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Datenschutz: Zulässige Lehrer-Bewertungs-App

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSGVO: Art 6, Art 85

DSG: § 9

Die Bewertung von Lehrern in der vorliegenden Handy-App erfolgt anhand vorgegebener Kriterien, zu denen der Nutzer für die namentlich angeführten Lehrer seiner Schule jeweils eine Bewertung von einem bis fünf Sternen abgeben und diese Bewertung durch Auswahl von Unterkriterien näher begründen kann. Aus Sicht der Öffentlichkeit erfolgt die Bewertung anonym, weil kein Benutzername und keine Telefonnummer angezeigt wird. Bevor der Nutzer eine Bewertung abgeben kann, muss er allerdings über einen Online-Store die App herunterladen, wobei eine Verifizierung durch Eingabe der Telefonnummer vorzunehmen ist. Dadruch besteht die Möglichkeit, allfällige Missbrauchsfälle zu identifizieren. Zum Ansehen von Bewertungen muss ebenfalls die App benutzt werden, allerdings ist dazu keine Registrierung nötig. Angezeigt wird in der App weiters lediglich die durchschnittliche Bewertung eines Lehrers. Die Bewertungen können nur über den Eintrag der Schule aufgerufen werden. Eine Suche nach einzelnen Lehrern mit deren Namen ist nicht möglich.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten des kl Lehrers in der App ist gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO rechtmäßig. Aus der Rsp des EGMR ist zu folgern, dass die Möglichkeit anonymer Meinungsäußerung im Internet nicht schlechthin unterbunden werden darf, sondern eine Interessenabwägung stattzufinden hat. Das bedeutet, dass Personen, die von missbräuchlichen Bewertungen betroffen sind, einen derartigen Missbrauch bis zu einem gewissen Grad hinzunehmen haben.

Bei Bewertungen, die von den eigenen Schülern des Kl abgegeben werden, liegt kein überwiegendes Interesse des Kl am Unterbleiben der beanstandeten Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten vor. Unsachliche Motivationslagen einzelner Bewertender können durch die Gestaltung der App schon grundsätzlich nicht vermieden werden – auch nicht durch eine pseudonymisierte oder nach Fächern aggregierte Veröffentlichung der Bewertungsergebnisse. Vielmehr sind auch unsachlich motivierte Werturteile von der Meinungsäußerungsfreiheit erfasst, solange kein Wertungsexzess vorliegt. Bereits die Verpflichtung, sich unter Klarnamen zu registrieren, würde eine Selbstzensur der (tatsächlichen) Schüler eines Lehrers auslösen.

Aber auch die Gefahr, dass Bewertungen von Personen abgegeben werden, die nicht Schüler des Kl waren, führt nicht zur Unzulässigkeit der Datenverarbeitungen. Auch in diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass die Schulöffentlichkeit lediglich die Bewertung der beruflichen Tätigkeit des Kl wahrnehmen kann, nicht aber eine Bewertung seiner Privatsphäre, dass die veröffentlichten Durchschnittsbewertungen aufgrund der Beschränkung auf die Vergabe von Sternen Ehreingriffe durch Beschimpfungen oder exzessive Formulierungen verhindern und dass für passive Nutzer der App erkennbar ist, dass die Durchschnittsbewertungen bloß eine aus mehreren Bewertungen gemittelte Tendenz wiedergeben. Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass die Bewertungen der Unterrichtstätigkeit des Kl nur von Personen eingesehen werden können, die die App herunterladen und die konkrete Schule auswählen, sodass nicht zu erwarten ist, dass der Kl allein durch die App einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird. Der Eingriff in seine Interessen durch die beanstandete Datenverarbeitung ist daher – auch unter Berücksichtigung der Missbrauchsmöglichkeit – nicht höher zu bewerten als das Interesse der Gesamtheit der App-Nutzer daran, die Unterrichtstätigkeit des Kl zu bewerten und die (durchschnittlichen) Bewertungen einsehen zu können.

OGH 2. 2. 2021, 6 Ob 129/21w

Entscheidung

Da die Verarbeitung personenbezogener Daten des Kl in der App gem Art 6 Abs 1 lit f DSGVO rechtmäßig ist, waren das Unterlassungsbegehren und der auf Art 17 Abs 1 lit d DSGVO gestützte Löschungsanspruch nicht berechtigt.

Das „Medienprivileg“ käme hier übrigens nicht zur Anwendung: Die Privilegierung von Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken bedarf eines gewissen Maßes an journalistischer Bearbeitung und meinungsbildender Wirkung für die Allgemeinheit, weil ansonsten der Schutz der personenbezogenen Daten Betroffener allzu einfach ausgehöhlt würde. Das bloße Errechnen des Durchschnitts der abgegebenen Bewertungen und das Zugänglichmachen dieser Durchschnittsbewertungen ist nicht ausreichend, um bei einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 9 Abs 1 DSG (vgl Art 85 Abs 2 DSGVO) eine Ausnahme von den Kapiteln II bis VII und IX der DSGVO zu rechtfertigen.

Hinweis:

Dieses Ergebnis entspricht der Rsp des dt BGH, der – noch vor Inkrafttreten der DSGVO – auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung die Erhebung, Speicherung und Ermittlung personenbezogener Daten einer Lehrerin im Rahmen eines Bewertungsforums im Internet als zulässig beurteilt hat (BGB VI ZR 196/08, www.spickmich.de).

In der Pressemitteilung auf seiner Homepage (www.ogh.gv.at) weist der OGH allerdings auch darauf hin, dass bei anders gestalteten Bewertungsplattformen als der vorliegenden App ein Verfahren auch anders ausgehen könnte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32115 vom 23.02.2022