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Computerhandschrift – kein Werkcharakter iSd UrhG

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UrhG: § 1, § 5

Die Zuerkennung von Werkcharakter an eine Handschrift in ihrer konkreten Ausformung wäre nur denkbar, wenn sie sich ausreichend vom vorbekannten Formenschatz abhebt und eigentümliche und individuelle Zeichen aufweist, die als Neuschöpfung zu beurteilen wären.

Der Bearbeitung einer Handschrift durch Herstellung einer flüssigen Verbindung der einzelnen Buchstaben und Buchstabenkombinationen, damit diese als Computerschrift verwendet werden kann, kommt grds keine Werkeigenschaft iSd UrhG zu. Die flüssige Verbindung ist durch den Zweck der Schrift zwingend vorgegeben. Darin liegt zwar zweifellos eine kunsthandwerkliche Leistung, das Ergebnis besitzt aber nicht das erforderliche Maß an schöpferischer Gestaltungskraft. Die vom Kl gefertigte Computerschrift ist daher weder als Bearbeitung ein Werk zweiter Hand nach § 5 UrhG, noch ein nach einer Vorlage ohne urheberrechtlichen Schutz geschaffenes originäres Werk nach § 1 UrhG.

OGH 23. 2. 2016, 4 Ob 142/15h

Entscheidung

Computerschrift aus Handschrift

Der Kl hat die Handschrift einer dritten Person („Betti“) vergrößert und mit dem Ziel bearbeitet, dass die einzelnen Buchstaben und Buchstabenkombinationen eine flüssige Verbindung miteinander eingehen. Danach digitalisierte er die einzelnen Buchstaben durch Scannen und machte sie mit einem Schriftgestaltungsprogramm digital verwendbar.

Dem Ergebnis dieses Vorgangs mangelt es nach Ansicht des OGH an der erforderlichen schöpferischen Eigenart: Anders als im Sachverhalt zur E 4 Ob 274/02a (WRInfo 2003/082; Felsritzbild) hat der Kl hier nicht etwa Teile der Vorlage aufgrund eigenständiger geistiger Entscheidung weggelassen oder hinzugefügt, weil sie das Gesamtbild stören oder verbessern. Seine Tätigkeit war vielmehr durch die Notwendigkeit bestimmt, dass handschriftartige Computerschriften zwingend voraussetzen, dass die Zeichen miteinander flüssig verbunden werden können. Darin liege zwar zweifellos eine kunsthandwerkliche Leistung, das Ergebnis besitze aber nicht das erforderliche Maß an schöpferischer Gestaltungskraft.

Der OGH hält die vom Kl gefertigte Computerschrift weder – als Bearbeitung – für ein Werk zweiter Hand nach § 5 UrhG, noch für ein nach einer Vorlage ohne urheberrechtlichen Schutz geschaffenes originäres Werk nach § 1 UrhG.

Handschrift: Stil ist kein Werk

Der Handschrift eines Menschen kommt nach Ansicht des OGH idR kein Werkcharakter zu: Auch wenn die Handschrift zweifellos individuell ist, ergebe sich ihre Einzigartigkeit aber nicht aus dem Ausdruck künstlerischer Gestaltung, sondern aus jahrelangem, in kleinsten Nuancen geschehenden Verschleifen der gelernten Lateinschrift. Damit sei sie nicht Produkt individueller Schöpfungskraft, sondern beziehe ihre Einzigkartigkeit ausschließlich aus der statistischen Unwahrscheinlichkeit, dass eine andere Person genau dieselbe Schrift verwendet.

In diesem Zusammenhang verweist der OGH auch darauf, dass nach der Rsp nicht die bloße Form, der Stil und die Manier eines Künstlers geschützt sind, sondern nur deren konkretes Ergebnis (RIS-Justiz RS0076695; RS0076734). Ebenso wenig wie eine bestimmte Pinselführung, eine charakteristische Farbwahl oder in verschiedenen Bildern immer wiederkehrende Formgebungen für sich ein Werk sind (sondern nur das konkrete Bild), könne eine – wenngleich individuelle – Art der Schriftführung an sich Urheberrechtsschutz genießen.

Als Zwischenergebnis hält der OGH somit fest, dass die Zuerkennung von Werkcharakter an eine Handschrift in ihrer konkreten Ausformung nur denkbar wäre, wenn sie sich ausreichend vom vorbekannten Formenschatz abhebt und eigentümliche und individuelle Zeichen aufweist, die als Neuschöpfung zu beurteilen wären. Dies trifft nach Auffassung des OGH auf den vom Kl geschaffenen Zeichensatz jedoch nicht zu.

Bearbeitung für Computerschrift

Ebenso wie etwa der Abstand zwischen einzelnen Zeichen (Dittrich in ÖBl 2010/39, 204 [205]; vgl auch 4 Ob 2385/96f, RdW 1998, 12) oder die Abrundung von Blockbuchstaben unter Beifügung eines senkrechten Strichs keinen Urheberrechtsschutz begründet (3 Ob 403/53), gelte dies auch für die durch die Form einer Handschrift bedingte Bearbeitung derselben zwecks Herstellung einer flüssigen Verbindung (vgl RIS-Justiz RS0076654, wonach desto weniger von der Individualität des Schöpfers in das Werk eingeht, je weniger Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen). Die Verbindung sei durch den Zweck der Schrift zwingend vorgegeben (vgl 4 Ob 125/91 betreffend Spezialkarten, deren Zweck eine bestimmte Darstellung vorschreiben kann). Dass sich der Kl einer über die übliche Zeichenverbindung hinausgehenden Idee befleißigt und diese in seinem Schriftsatz umgesetzt hätte (vgl 4 Ob 55/93), hatte er weder substanziiert dargelegt, noch war dies für dem OGH ersichtlich.

Der OGH kam somit zum Ergebnis, dass dem (Computer-)Schriftsatz „Bettis Hand“ keine Werkeigenschaft und somit kein Urheberrechtsschutz zukommt, er verwies den Kl ist aber auf einen nach § 1 Abs 3 MuSchG zu erlangenden Musterschutz.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21344 vom 25.03.2016