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EuGH: Video-Sharing-Plattform – öffentliche Wiedergabe?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2000/31/EG: Art 14

RL 2001/29/EG: Art 3, Art 8

Eingangs weist der EuGH ausdrücklich darauf hin, dass seine Auslegungen im vorliegenden Fall noch nicht Art 17 RL (EU) 2019/790 [über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt] betreffen. Darin wird ausführlich die “Nutzung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ geregelt. Handlungen und Rechte, die vor dem 7. 6. 2021 abgeschlossen bzw erworben wurden, bleiben von der RL (EU) 2019/790 unberührt.

Die Ausgangsfälle betreffen eine Video-Sharing-/Sharehosting-Plattform, auf der Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können. Zur Rechtslage vor dem 7. 6. 2021 stellt der EuGH klar, dass seitens des Betreibers einer solchen Plattform keine „öffentliche Wiedergabe“ dieser Inhalte iSd Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG (UrheberrechtsRL; MultimediaRL; InfoSocRL) erfolgt, sofern dieser über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus nicht dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen. Ein Beitragen wäre jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Betreiber von einer Rechtsverletzung konkret Kenntnis hat und den betreffenden Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt, oder wenn er weiß oder wissen müsste, dass Nutzer im Allgemeinen geschützte Inhalte über die Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich machen, und nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation bei Beachtung der üblichen Sorgfalt erwartet werden können.

Von der Haftungsbefreiung des Art 14 Abs 1 RL 2000/31/EG (RL über den elektronischen Geschäftsverkehr) ist der Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform nach Buchst a ausgeschlossen, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat. Hatte er keine Kenntnis, kann das nationale Recht hinsichtlich eines Rechtsbehelfs nach Art 8 Abs 3 RL 2001/29/EG grds verlangen, dass der Urheberrechtsinhaber diese Rechtsverletzung vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zunächst dem Betreiber meldet und eine gerichtliche Anordnung erst erlangen kann, wenn der Diensteanbieter nicht unverzüglich tätig geworden ist, um den fraglichen Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sperren und dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen. Eine derartige nationale Regelung darf allerdings nicht dazu führen, dass die tatsächliche Beendigung der Rechtsverletzung derart verzögert wird, dass dem Rechtsinhaber unverhältnismäßige Schäden entstehen. Hierbei sind die Schnelligkeit und die geografische Ausbreitung zu berücksichtigen, mit denen solche Schäden iVm den Diensten der Informationsgesellschaft entstehen können.

EuGH 22. 6. 2021, C-682/18 und C-683/18, YouTube

Zu zwei deutschen Vorabentscheidungsersuchen.

Entscheidung

Als weitere Fälle, in denen seitens des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform eine „öffentliche Wiedergabe“ iSd Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG (UrheberrechtsRL) erfolgt, nennt der EuGH, wenn der Betreiber an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.

Zur Frage der Haftungsbefreiung hält der EuGH fest, dass die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform in den Anwendungsbereich des Art 14 Abs 1 RL 2000/31/EG (RL über den elektronischen Geschäftsverkehr) fällt, sofern dieser Betreiber keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft. Ein solcher Betreiber ist nur dann gem Art 14 Abs 1 Buchst a RL 2000/31/EG von der Haftungsbefreiung des Art 14 Abs 1 RL 2000/31/EG ausgeschlossen, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat, die damit zusammenhängen, dass geschützte Inhalte auf seine Plattform hochgeladen wurden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31095 vom 25.06.2021