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Mit dem ECG wurde die RL 2000/31/EG (RL über den elektronischen Geschäftsverkehr) umgesetzt. Art 3 der RL stellt das grundsätzliche Verbot auf, den Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs strengeren Anforderungen zu unterwerfen, als sie das Sachrecht in seinem Sitzmitgliedstaat (hier: Deutschland) vorsieht. Dieses sog “Herkunftslandprinzip“ normiert auch § 20 ECG. Ob diese Norm eine Sachnormverweisung beinhaltet oder nicht, kann gegenständlich dahingestellt bleiben: Auskunftsansprüche sind nach deutschem Sachrecht strengeren Anforderungen unterstellt als nach österreichischem Sachrecht (§ 18 Abs 4 ECG); der Diensteanbieter unterliegt nach österreichischem Recht extensiveren Auskunftspflichten als nach deutschem Recht. Das Herkunftslandprinzip des § 20 ECG greift hier somit jedenfalls.
Das Herkunftslandprinzip gilt aber nicht ausnahmslos: Der freie Verkehr der Dienste der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat kann aus bestimmten Gründen eingeschränkt werden, und zwar ua – entsprechend Art 3 Abs 4 lit a sublit i der RL – gem § 22 Abs 2 ECG zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Z 1) oder der Würde einzelner Menschen (Z 2). Die Mat zum ECG konkretisieren dies dahingehend, dass ein Zivilgericht zwar in einem Rechtsstreit wegen Ehrenbeleidigung vom Herkunftslandprinzip abweichen und die Angelegenheit nach § 1330 ABGB beurteilen kann, diese Ausnahme jedoch richtlinienkonform auf Ansprüche natürlicher Personen zu beschränken sei (ErläutRV 817 BlgNR 21. GP 48). Für Ansprüche juristischer Personen (wie hier) kommt daher nur ein Rückgriff auf die Ausnahme des § 22 Abs 2 Z 1 ECG – Schutz der öffentlichen Ordnung – in Betracht.
IZm ihrem Auskunftsbegehren gegen die deutsche Plattformbetreiberin stützt sich die Antragstellerin im vorliegenden Fall (ua) auf eine Kreditschädigung iSd § 152 StGB durch eine Bewertung auf deren Website. Privatanklagedelikte können zwar grds auch, wenn auch nicht vordergründig, im öffentlichen Interesse liegende Schutzgüter umfassen können. Der Tatbestand des § 152 StGB bezieht sich aber nicht auf den Schutz öffentlicher Interessen, geschütztes Rechtsgut ist primär („nur“) das Vermögen, was bereits seine systematische Stellung im StGB zeigt. Die begehrte Auskunft dient daher vordergründig nicht dem Schutz der öffentlichen Ordnung.
Zwar kann jeder Gesetzesverstoß, und somit auch die tatbestandsmäßige Erfüllung bloßer Privatanklagedelikte, im Prinzip geeignet sein, eine Störung der öffentlichen Ordnung darzustellen. Im Rahmen des § 22 Abs 2 ECG ist allerdings eine Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls erforderlich – namentlich das Vorliegen bloß vereinzelter, bereits gelöschter Meldungen in einem Online-Medium –, die hier bestenfalls eine äußerst geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung erkennen lässt. Angesichts des Interesses am freien Dienstleistungsverkehr ist im vorliegenden Fall ein Abweichen vom Herkunftslandprinzip und die Anwendung österreichischen anstelle deutschen Sachrechts somit nicht verhältnismäßig.
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Deutschland und betreibt eine auch in Österreich abrufbare Website zur Bewertung von Arbeitgebern.
Die Antragstellerin hat ihren Sitz in Österreich. Im Oktober 2020 wurde auf der Website eine Bewertung über sie veröffentlicht, zu der die Antragstellerin mit ihrem Antrag von der Antragsgegnerin Auskunft über Namen, Adresse und E-Mail-Adresse des Nutzers begehrt. Die unrichtigen Behauptungen seien geeignet, ihr Fortkommen und ihren Erwerb zu gefährden. Die Antragsgegnerin habe aufgrund ihrer Abmahnung zwar die Bewertung von der Plattform genommen, die Antragstellerin benötige aber auch Auskunft über die Nutzerdaten zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche nach § 1330 ABGB bzw § 20 ABGB gegen den Verfasser des Postings und zur strafrechtlichen Verfolgung der Kreditschädigung nach § 152 StGB. Der Auskunftsanspruch sei nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil § 1330 ABGB und § 152 StGB dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienten, der Auskunftsanspruch zur Strafverfolgung beitragen könne und nach § 22 ECG zur Verfolgung strafbarer Handlungen vom Herkunftslandprinzip abzuweichen sei.
Das Begehren blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidung
Kein Auskunftsanspruch nach deutschem Recht
Das RekursG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass kein Anlass besteht, vom Herkunftslandprinzip abzuweichen, weshalb deutsches Recht anzuwenden ist.
Auf § 242d BGB kann das Auskunftsbegehren nicht gestützt werden.
Die gegenständlichen Äußerungen beinhalten sowohl ein Tatsachensubstrat als auch Werturteile. Unter Berücksichtigung insb des Gesamtzusammenhangs und der Systematik (Titel in Fettdruck „Köpfe rollen am laufenden Band“) aus dem Blickwinkel der angesprochenen Adressaten (insbesondere potenzielle Bewerber) überwiegen hier die Werturteile das Tatsachensubstrat. Die inkriminierten Äußerungen sind daher insofern nicht als tatbestandsmäßig iSd §§ 186 f dStGB zu werten, womit keine Katalogtat iSd § 1 Abs 3 dNetzDG vorliegt.
Ein Auskunftsanspruch ist somit auch nach § 14 Abs 3 dTMG zu verneinen.
Kein Bewertungsausspruch
Im Hinblick darauf, dass das RekursG seinen Entscheidungsgegenstand nicht bewertet hat, sieht sich der erk Senat auch diesbezüglich zu einer Klarstellung veranlasst: Auch Auskunftsbegehren nach § 18 Abs 4 ECG dienen nicht ausschließlich vermögensrechtlichen Interessen, sondern dem Schutz und der Durchsetzung höchstpersönlicher Rechte wie etwa der Ehre und des guten Rufs. Das Auskunftsbegehren nach § 18 Abs 4 ECG ist somit nicht rein vermögensrechtlicher Natur, weshalb gem § 59 Abs 2 AußStrG ein Bewertungsausspruch jedenfalls zu unterbleiben hat.