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Online-Videoplattform – öffentliche Wiedergabe?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ECG: § 16

UrhG: § 18a

RL 2000/31/EG: Art 14

RL 2001/29/EG: Art 3

Die Erstbekl betreibt unter der Domain www.youtube.com eine Online-Videoplattform (YouTube), auf der Videos bereitgehalten werden, die von Nutzern der Plattform hochgeladen wurden und von Besuchern der Plattform abgespielt werden können. Die Erstbekl betreibt ihren Dienst als Host-Service-Provider; sie ist eine Dienstanbieterin, deren Dienstleistungen in der Speicherung von fremden Inhalten besteht, die durch einen Nutzer eingegeben wurden.

Zentrale Problematik des Verfahrens ist, ob die Erstbekl mit YouTube eine öffentliche Wiedergabe iSd Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG (MultimediaRL = InfoSocRL = UrheberrechtsRL) – bzw § 18a UrhG – zu verantworten hat, wenn sie von Nutzern eingestellte, rechtsverletzende Inhalte zum Abruf bereitstellt. Eine öffentliche Wiedergabe ist im Anlassfall deshalb auszuschließen, weil kein aktiver Beitrag der Erstbekl dahingehend vorliegt, dass der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten verschafft wird. Die Erstbekl hat die von der Kl beanstandeten Videos nach Kenntniserlangung von deren Urheberrechten durch Abmahnung jeweils unverzüglich entfernt. Es liegen auch keine sonstigen Umstände iSd E des EuGH im Parallelverfahren C-682/18 und C-683/18, RdW 2021/392, vor. Der EuGH hat klar zum Ausdruck gebracht, dass die Bekl keine öffentliche Wiedergabe und damit auch keinen Eingriff in § 18a UrhG zu verantworten hat. An diese Rechtsansicht ist bei der Prüfung der Revision anzuknüpfen. Demnach hat die Erstbekl keine eigene öffentliche Wiedergabe iSv Art 3 Abs 1 MultimediaRL zu verantworten.

Im Hinblick auf die Kriterien des EuGH im Parallelverfahren für die Haftungsbeschränkung des Art 14 Abs 1 RL 2000/31/EG (EC-RL = E-CommerceRL [Ausschluss der Verantwortlichkeit bei Speicherung fremder Inhalte]), kann sich die Erstbekl auch auf diese Haftungsbefreiung des Art 14 Abs 1 EC-RL (§ 16 ECG) berufen.

OGH 17. 9. 2021, 4 Ob 132/21x

Entscheidung

Die Frage, ob sich die Erstbekl hinsichtlich der Verstöße der Plattform-Nutzer auf die Haftungsbeschränkung des Art 14 Abs 1 EC-RL berufen könne, hat der EuGH im Parallelverfahren dahingehend beantwortet, dass der Betrieb einer Videoplattform in den Anwendungsbereich von Art 14 Abs 1 EC-RL fällt, sofern der Betreiber keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft (Rn 117). Von dieser Haftungsbefreiung sei er nur dann ausgeschlossen, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat (Rn 118). Der EuGH erachtet dafür dieselben Kriterien für relevant wie bei der Prüfung einer öffentlichen Wiedergabe (Rn 107 ff, insb Rn 108). Die Erstbekl kann sich daher auf die Haftungsbefreiung des Art 14 Abs 1 EC-RL (§ 16 ECG) berufen.

Der Umstand, dass die Rechtslage mittlerweile verschärft wurde – Stichwort Upload-Filter nach Art 17 der RL (EU) 2019/790 – kann dahinstehen, weil eine Parallelprüfung stattzufinden hat (RIS-Justiz RS0123158). Demnach ist ein Unterlassungsanspruch nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstößt. Abgesehen davon ist die RL in Österreich noch nicht umgesetzt [Anm d Red: zur Urheberrechts-Novelle 2021 liegt derzeit erst ein ME vor, 143/ME].

Mangels einer Haftung der Erstbekl ist der Unterlassungsanspruch somit unberechtigt, weshalb das BerufungsG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Hinweis:

Im vorliegenden Verfahren hat der Senat zunächst das Revisionsverfahren unterbrochen (Beschluss OGH 28. 5. 2019, 4 Ob 74/19, RdW 2019/342) und ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet (C-500/19).

Da die Umstände dieses Falls jedoch ident sind mit denen eines Vorabentscheidungsersuchens des BGH, der EuGH dieses Parallelverfahren bereits entschieden hat (EuGH 22. 6. 2021, C-682/18 und C-683/18, RdW 2021/392) und eine weitere Klärung der Vorlagefragen nicht mehr erforderlich ist, hat der OGH sein Vorabentscheidungsersuchen zurückgezogen (Beschluss OGH 27. 7. 2021, 4 Ob 132/21x, Rechtsnews 31532) und das Revisionsverfahren nun mit der vorliegenden E beendet.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31712 vom 18.11.2021