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EuGH: Filesharing – Haftung des Inhabers des Internetanschlusses?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2001/29/EG: Art 3, Art 8

RL 2004/48/EG: Art 3

Es verstößt gegen Unionsrecht, wenn im nationalen Recht vorgesehen ist, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.

EuGH 18. 10. 2018, C-149/17, Bastei Lübbe

Ausgangslage

Zu einem deutschen Vorabentscheidungsersuchen.

Nach deutschem Recht spricht eine Vermutung für eine Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses, über den eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, weil er durch seine IP-Adresse zutreffend identifiziert wurde und zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keinen anderen Personen der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war.

Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn anderen Personen der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war. Außerdem kann sich dieser Inhaber, wenn ein Familienmitglied eine Zugriffsmöglichkeit hatte, wegen des Grundrechts auf Schutz des Familienlebens durch die bloße Angabe dieses Familienmitglieds seiner Haftung entziehen, ohne dass er verpflichtet wäre, nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Internetanschlusses durch das Familienmitglied mitzuteilen.

Entscheidung

Wenn das mit einer Haftungsklage befasste nationale Gericht daran gehindert wird, auf Antrag des Kl die Vorlage und Erlangung von Beweismitteln zu verlangen, die Familienmitglieder der gegnerischen Partei betreffen, werden die Feststellung der behaupteten Urheberrechtsverletzung und die Identifizierung des Täters unmöglich gemacht. Dies hat zur Folge, dass es zu einer qualifizierten Beeinträchtigung des geistigen Eigentums und der Grundrechte des Urheberrechtsinhabers auf einen wirksamen Rechtsbehelf kommt und infolgedessen dem Erfordernis nicht genügt wird, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Grundrechten zu gewährleisten (vgl EuGH 16. 7. 2015, Coty Germany, C–580/13, EU:C:2015:485, Rn 41, Rechtsnews 19901).

Im vorliegenden Fall gewährt das nationale Recht den Familienmitgliedern des Inhabers des Internetanschlusses einen quasi absoluten Schutz; es ist daher entgegen den Anforderungen des Art 8 Abs 1 der RL 2001/29/EG nicht hinreichend wirksam und ermöglicht nicht die Verhängung einer wirksamen und abschreckenden Sanktion gegen den Zuwiderhandelnden.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Art 8 Abs 1 und 2 der RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft iVm ihrem Art 3 Abs 1 einerseits und Art 3 Abs 2 der RL 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums andererseits sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren streitigen in der Auslegung durch das zuständige nationale Gericht entgegenstehen, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26201 vom 19.10.2018