Dieser Artikel wurde Ihnen von einem unserer Abonnenten zur Verfügung gestellt. Mit einem Abonnement der ÖStZ erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Der Artikel gibt einen Überblick über die Neufassung des § 212a Abs 9 BAO, insb die Neufassung des § 212a Abs 9 Satz 3 BAO (Minderung der Aussetzungszinsen iZm einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld).
Der neu gefasste § 212a Abs 9 BAO sieht ua vor, dass Aussetzungszinsen iHv 2 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr "[a]b dem Zeitpunkt des Einlangens eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung [...]
1. | bis zu dessen Ab- oder Zurückweisung oder |
2. | bei Bewilligung für die Dauer des Zahlungsaufschubes" |
zu entrichten sind. Dadurch soll nach den Gesetzesmaterialien1 der Zeitraum, für den Aussetzungszinsen anfallen, im Vergleich zur Altfassung der leg cit deutlicher definiert werden; eine Änderung der bisherigen Rechtslage und -praxis ist mE nicht intendiert. Wie bislang beginnt der Zeitraum für die Berechnung der Aussetzungszinsen mit Einlangen eines Antrags iSd § 212a BAO bei der zuständigen Abgabenbehörde, wobei allerdings noch nicht fällige Abgaben nicht in die Bemessungsgrundlage der Aussetzungszinsen einbezogen werden dürfen,2 und endet, falls dem Aussetzungsantrag stattgegeben wird, mit Bekanntgabe des Bescheids über den Ablauf oder Widerruf der Aussetzung oder, falls dem Aussetzungsantrag nicht stattgeben wird, mit Bekanntgabe des ablehnenden Bescheids.3 Von der Frage nach dem Zeitraum der Zinsberechnung ist die Frage zu unterscheiden, zu welchem Zeitpunkt die Aussetzungszinsen festgesetzt werden: Trotz Entfall der letzten beiden Sätze des § 212a Abs 9 BAO aF4 dürfen Aussetzungszinsen mE weiterhin nur im Nachhinein (nach vorangegangener negativer Erledigung des Antrags iSd § 212a BAO bzw im Fall einer Antragsbewilligung nach vorangegangener Verfügung des Ablaufs der Aussetzung oder deren vorangegangenem Widerruf) bescheidmäßig festgesetzt werden.
In erster Linie soll die Neufassung des § 212a Abs 9 BAO ausweislich der Gesetzesmaterialien5 die nachträgliche Herabsetzung der Aussetzungszinsen regeln. § 212a Abs 9 Satz 3 BAO lautete ursprünglich wie folgt: "Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen." Die Bestimmung wurde durch das AbgÄG 2022 folgendermaßen umformuliert: "Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld bis zur Verfügung des Ablaufes (Abs. 5, Abs. 5a) anlässlich der rechtskräftigen Erledigung der Bescheidbeschwerde (Abs. 1) hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen."
Zum einen soll die Wendung "der Abgabenschuld" (statt "einer Abgabenschuld") verdeutlichen, dass eine Zinsanpassung nur hinsichtlich jener Abgabenschuld möglich ist, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt und deren Einhebung für die Dauer des Beschwerdeverfahrens auf Antrag ausgesetzt wurde. Damit ist mE keine Änderung der bisherigen Rechtslage verbunden: In Betracht kam immer nur eine Reduktion der Aussetzungszinsen im Fall einer nach Stellung eines Antrags iSd § 212a BAO eingetretenen Minderung der von diesem Antrag betroffenen rückständigen Abgabenschuld bzw der den Gegenstand der Bewilligung der Aussetzung bildenden Abgabe.6 Auch die Feststellung der Gesetzesmaterialien, dass sonstige Gutschriften nur auf Verlangen des Beschwerdeführers zur Tilgung ausgesetzter Abgabenschulden verwendet werden dürfen,7 stellt mit Blick auf (den unveränderten) § 212a Abs 8 BAO keine Neuerung dar.8 Verlangt der Beschwerdeführer eine solche Verrechnung, mindert sie den ausge-
setzten Betrag und die damit verbundenen Aussetzungszinsen.9 Ein solcher Verrechnungsantrag kann nach den Gesetzesmaterialien nur während aufrechter Aussetzungsbewilligung ausgeübt werden.
Zum anderen sieht die Neufassung des § 212a Abs 9 Satz 3 BAO vor, dass die nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld bis zur Verfügung des Ablaufs anlässlich der rechtskräftigen Erledigung der Bescheidbeschwerde erfolgt sein muss. Aus Sicht der Gesetzesmaterialien10 sollen aufgrund sonstiger Maßnahmen (§§ 293 ff BAO) geänderte Abgabenfestsetzungen, die im Rahmen von für sich beschwerde- und aussetzungsfähigen Abgabenverfahren ergehen, nicht zu einer Zinsaufrollung führen; mit anderen Worten: Wird die Abgabenschuld nicht in einem unmittelbar oder mittelbar dagegen gerichteten Beschwerdeverfahren, sondern in einem anderen (Beschwerde)Verfahren nachträglich herabgesetzt (siehe dazu das Beispiel zu § 295 Abs 4 BAO unten), soll eine Aussetzungszinsenminderung ohne (neuen) Antrag iSd § 212a BAO im anderen (Beschwerde)Verfahren unmöglich sein.
Hintergrund der vorstehend referierten Auffassung des Gesetzgebers scheint ausweislich der Gesetzesmaterialien11 ua ein Fall zu sein, der vom Bundesfinanzgericht12 Anfang 2022 entschieden wurde: Ein Berufungswerber (jetzt: Beschwerdeführer) erhob am 21. 9. 2012 gegen einen Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO Berufung (jetzt: Beschwerde); die auf dem Feststellungsbescheid beruhende Einkommensteuerschuld (Einkommensteuerbescheid vom 13. 7. 2012) wurde ausgesetzt. Letztlich wies das BFG die Berufung mit Beschluss vom 30. 10. 2019 als unzulässig zurück; mangels gesetzeskonformer Zustellung lag kein bekämpfbarer Feststellungsbescheid vor. Daraufhin verfügte das Finanzamt am 6. 11. 2019 den Ablauf der Aussetzung und erließ am gleichen Tag einen Aussetzungszinsenbescheid. Am 13. 12. 2019 - der Beschluss des BFG vom 30. 10. 2019 war (mit 30. 11. 2019) bereits in Rechtskraft erwachsen - beantragte der Bf die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids vom 13. 7. 2012 nach § 295 Abs 4 BAO,13 der vom Finanzamt - nach ursprünglicher Zurückweisung des Antrags und dagegen erhobener Beschwerde - schlussendlich mit 22. 2. 2021 aufgehoben wurde. Allerdings erfolgte keine amtswegige Aufhebung oder Anpassung des Aussetzungszinsenbescheids vom 6. 11. 2019, weswegen der Bf in weiterer Folge Säumnisbeschwerde nach § 284 BAO erhob. Das Finanzamt verneinte eine Verletzung der Entscheidungspflicht, ua weil die Aufhebung der Abgabenschuld - Aufhebung des Einkommensteuerbescheids vom 13. 7. 2012 am 22. 2. 2021 - nicht in einem ihre Festsetzung unmittelbar oder mittelbar betreffenden Beschwerdeverfahren, für das die Aussetzung iSd § 212a BAO bewilligt worden war, erfolgt sei. Vielmehr sei die Aufhebung der Abgabenschuld in einem eigenen, eigenständigen, erst später durch einen Antrag vom 13. 12. 2019 eingeleiteten Verfahren nach § 295 Abs 4 BAO erfolgt. Eine Änderung der Abgabenschuld nach Verfügung des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung in einem anderen, erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens eingeleiteten Verfahren14 könne zu keiner Anpassung der Aussetzungszinsen führen. Aus Sicht des Finanzamts hätte der Bf im Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung des Antrags nach § 295 Abs 4 BAO einen (neuen) Antrag auf Aussetzung der Einhebung stellen müssen.
Das BFG schloss sich der Rechtsansicht des Finanzamts nicht an: "§ 212a BAO ermöglicht die Aussetzung der Einhebung auch dann, wenn (lediglich) eine Beschwerde gegen den Grundlagenbescheid erhoben wird. § 295 Abs 4 BAO steht in einem Zusammenhang mit solchen Beschwerden, zumal eine der Anwendungsvoraussetzungen des § 295 Abs 4 BAO gerade darin besteht, dass eine solche Beschwerde zurückgewiesen wird. Zu einer Herabsetzung einer Abgabenschuld auf Grund einer Beschwerde gegen einen Grundlagenbescheid, der sich als Nichtbescheid herausstellt, kann es gar nicht kommen."15 Aus Sicht des BFG lag also noch ein Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeverfahren gegen den Feststellungsbescheid und dem Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung des Antrags nach § 295 Abs 4 BAO vor, wodurch eine nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld nach § 212a Abs 9 Satz 3 BAO aF gerechtfertigt war. Dieser Auffassung kann vor dem Hintergrund der Altfassung des § 212a Abs 9 Satz 3 BAO ("Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrags zu erfolgen.") durchaus beigepflichtet werden. Im Sachverhalt kam es aufgrund der schlussendlich erfolgten Aufhebung des Einkommensteuerbescheids vom 13. 7. 2012 tatsächlich zu einer von der leg cit geforderten "nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld"; auch ein - wenngleich stark mittelbarer - Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren gegen den Feststellungsbescheid, für das die Aussetzung iSd § 212a BAO bewilligt worden war, kann konstruiert werden.
Allerdings scheint dem (historischen) Gesetzgeber die vorstehend referierte Rechtsauffassung des BFG zu weit zu gehen, weswegen er § 212a Abs 9 Satz 3 BAO aF abänderte, um der für Abgabepflichtige günstigen Interpretation der leg cit durch die Judikative einen Riegel vorzuschieben. Die Gesetzesmaterialien16 führen aus, dass der von § 212a BAO verfolgte effektive Rechtsschutz keine rückwirkende Zinsaufrollung gebiete, falls erst nach rechtskräftigem Abschluss des Beschwerdeverfahrens aufgrund
sonstiger Maßnahmen (§ 293 ff BAO) geänderte Abgabenfestsetzungen im Rahmen von für sich beschwerde- und aussetzungsfähigen Abgabenverfahren ergehen. Im Ergebnis folgt der Gesetzgeber damit im Wesentlichen der weiter oben wiedergegebenen Argumentation des Finanzamts. Diese Vorgehensweise sei, so die Gesetzesmaterialien, letztendlich auch dadurch gerechtfertigt, dass der durch die seinerzeitige Aussetzung herbeigeführte Zahlungsaufschub (im abgeschlossenen Beschwerdeverfahren) tatsächlich konsumiert wurde.
Für den "Normalfall" - Vorlageantrag im Zusammenhang mit einer ab- oder zurückweisenden Beschwerdevorentscheidung, mit der eine Verfügung über den Ablauf der Aussetzung einhergeht - gilt die oben dargestellte Einschränkung jedoch nicht: In diesem Fall liegt gerade kein anderes (Beschwerde)Verfahren, sondern ein unmittelbar oder mittelbar gegen die Abgabenschuld gerichtetes Beschwerdeverfahren vor. Wie die Gesetzesmaterialien17 ausdrücklich betonen, sind in diesem Fall, sofern nach Einbringung eines Vorlageantrags durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts eine Herabsetzung oder Aufhebung der Abgabenschuld erfolgt, die Aussetzungszinsen "entsprechend herabzusetzen oder aufzuheben".
RAE 2014 Rz 558; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 (2018) § 212a Rz 81.
Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 78 ff; Ritz/Kora, BAO7 (2021) § 212a Rz 32.
"Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufs (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen."
RAE 2014 Rz 564; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 88; Ritz/Koran, BAO7 § 212a Rz 34.
Die Gesetzesmaterialien verweisen diesfalls auf § 212a Abs 6 BAO; gemeint ist wohl § 212a Abs 8 BAO.
So auch RAE 2014 Rz 538: "Allfällige Zahlungen, sonstige Gutschriften und Guthaben dürfen nur auf ausdrückliches Verlangen des Abgabepflichtigen auf ausgesetzte Abgaben verrechnet werden; aus § 212a Abs. 8 BAO ergibt sich, dass auf einem Abgabenkonto des Abgabepflichtigen zur selben Zeit ein rückzahlbares Guthaben sowie eine fällige ausgesetzte Abgabenschuld aufscheinen können."
RAE 2014 Rz 541.
BFG 16. 2. 2022, RS/7100073/21.
§ 295 Abs 4 BAO setzt voraus, dass eine Bescheidbeschwerde gegen eine als Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO intendierte, aber missglückte Erledigung ("Nichtbescheid") als unzulässig zurückgewiesen wird.
Wie im Fließtext ausgeführt, endete das Beschwerdeverfahren gegen den Feststellungsbescheid mit Beschluss des BFG vom 30. 10. 2019, und der Ablauf der Aussetzung der Einhebung wurde mit Bescheid vom 6. 11. 2019 verfügt. Das Verfahren nach § 295 Abs 4 BAO wurde erst mit Antrag vom 13. 12. 2019 eröffnet. Die Änderung der Abgabenschuld erfolgte also nach Verfügung des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung - in casu: 6. 11. 2019 - in einem anderen, erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens - in casu: 30. 10. 2019 - eröffneten Verfahren (nach § 295 Abs 4 BAO).
BFG 16. 2. 2022, RS/7100073/21, 20 f.