungen, die auch Perioden vor Insolvenzeröffnung betrifft.
Bei bereits beendeten Arbeitsverhältnissen kommt es nur dann ausnahmsweise zu einer Unterbrechung des gesamten Ver-
fahrens, wenn sich aus dem bei Insolvenzeröffnung bereits erstatteten Vorbringen ergibt, dass die Berechtigung des Begehrens auf Übermittlung von Lohnabrechnungen von derselben strittigen Vorfrage abhängt wie das Arbeitsentgelt. Eine Teilfortsetzung des Verfahrens hinsichtlich des Begehrens auf Übermittlung von Lohnunterlagen gegen den Insolvenzverwalter kann dann auch vor der Prüfungstagsatzung erfolgen. In allen anderen Fällen ist aus Gründen der Rechtssicherheit davon auszugehen, dass das Verfahren hinsichtlich der Lohnabrechnungen durch die Insolvenzeröffnung nicht unterbrochen wird und insoweit als Schuldnerprozess gegen den Arbeitgeber weiterläuft. Zur Vermeidung von widersprechenden Entscheidungen empfiehlt es sich, die Verbindung der Verfahren zu beantragen. Um eine Nichtigkeit des Verfahrensabschnitts nach Insolvenzeröffnung zu vermeiden, wenn das Verfahren zu Unrecht unterbrochen bzw gegen den Masseverwalter fortgesetzt wird, sollte jedenfalls der entsprechende Beschluss (und nicht erst das Urteil) bekämpft werden, um schnell für Rechtssicherheit zu sorgen.40 Aufgrund der Gleichartigkeit der Ansprüche können diese Ausführungen auch auf die Ausstellung eines Dienstzeugnisses übertragen werden.
Ausf Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen (9. Lfg; 1999) § 6 KO Rz 1 ff; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht I4 (2000) § 6 KO Rz 2 ff.
Ein solcher liegt vor, wenn der Streitgenstand nicht vermögensrechtlicher Natur ist oder bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn er weder einen Aktiv- noch einen Passivbestandteil der (Soll-)Insolvenzmasse bildet (vgl RIS-Justiz RS0064115). Ausf Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 6 KO Rz 50 ff; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 6 KO Rz 33 ff.
OLG Innsbruck 22. 5. 2021, 15 Ra 20/21k; in diesem Heft der ZIK 2021/223, 194. Der Autor war als beklagter Masseverwalter am Prozess beteiligt.
Die Ausführungen gelten ebenso für Gehaltsabrechnungen. Der Einfachheit halber wird stellvertretend für beide nur der Ausdruck Lohnabrechnungen verwendet.
OGH 8 ObA 41/18i RdW 2018, 797; Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 (2016) § 2 f Rz 6; Reissner in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht I3 (2018) § 2 f AVRAG Rz 9.
Höchstgerichtliche Rechtsprechung liegt zu dieser Frage bislang nicht vor.
Soweit ersichtlich liegt zu dieser Frage nur eine einzige höchstgerichtliche Entscheidung (s FN 8) vor.
OGH 9 ObA 118/04z ZIK 2005/193, 172. Der enge Sachzusammenhang lag bei dieser Entscheidung darin, dass die Ausstellung des Dienstzeugnisses ebenso wie die Feststellung der beendigungsabhängigen Entgeltansprüche von der Vorfrage des Vorliegens eines Betriebsüberganges abhängig war.
Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 BGBl I 2010/29.
Gahleitner in Löschnigg, Angestelltengesetz II10 (2016) § 39 Rz 4; Kochanowski in Poltsch/Bertl/Fraberger/Reckenzaun/Isola/Petsch, Praxishandbuch Insolvenzabwicklung (2016) 375 (407 f); Holzer/Reissner in Reissner, Arbeitsverhältnisse und Insolvenz5 (2018) § 25 IO Rz 5; Neumayr in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1163 Rz 5 (Stand 1. 9. 2014, rdb.at).
So OGH 9 ObS 19/91 RdW 1992, 154.
Mit derselben Begründung hat der OGH in 9 ObA 118/04z die Teilunterbrechung des Verfahrens hinsichtlich der Ausstellung eines Dienstzeugnisses und die Teilfortsetzung hinsichtlich des Arbeitsentgelts abgelehnt (s FN 8).
Siehe FN 11.
Feil, Insolvenzordnung7 (2010) § 25 Rz 1 spricht dabei von einer Klarstellung.
Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 25 KO Rz 7; nach Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Großkommentar zum ABGB - Klang Kommentar3 (2011) § 1163 Rz 14 besteht die insofern vergleichbare Pflicht des Insolvenzverwalters zur Ausstellung eines Dienstzeugnisses nur dann, wenn der Anspruch von einem Arbeitnehmer geltend gemacht wird, den der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung weiterbeschäftigt; so auch OGH 9 ObA 118/04z mit Verweis auf Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 6 KO Rz 56; aM Weber-Wilfert, Arbeitsrechtliche Änderungen des IRÄG 2010, in Konecny, IRÄG 2010 (2010) 59 (60 f); Gahleitner in Löschnigg, AnG II10 § 39 Rz 4; Kochanowski in Poltsch/Bertl/Fraberger/Reckenzaun/Isola/Petsch, Praxishandbuch Insolvenzabwicklung 407 f; Holzer/Reissner in Reissner, Arbeitsverhältnisse und Insolvenz5 § 25 IO Rz 5; Neumayr in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1163 Rz 5 (Stand 1. 9. 2014, rdb.at).
Vgl OGH 8 ObS 141/01w ZIK 2002/152, 107 sowie Widhalm-Budak in Konecny, Insolvenzgesetze (57. Lfg; 2017) § 21 IO Rz 80; Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 25 KO Rz 11; Kietaibl in Koller/Lovrek/Spitzer, IO (2019) § 25 Rz 1 f.
Vgl Jenny, Rechnungslegungsbegehren und Insolvenzverfahren, ZIK 2017/267, 202; Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze (1. Lfg; 1997) § 102 KO Rz 20, wonach reine Hilfsansprüche für die Durchsetzung von Konkursforderungen nicht nach § 14 IO in Geldforderungen umgewandelt werden, sondern vom Insolvenzverwalter zu erfüllen sind, weil sich der Hauptanspruch gegen die Insolvenzmasse richtet.
Nachweise in FN 5.
Was nach der Judikatur entscheidend für die Abgrenzung von Masse- und Schuldnerprozess ist (vgl RIS-Justiz RS0064115).
Vgl OGH 9 ObS 19/91 (s FN 11), wonach der Umstand, dass der Arbeitnehmer die Lohnabrechnung zur Anmeldung seiner Ansprüche nicht benötigt, die Klagsführung nicht schikanös macht. Dass es sich nicht um einen Hilfsanspruch zur Durchsetzung des Entgelts handelt, wird auch dadurch bestätigt, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine richtige Abrechnung hat, sondern nur auf eine formell vollständige (so OGH 8 ObA 41/18i RdW 2018, 797).
ASG Wien 29 Cga 195/97a ARD 5065/3/99; LGZ Wien Arb 8.941; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I 4 § 6 KO Rz 33 FN 54; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 6 KO Rz 57. Anderes gilt dann, wenn der Anspruch von einem Arbeitnehmer geltend gemacht wird, den der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung weiterbeschäftigt (s FN 16).
Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 24; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 7 KO Rz 12, der in FN 21 unter Hinweis auf Arb 6307, 8176 die Klage auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses als Beispiel für einen Schuldnerprozess anführt, der nicht unterbrochen wird.
Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 26; ähnlich Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 7 KO Rz 5, wonach bei Trennbarkeit von zum Teil massebezogenen Ansprüchen für die massebezogenen Ansprüche Unterbrechung eintreten soll, für die Schuldneransprüche hingegen nicht.
Vgl OGH 3 Ob 236/97w ZIK 1998, 28; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 26.
Dass beide Begehren von derselben, aber nicht strittigen Vorfrage abhängen, reicht nach OGH 9 ObA 118/04z nicht aus.
Wobei anstelle des Zahlungsbegehrens die Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren zu treten hat.
In diesem Fall besteht überhaupt keine strittige Vorfrage.
Vgl OGH 3 Ob171/08f ZIK 2009/161, 99; 2 Ob 15/11m ZIK 2012/36, 26; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 29; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 7 KO Rz 18; Fink in Fasching/Konecny, Kommentar zu der Zivilprozessgesetzen II/33 (2015) § 159 ZPO Rz 59 und 67.
Dies kommt in der Praxis allerdings kaum vor.
Vgl OGH 4 Ob 120/90; 9 ObA 164/92; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 52; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 7 KO Rz 47.
Also ein Schuldnerprozess gegen den Masseverwalter oder ein Masseprozess gegen den Schuldner.
Höllwerth in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/33 § 190 ZPO Rz 77 ff; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack, ZPO Taschenkommentar (2019 § 190 Rz 5.
OLG Wien 1 R 73/09a; RIS-Justiz RW0000450; Höllwerth in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/33 § 190 ZPO Rz 77.
Zu den Voraussetzungen hierfür im Einzelnen s Höllwerth in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/33 § 187 ZPO Rz 7 ff.
Es können nämlich auch Rechtsstreite desselben Klägers gegen verschiedene Beklagte verbunden werden; s dazu Höllwerth in Fasching/Konecny Zivilprozessegesetzen II/33 § 187 ZPO Rz 16; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 187 Rz 4.
Da eine solche Nichtigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl RIS-Justiz RS0035434), kann sie aber auch noch nach Ablauf der Rekursfrist aufgegriffen werden.