Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der jusIT erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Um patent- bzw gebrauchsmusterschutzfähig zu sein, muss der beanspruchte Gegenstand technischen Charakter aufweisen. Nach der gefestigten Rsp des Europäischen Patentamts (EPA) und seiner Beschwerdekammern ist die Frage der Technizität eines Anspruchsgegenstands unabhängig von der Frage seiner Neuheit und Erfindungshöhe zu prüfen. Sie ist in einem ersten Schritt gesondert zu untersuchen, und zwar ohne Rücksicht auf den Stand der Technik.
Nach der Rsp liegt Technizität eines Erfindungsmerkmals vor, wenn es einem technischen Zweck dient. Technizität eines aus mehreren Merkmalen zusammengesetzten Anspruchsgegenstands kann bereits dann vorliegen, wenn ein einziges Merkmal technisch ist – auch wenn es aus dem Stand der Technik bereits bekannt sein sollte. In der Entscheidung EPA T 1930/06 wurde etwa der technische Charakter eines Online-Bestellsystems mit der Begründung bejaht, dass sich dieses System technischer Mittel bedient (Rechner, Kommunikationsverbindungen, Datenspeicher, Fax-Generator).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Technizität bzw Nicht-Technizität von Anspruchsmerkmalen nach der Judikatur des EPA auch bei der Beurteilung der Erfindungshöhe eines Anspruchsgegenstands zu berücksichtigen ist: Bei einer Erfindung, die aus einer Mischung technischer und nicht-technischer Merkmale besteht (und wegen des genannten „any technical means“-Ansatzes als Ganzes technischen Charakter aufweist), sind bei Beurteilung des Erfordernisses der erfinderischen Tätigkeit alle Merkmale zu berücksichtigen, die zu diesem technischen Charakter beitragen, während Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können (EPA T 641/00 COMVIK; T 154/04 DUNS).
Entscheidung
Beantragt wurde im Anlassfall die Registrierung des Gebrauchsmusters mit dem Titel „Verfahren und Kontrollsystem zur Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen“ (an einem Arbeitsplatz). Die Technische Abteilung des Patentamts wies die Anmeldung im Rahmen der Gesetzmäßigkeitsprüfung nach § 18 GMG zurück, weil die Verwaltung von Daten und die Automatisierung eines organisatorischen Ablaufs nach vorgegebenen Richtlinien nicht „technisch“ seien. Das RekursG bestätigte diese Entscheidung; Programme für Datenverarbeitungsanlagen seien nach § 1 Abs 3 GMG nicht schutzfähig.
Diese Entscheidung des RekursG hielt der Überprüfung durch den OGH jedoch nicht stand:
Hinsichtlich der Technizität ist in Bezug auf computerimplementierte Erfindungenzu beachten, dass „Programmlogiken“ ausdrücklich gebrauchsmusterfähig sind (§ 1 Abs 2 GMG), während Programme für Datenverarbeitungsanlagen nur „als solche“ vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sind (§ 1 Abs 3 Z 3 und Abs 4 GMG). Das Technizitätserfordernis gilt auch für Programmlogiken und „Nicht-als-solche“-Computerprogramme. Im Anlassfall ist der Gegenstand der begehrten Gebrauchsmusteransprüche weder ein Computerprogramm noch eine Programmlogik, sondern ein „Kontrollsystem“, dh eine „Vorrichtung“. Die Fälle des § 1 Abs 2 und § 1 Abs 3 Z 3 und Abs 4 GMG sind daher nicht einschlägig und müssen demnach nicht geprüft werden.
Technizität der im Hauptanspruch 1 beanspruchten Vorrichtung „Kontrollsystem“ liegt hier bereits durch die notorische Technizität der darin zitierten Vorrichtungskomponenten „Datenbank, Kommunikationseinrichtung, Terminal, Prozessor, Display, weiteres Terminal und weiterer Prozessor“ vor; dies gilt auch für die Unteransprüche 2 bis 5, die diese Komponenten mitenthalten.
Im fortgesetzten Anmeldeverfahren wird der Recherchenbericht (§ 19 GMG) zu erstellen und anschließend über die Veröffentlichung und Registrierung des Gebrauchsmusters (§ 20 GMG) zu entscheiden sein. Für die Erstellung des Recherchenberichts weist der OGH darauf hin, dass besonderes Augenmerk darauf zu legen sein wird, dass iSd erwähnten Rsp zum „COMVIK-Ansatz“ jene Merkmale der Ansprüche, die zum technischen Charakter der Erfindung keinen Beitrag leisten, auch zum erfinderischen Schritt der Anspruchsgegenstände nicht beitragen können.