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DSGVO: Datenverarbeitung zwecks Direktwerbung per Post

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSG: § 1

DSGVO: Art 4, Art 6

GRC: Art 11, Art 15, Art 16

Der Datenschutzbeschwerde der Mitbeteiligten liegt zugrunde, dass die Revisionswerberin, eine Immobilientreuhänderin, in einem an sie persönlich adressierten Schreiben ihr Kaufinteresse an einer bestimmten Liegenschaft bekundet und darin angegeben habe, ihre Kontaktdaten aus dem Grundbuch entnommen zu haben. Nach den Feststellungen des BVwG ergibt sich aus dem Grundbuch das Alleineigentum der Mutter der Mitbeteiligten; in der Urkundensammlung ist ein Einantwortungsbeschluss (nach dem Tod des Vaters der Mitbeteiligten) abrufbar, dem sich eine Erbsentschlagungserklärung der Mitbeteiligten entnehmen lässt.

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist in einem Fall, der (wie vorliegend) in den Anwendungsbereich der DSGVO fällt, eine Datenverarbeitung auch dann nicht vom Recht auf Schutz personenbezogener Daten ausgenommen, wenn es sich um allgemein verfügbare Daten iSd § 1 Abs 1 zweiter Satz DSG handeln sollte. Beim Auslesen von Daten aus der Urkundensammlung des Grundbuchs und der Verwendung dieser Daten zum Zweck der Bekanntgabe eines Kaufinteresses an die betroffene Person, handelt es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten iSd Art 4 Z 2 DSGVO.

Ausgehend davon ist das BVwG zutreffend davon ausgegangen, dass für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Erlaubnistatbestand des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO erfüllt sein muss (Erforderlichkeit der Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern).

Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Direktwerbung kann zwar einem berechtigten Interesse des Verantwortlichen dienen (siehe Erwägungsgrund 47 zur DSGVO sowie - darauf Bezug nehmend - EuGH C-252/21, Rn 115, RdW 2023/437). Allerdings ist für den VwGH eine unbedingte Erforderlichkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten zur Bekanntgabe eines Kaufinteresses an einer Liegenschaft in einem Fall wie hier nicht ersichtlich, in dem der betroffenen Person, deren Daten verarbeitet wurden, kein Eigentum an dieser Liegenschaft und keine Verfügungsberechtigung zukommt. Daran vermag auch das verwandtschaftliche Verhältnis der Betroffenen zur Grundstückseigentümerin bzw eine mögliche Informationsweitergabe (von der Betroffenen an die Grundstückseigentümerin) nichts zu ändern. Die Revisionswerberin zeigt auch nicht auf, inwieweit sich aus den Grundrechte nach Art 11 GRC (Freiheit der Meinungsäußerung), Art 15 GRC (Berufsfreiheit) und Art 16 GRC (unternehmerische Freiheit) eine Notwendigkeit ergäbe, personenbezogene Daten der Mitbeteiligten (als einer vom Kaufinteresse der Revisionswerberin nicht unmittelbar betroffenen Person) zu verarbeiten.

Daraus, dass im (damals noch maßgeblichen) TKG 2003 (siehe nunmehr § 174 TKG 2021) die Zusendung elektronischer Post zu Zwecken der Direktwerbung ohne vorherige Einwilligung des Empfängers für unzulässig erklärt wurde, nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Zusendung einer persönlich adressierten Werbung per Post ohne Einwilligung aus datenschutzrechtlicher Sicht jedenfalls zulässig wäre.

Ausgehend davon ist die Beurteilung des BVwG nicht zu beanstanden, dass die Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO für eine Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung fallbezogen nicht erfüllt seien.

VwGH 1. 2. 2024, Ro 2021/04/0016

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35410 vom 08.05.2024