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Autocomplete-Vorschläge einer Internet-Suchmaschine – internationale Zuständigkeit

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 16, § 1330

JN: § 83c

Wird die gesetzwidrige Handlung „durch den Inhalt von Schriften oder Druckwerken oder durch andere Gegenstände bewirkt, die vom Ausland abgesendet worden sind“, gilt gem § 83c Abs 3 JN für die Zuständigkeit jeder Ort des Inlands als Begehungsort, „wo der Gegenstand eingelangt oder zur Abgabe oder Verbreitung gelangt ist“. Für auf § 1330 gestützte Unterlassungsklagen ist die internationale Zuständigkeit nach § 83c Abs 3 JN auch dann gegeben, wenn das Verfahren in Österreich abrufbare Websites zum Gegenstand hat. Der OGH hat in seiner E 6 Ob 26/16s (= RdW 2016/453) die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nach dieser Gesetzesstelle auch dann bejaht, wenn – wie im vorliegenden Fall – aus einem solchen Klagsvorbringen auch Unterlassungsansprüche nach § 16 ABGB iZm Autocomplete-Vorschlägen einer Internet-Suchmaschine abgeleitet werden. Die Beurteilung des RekursG entspricht dieser Rsp.

OGH 6. 4. 2022, 6 Ob 155/21v

Ausgangsfall

Die Kl begehrt die Unterlassung der Anzeige bestimmter in Österreich abrufbarer Suchergebnisse (URL-Adressen) und Autovervollständigungsvorschläge einer Internet-Suchmaschine und stellt inhaltsgleiche Sicherungsanträge. Die Suchmaschine wird von der Zweitbekl betrieben, die ihren Sitz in den USA hat.

Die Passivlegitimation der Erstbekl (mit Sitz im Sprengel des ErstG) sieht die Kl darin, dass diese „verantwortliche Person“ betr die Verwendung von personenbezogenen Daten und damit Vertreterin der Zweitbekl in Österreich sei und die Möglichkeit habe, die relevierten Inhalte der Suchmaschine löschen zu lassen oder deren Aufnahme in die Ergebnisliste zu verhindern. Eine solche Einflussmöglichkeit der Erstbekl wurde im Verfahren aber gerade nicht festgestellt, und die Erstbekl hat nach den Feststellungen auch nicht durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Zweitbekl die Störungen begehen konnte. Die Vorinstanzen wiesen die Klage und den Sicherungsantrag gegen die Erstbekl daher mangels Passivlegitimation ab.

Die Klage (und den Sicherungsantrag) gegen die Zweitbekl wies das ErstG zurück, weil das Begehren mit dem Streitgegenstand eines beim LG Salzburg anhängigen Verfahrens ident sei. Das RekursG trug dem ErstG jedoch die Fortsetzung des Verfahrens und inhaltliche Prüfung des Klagebegehrens auf. Dagegen wendet sich die Zweitbekl mit ihrem ao Revisionsrekurs.

Entscheidung

Betr Zuständigkeit verweist der OGH zunächst darauf, dass die Erstbekl ihren Sitz im Sprengel des ErstG hat, sodass sich dessen Zuständigkeit insoweit aus § 83c Abs 1 JN ergibt. Damit stand im maßgeblichen Zeitpunkt der Klagseinbringung (§ 29 JN; vgl 6 Ob 208/02k, ZRInfo 2003/382) für die Klage auch gegen die Zweitbekl (mit Sitz in den USA) der Gerichtsstand nach § 83c Abs 2 JN zur Verfügung, der den Anwendungsbereich des Gerichtsstands der Streitgenossenschaft auf die – hier jedenfalls vorliegende – formelle Streitgenossenschaft erweitert (4 Ob 62/02z). Schon deshalb ist das ErstG vor dem Hintergrund des § 27a JN für die Klage auch gegen die Zweitbekl international und örtlich zuständig (4 Ob 80/08f [ErwGr 3.2], RdW 2009/96).

Nicht relevant ist daher, ob die Frage der Abrufbarkeit der Suchergebnisse und Autovervollständigungsvorschläge von Österreich aus eine „doppelrelevante Tatsache“, also zugleich auch eine Anspruchsvoraussetzung darstellt und daher ungeachtet der erhobenen Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit nur die Klagsangaben maßgebend sind (vgl 6 Ob 19/18i [ErwGr 1.1 ff]; RS0056159; RS0050455; RS0046201).

Hinsichtlich Zurückweisung der Klage gegen die Zweitbekl wegen Streitanhängigkeit nach § 233 ZPO verweist der OGH darauf, dass er bei Unterlassungsansprüchen in stRsp die Streitanhängigkeit verneint, wenn der vom Kl im Vorprozess erhobene Unterlassungsanspruch aus einem anderen Gesetzesverstoß abgeleitet wird als das später gestellte zweite Unterlassungsbegehren und es daher – ungeachtet des gleichlautenden Urteilsantrags – an der notwendigen Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts mangelt (6 Ob 210/03f [spätere Wiederholung der selben ehrenbeleidigenden Äußerungen]; vgl 6 Ob 273/08b [Äußerung bei zwei verschiedenen Pressekonferenzen], RdW 2009/516; RS0039179).

Das RekursG war der Ansicht, die Kl leite im vorliegenden Verfahren ihre Ansprüche aus anderen Gesetzesverstößen ab als im Verfahren vor dem LG Salzburg, weil sie sich auf Rechtsverletzungen zu späteren Zeitpunkten und daher auf unterschiedliche rechtserzeugende Sachverhalte stütze. Das Rekursgericht verneinte die Identität der Streitgegenstände daher nicht bloß deshalb, weil unterschiedliche Beweismittel vorgelegt worden oder andere Internetadressen prozessgegenständlich seien. Mit der Beurteilung des RekursG, die Kl stütze sich auf später erfolgte und damit andere Gesetzesverstöße, setzt sich der Revisionsrekurs nicht auseinander. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung kann er damit auch insoweit nicht darlegen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32647 vom 09.06.2022