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EuGH: DSGVO – Angabe der Geschlechtsidentität bei Fahrscheinerwerb

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSGVO: Art 5, Art 6, Art 21

Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach Art 6 DSGVO rechtmäßig, wenn sie „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich [ist] ...“ (Art 6 Abs 1 Unterabs 1 Buchst b DSGVO), oder wenn sie „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich [ist], sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, [...]“ (Art 6 Abs 1 Unterabs 1 Buchst f DSGVO). Nach dem Grundsatz der Datenminimierung (Art 5 Abs 1 Buchst c DSGVO) müssen diese Daten auch dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein. Mit diesem Grundsatz wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck gebracht.

Bei Auslegung von Art 6 Abs 1 Unterabs 1 Buchst b und f iVm Art 5 Abs 1 Buchst c DSGVO kommt der EuGH zu folgendem Ergebnis:

-Die Verarbeitung personenbezogener Daten hinsichtlich der Anrede der Kunden eines Transportunternehmens, die darauf abzielt, die geschäftliche Kommunikation aufgrund ihrer Geschlechtsidentität zu personalisieren, erscheint weder objektiv unerlässlich noch wesentlich für die ordnungsgemäße Erfüllung eines Vertrags und kann daher nicht als für die Erfüllung dieses Vertrags erforderlich angesehen werden.
-Sie kann auch nicht als erforderlich zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen dieser Verarbeitung oder eines Dritten angesehen werden, wenn
  • diesen Kunden bei der Erhebung dieser Daten das verfolgte berechtigte Interesse nicht mitgeteilt wurde; oder
  • diese Verarbeitung nicht innerhalb der Grenzen dessen erfolgt, was zur Verwirklichung dieses berechtigten Interesses unbedingt notwendig ist; oder
  • in Anbetracht aller relevanten Umstände die Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Kunden gegenüber diesem berechtigten Interesse überwiegen können, insb wegen der Gefahr einer Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität.

Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Verarbeitung personenbezogener Daten iSd Art 6 Abs 1 Unterabs 1 Buchst f DSGVO ist nicht zu berücksichtigen, dass die betroffene Person möglicherweise nach Art 21 DSGVO ein Widerspruchsrecht hat.

EuGH 9. 1. 2025, C-394/23, Mousse

Zu einem französischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36285 vom 14.01.2025