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EuGH: Vorratsspeicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

GRC: Art 7, Art 8, Art 11, Art 52

RL 2002/58/EG idF RL 2009/136/EG: Art 15

RL 2003/6/EG: Art 12

VO (EU) 596/2014: Art 23

Art 12 Abs 2 Buchstabe a und d RL 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie; aufgehoben und ersetzt durch die Marktmissbrauchsverordnung) und Art 23 Abs 2 Buchstaben g und h VO (EU) 596/2014 (Marktmissbrauchsverordnung) iVm Art 15 Abs 1 RL 2002/58/EG idF RL 2009/136/EG (e-Datenschutz-RL) und im Licht der Art 7, 8, 11 und Art 52 Abs 1 GRC stehen einer gesetzlichen Regelung entgegen, die zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, ua von Insidergeschäften, präventiv eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der Verkehrsdaten für ein Jahr ab dem Zeitpunkt der Speicherung vorsieht.

Nicht in ihren zeitlichen Wirkungen beschränken darf ein nationales Gericht die nach nationalem Recht zu treffende Feststellung, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, mit denen die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation zur allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung der Verkehrsdaten verpflichtet werden und nach denen solche Daten ohne vorherige Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Behörde an die zuständige Finanzaufsichtsbehörde übermittelt werden können, wegen ihrer Unvereinbarkeit mit Art 15 Abs 1 e-Datenschutz-RL im Licht der GRC ungültig sind.

Die Verwertbarkeit von Beweismitteln, die aufgrund einer unionsrechtswidrigen Vorratsspeicherung von Daten erlangt wurden, unterliegt nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dem nationalen Recht – vorbehaltlich der Beachtung ua der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Der Effektivitätsgrundsatz verpflichtet ein nationales Strafgericht dazu, im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Personen, die im Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben, Informationen und Beweise auszuschließen, die durch eine mit dem Unionsrecht unvereinbare allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten oder durch einen unionsrechtswidrigen Zugang der zuständigen Behörde zu den fraglichen Daten erlangt wurden, sofern diese Personen nicht in der Lage sind, sachgerecht zu den Informationen und Beweisen Stellung zu nehmen, die einem Bereich entstammen, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügt, und geeignet sind, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen.

EuGH 20. 9. 2022, C-339/20 und C-397/20, VD

Zu französischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33065 vom 21.09.2022