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Datenschutz: „Alt-/Übergangsfälle“ – anwendbare Rechtslage

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSG: § 69

Die DSGVO ist mit 25. 5. 2018 in Kraft getreten. Ausdrückliche Übergangsbestimmungen für die Beurteilung bereits anhängiger Verfahren enthält die DSGVO nicht. Der Durchführung der DSGVO dient das DSG (früher DSG 2000), das ebenfalls weitgehend mit 25. 5. 2018 in Kraft getreten ist (abgesehen von den Änderungen durch BGBl I 2018/24). Gemäß § 69 Abs 4 und Abs 5 DSG sind anhängige Verfahren (bei der Datenschutzbehörde oder bei den ordentlichen Gerichten) nach den Bestimmungen des DSG und der DSGVO fortzuführen und Verletzungen des DSG 2000, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des DSG noch nicht anhängig gemacht wurden, nach der Rechtslage nach Inkrafttreten des DSG zu beurteilen; ein vor Inkrafttreten des DSG verwirklichter Straftatbestand ist hingegen nach der für den Täter günstigeren Rechtslage zu beurteilen.

§ 69 Abs 4 DSG normiert, nach welchen Bestimmungen anhängige Verfahren weiter zu führen sind. Damit wird aber nicht festgelegt, welche materiellen Regelungen bei der Beurteilung der in diesen Verfahren geltend gemachten Rechte bzw Rechtsverletzungen zur Anwendung kommen. Nach der stRsp des VwGH hat das VwG im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise ist dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen ist.

Im vorliegenden Fall liegt dem angefochtenen Erkenntnis eine datenschutzrechtliche Beschwerde (aus dem Jahr 2016) zugrunde, die eine (behauptete) Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch eine Datenübermittlung mehr als vier Jahre vor Inkrafttreten der DSGVO und des DSG betrifft. Es geht daher um die Frage, ob ein Vorgang rechtens gewesen ist, der zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt ist und bei Inkrafttreten der DSGVO abgeschlossen war. Die Betrachtungsweise des Erk Ra 2018/10/0120 spricht daher dafür, die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung durch die mitbeteiligte Partei an das BKA am Maßstab des damals maßgeblichen DSG 2000 zu beurteilen.

VwGH 23. 2. 2021, Ra 2019/04/0054

Entscheidung

Damit in Einklang steht auch, dass das die DSGVO erst mit 25. 5. 2018 gilt und eine davon abweichende Festlegung des zeitlichen Geltungsbereichs (etwa in einer Übergangsregelung des DSG) insoweit nicht vorgesehen ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf den im Unionsrecht anerkannten Grundsatz der Rechtssicherheit zu verweisen, der es im Allgemeinen verbietet, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen. Um die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu gewährleisten, sind Vorschriften des materiellen Gemeinschaftsrechts so auszulegen, dass sie für Sachverhalte vor ihrem Inkrafttreten nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (vgl EuGH 24. 9. 2002, C-74/00 P ua, Falck SpA ua, Rn 119, mwN).

Es geht gegenständlich auch nicht um einen Vorgang, der über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der DSGVO hinaus andauert, oder eine Anordnung, die nach Inkrafttreten der DSGVO zu erfüllen war (insofern gleicht der zugrundeliegende Sachverhalt auch nicht dem im Urteil EuGH 10. 11. 2020, C-61/19, Orange România SA, Rn 31, RdW 2021/171).

IZm einer Klage auf Unterlassung der Weitergabe sowie auf Löschung bestimmter personenbezogener Daten (in Aufzeichnungen aus dem Jahr 2010) ist der OGH in der E 6 Ob 131/18k (= RdW 2019/252) von einer Maßgeblichkeit der DSGVO und des DSG ausgegangen, auch wenn die Vorinstanzen noch auf der Grundlage des DSG 2000 entschieden hatten. Dies steht der hier vertretenen Auffassung aber nicht entgegen, weil es dort - anders als im vorliegenden Fall - nicht um die Rechtsmäßigkeit eines vor dem Inkrafttreten der Neuregelung abgeschlossenen Vorgangs ging, sondern um einen Anspruch auf Löschung bzw auf Unterlassung.

Im vorliegenden Fall hat das BVwG zwar zu Unrecht die DSGVO für die materielle Beurteilung der datenschutzrechtlichen Beschwerde herangezogen. Daraus resultiert für sich genommen aber dann keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, wenn die Entscheidung in der Rechtslage nach dem DSG 2000 Deckung findet.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30776 vom 21.04.2021