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Im vorliegenden Wettbewerbsverfahren macht die Kl Ansprüche wegen irreführender Werbung im Internet geltend. Die Bekl sind in Deutschland ansäßig; ihre Werbemaßnahmen wirken sich auf den österreichischen Markt aus. Die Kl hat im November 2020 im Rahmen eines Asset Deals sämtliche Vermögenswerte einer insolventen Gesellschaft aus dem Firmengeflecht der Bekl übernommen und führt den Webshop dieser Gesellschaft fort. Die Zweitbekl macht ua Werbung mit Kundenbewertungen, die zu diesem Webshop abgegeben worden sind.
Bei Ansprüchen wegen irreführender Werbung im Internet ist nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO das Recht jenes Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Maßgebend ist daher, auf welchem Markt sich das beanstandete Verhalten auswirkt (Marktort). Bei Werbemaßnahmen kommt es dabei auf den (tatsächlichen oder wahrscheinlichen) Ort des Einwirkens auf die Marktgegenseite an.
Gegen die Unterlassungsverfügungen der Vorinstanzen im Provisorialverfahren bringt die Zweitbekl ua vor, dass Online-Werbung ein Dienst der Informationsgesellschaft iSd § 3 Z 1 ECG ist, für den sich die rechtlichen Anforderungen nach dem Recht des Mitgliedstaats richten, in dem der Diensteanbieter niedergelassen ist (Herkunftslandprinzip des § 20 Abs 1 ECG). Damit zeigt sie jedoch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung auf: Soweit – wie hier – das Herkunftslandprinzip der E-CommerceRL (Art 3 RL 2000/31/EG) anwendbar ist, darf die Anwendung des Rechts des Marktorts iSv Art 6 Abs 1 Rom II-VO zu keinen strengeren Anforderungen führen, als sie im Recht jenes Staats vorgesehen sind, in dem der Diensteanbieter niedergelassen ist. Im vorliegenden Fall beruhen die relevanten Normen beider Rechte (Österreich und Deutschland) auf einer gemeinsamen unionsrechtlichen Grundlage, nämlich der RL über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG). Da diese RL nicht bloß Mindeststandards vorsieht, sondern das verbraucherschützende Lauterkeitsrecht vollständig harmonisiert, ist nicht davon auszugehen, dass das Recht des Herkunftslandes dem Diensteanbieter mehr Freiheiten gestattet als jenes des Marktorts iSv Art 6 Abs 1 Rom II-VO. Tatsächlich sind die Irreführungstatbestände des § 2 UWG und des § 5 dUWG im Wesentlichen gleichlautend. Die Anwendung des österreichischen Rechts durch die Vorinstanzen ist daher nicht zu beanstanden.
Keine Bedenken hegt der OGH auch gegen die Beurteilung des RekursG, dass die Bezugnahme der Zweitbekl in ihrer Eigenwerbung auf Kundenbewertungen der Insolvenzgesellschaft (deren Assets die Kl übernommen hat) irreführend sei. Für den Durchschnittsverbraucher sind die Anzahl der Bewertungen für ein Unternehmen auf einer Bewertungsplattform sowie der Bewertungszeitraum von maßgeblicher Bedeutung: Je mehr Bewertungen über einen längeren Zeitraum abgegeben wurden, desto aussagekräftiger ist das Bewertungsergebnis; außerdem wird dem Kunden durch einen längeren Bewertungszeitraum auch eine gewisse Stabilität des bewerteten Unternehmens vermittelt. Der durchschnittliche Verbraucher verlässt sich darauf, dass die Bewertungen, die zu einem Unternehmen gelistet sind, auch für dieses Unternehmen abgegeben wurden.