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Freie Werknutzung – Berichterstattung über Tagesereignisse

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UrhG: § 42c

Gemäß § 42c UrhG dürfen zur Berichterstattung über Tagesereignisse Werke, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden. Da das freie Werknutzungsrecht nach § 42c UrhG nur für Werke gilt, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, lässt sich aus dieser Norm nach gefestigter Rsp des Senats keine allgemeine Rechtfertigung für die Verwertung von Lichtbildern ableiten, die (selbst) Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen (hier: Lichtbilder, die das Tagesereignis Stromausfall abbilden und auf einem Twitter-Account veröffentlicht wurden).

Die Mitgliedstaaten können zwar gem Art 5 Abs 3 lit c zweiter Fall RL 2001/29/EG (MultimediaRL = InfoSocRL = UrheberrechtsRL) die Nutzung von Werken „iVm der Berichterstattung über Tagesereignisse“ vorsehen, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern nach Möglichkeit der Umstände die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird. Diese Bestimmung der RL führt aber eindeutig keine Vollharmonisierung durch (so auch EuGH C-469/17 Rn 54, RdW 2019/606, und C-516/17 Rn 27, 39, RdW 2019/479). Daher spricht ihr Wortlaut auch nicht gegen die vom österreichischen Gesetzgeber geforderte Art der Verbindung, die überdies in Einklang mit Art 10 bis Abs 2 der Berner Übereinkunft (Pariser Fassung) zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst steht.

OGH 25. 1. 2024, 4 Ob 120/23k

Sachverhalt

Der Kl beobachtete zufällig, wie bei einem Stromausfall mehrere Personen aus diversen Fahrgeschäften eines Vergnügungsparks befreit wurden. Er machte davon einige Fotos mit seinem Handy und veröffentlichte sie auf seinem Twitter-Account.

Ein Mitarbeiter des bekl Rundfunks ersuchte den Kl um Erlaubnis, die Bilder für einen Bericht über den Stromausfall in einer Nachrichtensendung verwenden zu dürfen. Der Kl erteilte die Erlaubnis nicht, weil die Nutzung unentgeltlich erfolgen sollte. Der Bekl sendete die Bilder dennoch und stellte seine Nachrichtensendung auch zum Abruf auf seiner Website bereit.

Der Kl begehrte Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und 4.000 € als angemessenes Entgelt nach § 86 UrhG.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der Bekl könne sich nicht auf ein freies Werknutzungsrecht nach § 42c UrhG berufen, weil die Fotos des Kl nicht bei der Berichterstattung über ein Tagesereignis wahrnehmbar geworden seien. Außerdem fehle es am Informationszweck, weil ein Bericht über den Stromausfall im Bezirk auch ohne die Lichtbilder des Kl möglich gewesen wäre.

Der OGH hat die dagegen erhobene außerordentliche Revision gem § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Entscheidung

Gestützt auf die RL 2001/29/EG (InfoSocRL) argumentiert der Bekl, eine Wahrnehmbarkeit bei der Berichterstattung wie nach § 42c UrhG sei nach dem Unionsrecht kein Erfordernis, die österreichische Judikatur sei deshalb durch die neuere Rsp des EuGH überholt. Der BGH habe seine Linie zum vergleichbaren § 50 dUrhG bereits geändert.

In den vom Revisionswerber genannten Fällen [gemeint offenbar] C-516/17, Spiegel Online (=  BGH I ZR 139/15, „Reformistischer Aufbruch“) und C-469/17, Funke Mediengruppe (= BGH I ZR 139/15, „Afghanistan Papiere“) hatte der EuGH Vorabentscheidungsersuchen des BGH zu § 50 dUrhG zu beantworten. Diese Norm lässt zur Berichterstattung über Tagesereignisse – in einem durch den Zweck gebotenen Umfang – die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zu, die im Verlauf dieser Ereignisse „wahrnehmbar“ werden. Die nationale Regelung in Deutschland ist daher deutlich weiter als in Österreich, weil das freie Werknutzungsrecht nach § 42c UrhG nur für Werke gilt, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, „öffentlich wahrnehmbar“ werden.

Entsprechend lässt sich nach gefestigter Rsp des Senats aus dieser Norm keine allgemeine Rechtfertigung für die Verwertung von Lichtbildern ableiten, die (selbst) Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen (4 Ob 53/19a [Pkt 1.1] mwN, Rechtsnews 28036).

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass nicht nur die nationalen Normen sich unterscheiden, sondern auch die Sachverhalte der Ausgangsverfahren beim BGH keine Ähnlichkeit mit der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation haben. In diesen beiden Fällen war das Tagesereignis nämlich die Existenz und Verbreitung bzw die konkrete Formulierung eines Textes, den die Medien im Zuge dieser Berichterstattung jeweils auch in voller Länge veröffentlichten. Anders als Lichtbilder des Kl, die nur das Tagesereignis Stromausfall abbilden, waren also beim BGH die urheberrechtlich geschützten Werke selbst das Thema der Berichterstattung und damit das Tagesereignis iSd § 50 dUrhG.

Schließlich betont der Bekl, dass es laut EuGH keine außerhalb der Art 5 Abs 2 und 3 InfoRL liegenden, verfassungsunmittelbaren freien Nutzungen geben könne (unter Verweis auf C-469/17 Rn 64 und C-516/17 Rn 49). Dieses Argument spielte aber jedenfalls für die klagsstattgebende Entscheidung des BerufungsG keine Rolle. Auch die Revision stellt keinen erkennbaren Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Sachverhalt her. Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des OGH (RS0111271 [T2]; RS0002495).

Ob die weiteren Voraussetzungen für eine freie Werknutzung vorliegen, insb ob der Informationszweck im vorliegenden Fall die freie Werknutzung rechtfertige, kann daher dahinstehen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35120 vom 28.02.2024