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Markenrechtsverletzung: Negativfeststellung – Rechnungslegungsanspruch

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

MarkSchG: § 55

PatG: § 151

Ordnet der Gesetzgeber – wie hier – ausdrücklich eine Rechnungslegungspflicht für bestimmte Fälle an, ohne auf „erhebliche Schwierigkeiten“ bei der Sachverhaltsermittlung durch den Berechtigten oder eine „Zumutbarkeit“ für den Verpflichteten abzustellen, ist der Anspruch grundsätzlich nur bei rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung zu verneinen.

Eine Negativfeststellung zu den Folgen der Verletzung eines Markenrechts führt nicht zur Verneinung eines damit in Verbindung stehenden Rechnungslegungsanspruchs. Der Umstand, dass im bisherigen Verfahren (noch) nicht festgestellt werden konnte, ob überhaupt Interessenten wegen der rechtswidrigen Verwendung der Marke in den Webshop der Erstbekl gelangten, spricht daher nicht gegen die Berechtigung eines (insoweit) damit korrespondierenden Rechnungslegungsbegehrens.

OGH 30. 6. 2022, 4 Ob 97/22a

Entscheidung

Aufgrund seiner Natur als Hilfsanspruch verlangt die Rsp auch, dass aus dem Vorbringen der Klage und dem festgestellten Sachverhalt zumindest dem Grunde nach Zahlungsansprüche abzuleiten sind (RS0124718). Es würde der „ausforschenden Natur“ des auf § 55 MarkSchG iVm § 151 PatG gestützten Rechnungslegungsanspruchs widersprechen, wenn dieser Anspruch schon wegen einer bloßen Negativfeststellung zu den Grundlagen des Zahlungsbegehrens verneint werden müsste.

Zweck der Rechnungslegungspflicht ist es gerade, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Zahlungsansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen feststellen und geltend machen zu können. Um diesen Zweck zu erreichen, darf der Umfang der Rechnungslegungspflicht nicht allzusehr eingeschränkt werden; er muss nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Falls auf das Verkehrsübliche abgestellt werden (RS0019529). Die Rechnungslegung soll dem Verletzten auch ermöglichen, zu erfahren, ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang sein Markenrecht verletzt wurde, um das genaue Ausmaß der Rechtsverletzung festzustellen (Schachter in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 55 Rz 60).

Zudem ist bei einer Stufenklage das Verfahren über den Rechnungslegungsanspruch vom Verfahren über den Leistungsanspruch getrennt zu führen (4 Ob 243/17i, Spannschloss, Rechtsnews 25546). Es besteht daher grundsätzlich ein Verbot der gleichzeitigen Entscheidung über das Manifestations- und das Zahlungsbegehren (vgl auch 4 Ob 72/20x, Zak 2020/569). Das Rechnungslegungsbegehren ist somit im Allgemeinen unabhängig von der Berechtigung des Leistungsbegehrens zu beurteilen (abgesehen von Grundlagen des Zahlungsbegehrens, die sich mit den Grundlagen der allfälligen Rechnungslegungspflicht decken, vgl 4 Ob 243/17i, Spannschloss, Rechtsnews 25546). Es lässt sich weder aus Art XLII EGZPO noch aus § 55 MarkSchG ableiten, dass der noch unbestimmt erhobene Zahlungsanspruch bereits in der Entscheidung über das Manifestationsbegehren dem Grunde nach geprüft werden muss. Allein durch die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs im Rahmen einer Stufenklage wird der Manifestationsanspruch inhaltlich nicht beschränkt bzw vom Bestehen des damit verbundenen Zahlungsbegehrens („dem Grunde nach“) abhängig gemacht. Die Berechtigung des Rechnungslegungsbegehrens richtet sich demnach nur nach seinem Inhalt.

Wegen des ausforschenden Charakters des Rechnungslegungsbegehrens geht der Einwand der Erstbekl ins Leere, dass die Kl durch ihr „unspezifiziertes Rechnungslegungsbegehren einen unzulässigen Erkundungsbeweis erwirken wollen“. Ein Begehren auf Rechnungslegung (oder Auskunft) zielt notwendiger Weise auf Erkundung unbekannter Umstände ab. Erst durch die Rechnungslegung kann der Berechtigte Kenntnis von den relevanten Umständen erlangen (in dem Sinn für die vergleichbare Situation bei der Akteneinsicht Dritter: 16 Ok 9/14f, RdW 2015/328; Rassi, Geheimnisschutz bei der Akteineinsicht und Aktenübersendung im Zivilprozess, Zak 2014, 303 f).

Es ist nicht auszuschließen, dass die Vornahme der Rechnungslegung im Vergleich zum Zivilprozess über die Stufenklage neue Erkenntnisse bringt. Während etwa der Verletzer als bekl P im Zivilprozess gegen seinen Willen nicht zur Aussage gezwungen werden kann (§ 380 Abs 3 ZPO), ist ein titelgemäß gedeckter Anspruch auf Rechnungslegung mit den Mitteln des Exekutionsrechts zwangsweise durchsetzbar. Es ist daher durchaus möglich, dass ein Titelgläubiger aus einem Rechnungslegungsbegehren mehr (oder andere) Informationen erhält als der Prozessrichter.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32890 vom 04.08.2022