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EuGH: Register der Straßenverkehrsdelikte – Datenschutz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSGVO: Art 5, Art 6, Art 10, Art 85

Die öffentliche Einrichtung, die das Register der Strafpunkte von Fahrzeugführern wegen Verkehrsverstößen führt, darf nicht durch eine nationale Regelung verpflichtet werden, diese Daten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne dass die Person, die den Zugang beantragt, ein besonderes Interesse am Erhalt dieser Daten nachzuweisen hat. Einer solchen nationalen Regelung stehen die Bestimmungen der DSGVO entgegen (insb Art 5 Abs 1, Art 6 Abs 1 Buchst e und Art 10 DSGVO). Angesichts insb der Sensibilität der Daten über Strafpunkte für Verkehrsverstöße und der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten bei einer Offenlegung dieser Daten ist davon auszugehen, dass diese Rechte dem Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu amtlichen Dokumenten vorgehen, insb wie hier dem Zugang zum nationalen Register für Fahrzeuge und Fahrzeugführer. Aus demselben Grund rechtfertigt auch das Recht auf Informationsfreiheit (Art 85 DSGVO) nicht eine Übermittlung personenbezogener Daten über Strafpunkte für Verkehrsverstöße an jede Person, die sie beantragt, und darf die registerführende öffentliche Einrichtung diese Daten auch nicht Wirtschaftsteilnehmern zur Weiterverwendung übermitteln.

EuGH 22. 6. 2021, C-439/19, Latvijas Republikas Saeima (Points de pénalité)

Zu einem lettischen Vorabentscheidungsersuchen.

Entscheidung

Da im Ausgangsfall eine große Zahl von Rechtsverhältnissen vor der nationalen Regelung betroffen ist, überlegt das vorlegende lettische Verfassungsgericht, die Rückwirkung seines Urteils zu beschränken, um eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechte anderer zu verhindern; es möchte daher vom EuGH wissen, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar wäre.

Dazu hält der EuGH fest, dass nur der EuGH selbst direkt in seiner Vorabentscheidung eine solche Beschränkung vornehmen kann - und dies auch nur, wenn zwei grundlegende Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (vgl etwa EuGH 6. 3. 2007, C-292/04, Meilicke, ARD 5761/19/2007). Die zeitlichen Wirkungen einer Vorabentscheidung des EuGH können daher weder vom Zeitpunkt der Verkündung des Urteils abhängen, mit dem das vorlegende Gericht endgültig über das Ausgangsverfahren entscheidet, noch von dessen Beurteilung der Notwendigkeit, die Rechtswirkungen der fraglichen nationalen Regelung aufrechtzuerhalten. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts dürfen nämlich Vorschriften des nationalen Rechts, auch wenn sie Verfassungsrang haben, die einheitliche Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen.

Da im vorliegenden Fall das Bestehen einer Gefahr schwerwiegender Störungen aufgrund der Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH nicht dargetan ist, hat der EuGH die Wirkungen seines Urteils hier nicht zeitlich begrenzt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31096 vom 25.06.2021