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EuGH: Sendeunternehmen – gerechter Ausgleich

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2001/29/EG: Art 2, Art 5

Art 2 RL 2001/29/EG (MultimediaRL = InfoSocRL = UrheberrechtsRL) regelt das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern (Buchst a bis e), wobei diese Kategorien nicht unterschiedlich behandelt werden. In den Mitgliedstaaten, die die Ausnahme für Privatkopien umgesetzt haben, muss daher – wie den anderen Rechtsinhabern nach Buchst a bis d – auch den Sendeunternehmen iSv Art 2 Buchst e MultimediaRL in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen grds der Anspruch auf einen gerechten Ausgleich nach Art 5 Abs 2 Buchst b MultimediaRL zuerkannt werden, wenn die Vervielfältigung der Aufzeichnungen ihrer Sendungen durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke erfolgt.

Da die Bestimmungen der RL 2001/29/EG keine genaueren Angaben zu den verschiedenen Elementen des Systems des gerechten Ausgleichs enthalten, verfügen die Mitgliedstaaten bei ihrer Festlegung über ein weites Ermessen; sodass nach dem 35. Erwägungsgrund der RL und der Rsp des EuGH in bestimmten Situationen, in denen dem Rechtsinhaber nur ein geringfügiger Nachteil entstünde, gegebenenfalls auch kein Anspruch auf einen gerechten Ausgleich bestehen kann.

Eine nationale Regelung, die alle Sendeunternehmen von dem gerechten Ausgleich ausschließt, erfüllt die Anforderungen von Art 5 Abs 2 Buchst b MultimediaRL allerdings nur unter einer doppelten Voraussetzung: Zum einen muss das nationale Gericht anhand objektiver Kriterien sicherstellen, dass die Sendeunternehmen im Unterschied zu den anderen Kategorien von Rechtsinhabern lt Art 2 MultimediaRL durch die verbotene Vervielfältigung der Aufzeichnungen ihrer Sendungen nur einen „geringfügigen“ Nachteil erleiden. Zum anderen muss es anhand objektiver Kriterien prüfen, ob sich innerhalb der Kategorie der Sendeunternehmen alle Sendeunternehmen, insb im Hinblick auf den Nachteil, den sie erleiden, in einer vergleichbaren Situation befinden.

Eine nationalen Regelung, die Sendeunternehmen grds vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich iS dieser Bestimmung ausschließt – also auch soweit der potenzielle Schaden für die Sendeunternehmen nicht nur „geringfügig“ ist –, verstößt gegen Art 5 Abs 2 Buchst b MultimediaRL.

EuGH 23. 11. 2023, C-260/22, Seven.One Entertainment Group

Zu einem deutschen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34783 vom 28.11.2023