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EuGH: Verkauf „gebrauchter“ E-Books – Zustimmung des Urhebers?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2001/29/EG: Art 3

Nach Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG [zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft] steht den Urhebern das ausschließliche Recht zu, „die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten“.

Die Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen (hier: im Rahmen eines „Leseklubs“, für den sich jeder Interessent registrieren kann) fällt unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ und insb unter den Begriff der „Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind“. Somit stellt der Verkauf „gebrauchter“ E-Books über eine Website eine öffentliche Wiedergabe dar, die der Erlaubnis des Urhebers bedarf.

EuGH 19. 12. 2019, C-263/18, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers

Ausgangsfall

Zu einem niederländischen Vorabentscheidungsersuchen.

Der Leseklub von Tom Kabinet bietet seinen Mitgliedern gegen Zahlung einer Geldsumme ‚gebrauchte‘ E-Books an, die entweder von Tom Kabinet gekauft worden sind oder die Mitglieder dieses Klubs diesem schenkungsweise abgegeben haben. In diesem Fall müssen die Mitglieder den Download-Link des betreffenden Buches zur Verfügung stellen und erklären, dass sie keine Kopie dieses Buches aufbewahrt haben. Tom Kabinet lädt dann das E-Book von der Website des Händlers herunter und bringt sein eigenes digitales Wasserzeichen an, wodurch bestätigt werden soll, dass es sich um ein rechtmäßig erworbenes Exemplar handelt.

Ursprünglich konnten die über den Leseklub verfügbaren E-Books zu einem festen Preis von € 1,75 pro E-Book gekauft werden. Nach der Bezahlung konnte das Mitglied das E-Book von der Website von Tom Kabinet herunterladen und später an diesen zurückverkaufen. Für die Mitgliedschaft im Leseklub musste das Mitglied einen monatlichen Beitrag von € 3,99 zahlen. Stellte ein Mitglied ein E-Book kostenlos zur Verfügung, erhielt es einen Preisnachlass von € 0,99 Euro auf den Mitgliedsbeitrag für den folgenden Monat.

Seit 18. 11. 2015 beträgt der Preis für jedes E-Book und für die Mitgliedschaft im Leseklub ist kein monatlicher Beitrag mehr zu entrichten. Die Mitglieder des Leseklubs benötigen jedoch „Credits“ (Guthabenpunkte), um im Leseklub ein E-Book erhalten zu können; diese Guthabenpunkte werden durch die Schenkung oder den Verkauf eines E-Books erworben bzw auch bei der Bestellung.

Entscheidung

Unstrittig ist, dass Tom Kabinet die E-Books jeder Person zur Verfügung stellt, die sich auf der Website des Leseklubs registriert, und dass diese Person von einem Ort und zu einer Zeit ihrer Wahl darauf zugreifen kann. Die Bereitstellung eines solchen Dienstes ist als Wiedergabe eines Werks iSv Art 3 Abs 1 der RL 2001/29/EG anzusehen, ohne dass es hierfür erforderlich wäre, dass diese Person diese Möglichkeit wahrnimmt, indem sie das E-Book tatsächlich von dieser Website abruft.

Im Hinblick auf den Umstand, dass jeder Interessent Mitglied im Leseklub werden kann und dass auf der Plattform dieses Klubs eine technische Maßnahme fehlt, die garantieren kann, dass nur eine Kopie eines Werks während des Zeitraums heruntergeladen werden kann, in dem der Nutzer eines Werks tatsächlich Zugang zu diesem hat, und dass der Nutzer nach Ablauf dieser Frist die heruntergeladene Kopie nicht mehr nutzen kann (vgl EuGH 10. 11. 2016, Vereniging Openbare Bibliotheken, C-174/15, EU:C:2016:856, Rechtsnews 22619), ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Anzahl der Personen erheblich ist, die über diese Plattform parallel oder nacheinander Zugang zu demselben Werk haben können. Somit sind vorbehaltlich einer Nachprüfung durch das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände die E-Books als öffentlich wiedergegeben iSv Art 3 Abs 1 der RL 2001/29 anzusehen.

Da im vorliegenden Fall die Zugänglichmachung eines E-Books im Allgemeinen mit einer Nutzungslizenz einhergeht, die nur das Lesen des E-Books durch den Benutzer gestattet, der das E-Book mit seinem eigenen Gerät heruntergeladen hat, ist davon auszugehen, dass eine Wiedergabe, wie sie von Tom Kabinet vorgenommen wird, für ein Publikum vorgenommen wird, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht bereits gedacht hatten, dh für ein neues Publikum iSd der EuGH-Rsp.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Die Überlassung eines E‑Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen fällt unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ und insb unter den Begriff der „Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind“, iS von Art 3 Abs 1 der RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28460 vom 20.12.2019