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ORF-Beitrag nicht verfassungswidrig

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG: Art 7, Art 18, Art 20

ORF-G: § 31

ORF-Beitrags-Gesetz 2024: § 3, § 10, § 13, § 17

Der VfGH hat die Rechtsfragen iZm dem ORF-Beitrag in seiner Ausgestaltung seit 2024 (Massenverfahren laut Beschluss vom 11. 3. 2025, kundgemacht in BGBl II 2025/49) wie folgt beantwortet:

-§ 3 Abs 1 ORF-Beitrags-Gesetz 2024, der die Beitragspflicht im privaten Bereich für jede im Inland gelegene Adresse vorsieht, an der zumindest eine volljährige Person mit Hauptwohnsitz im Zentralen Melderegister eingetragen ist, verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
-§ 3 Abs 2 ORF-Beitrags-Gesetz 2024, der die an einer Adresse mit Hauptwohnsitz im Zentralen Melderegister eingetragenen volljährigen Personen zu Gesamtschuldnern iSd § 6 BAO bestimmt und anordnet, dass von diesen der ORF-Beitrag nur einmal zu entrichten ist, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
-Aus § 31 Abs 19 bis 22 ORF-G idF BGBl I 2023/112 ergibt sich in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Art 18 Abs 1 B-VG, dass der ORF-Beitrag für den Übergangszeitraum von Gesetzes wegen festgelegt ist.
-Die in § 10 Abs 1 ORF-Beitrags-Gesetz 2024, angeordnete Betrauung der ORF-Beitrags Service GmbH mit der Erhebung des ORF-Beitrags sowie sonstiger damit verbundener Abgaben, der Ermittlung aller Beitragsschuldner sowie der Entscheidung über die Befreiung von der Beitragspflicht entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 20 Abs 1 B-VG.
-Die mit § 31 ORF-G idF BGBl I 2023/112 und dem ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erfolgte Neuregelung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bewirkt keinen unzulässigen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung.
-§ 13 und § 17 Abs 7 und Abs 8 ORF-Beitrags-Gesetz 2024 verstoßen nicht gegen das Grundrecht auf Datenschutz.

VfGH 24. 6. 2025, E 4624/2024

Hinweis:

Mit Erkenntnis VfSlg 20.553/202 (G 226/2021), Rechtsnews 32813, hat der VfGH das frühere Finanzierungskonzept des § 31 Abs 10 ORF-G für verfassungswidrig erkannt und darin ua festgehalten, dass eine Finanzierung über Programmentgelt auch den Aspekt hat, die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern, und daher grds alle, die Rundfunk iSd BVG Rundfunk potentiell empfangen und damit über Rundfunk am öffentlichen Diskurs teilhaben können, in die gesetzliche Finanzierung des ORF einbezogen werden. Die gänzliche Ausnahme der Teilhabe an den Programmen des ORF mittels Internet („Streaming-Lücke“) war daher mit einem teilhabeorientierten Finanzierungssystem, wie es der Gesetzgeber im Wege des Programmentgelts mit Blick auf die Unabhängigkeitsvorgaben des BVG Rundfunk gewählt hatte, nicht vereinbar.

In der Folge hat der Gesetzgeber mit BGBl I 2023/112 die öffentlich-rechtliche Finanzierung des ORF in § 31 ORF-G neu geregelt und das ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erlassen.

Entscheidung

Der VfGH hegt keinen Zweifel, dass es sich beim ORF-Beitrag, der in den Gesetzesmaterialien als Geldleistungsverpflichtung bezeichnet wird, um keine Abgabe im finanzverfassungsrechtlichen Sinn handelt, weil mit dem ORF-Beitrag dem ORF als mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteter Stiftung öffentlichen Rechts die Finanzierung seines Aufwandes aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag eröffnet wird, womit die Ertragssphäre einer Gebietskörperschaft von vornherein nicht berührt wird. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann sohin aber verfassungsrechtlich zulässig auf die – Finanzierungsregelungen umfassende – Materienkompetenz des Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG (Post- und Fernmeldewesen) gestützt werden.

Es bestehen für den VfGH keine Zweifel, dass die Regelungen des ORF-G zum Finanzierungsbeitrag diesen rundfunkverfassungsrechtlichen, die Unabhängigkeit des ORF sichernden Anforderungen entsprechen.

Objektive Möglichkeit zur Nutzung

Hinsichtlich der Verteilung der Finanzierungslast auf die Beitragspflichtigen begegnen die Regelungen des ORF-Beitrags-Gesetzes 2024 keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken:

Das BVG Rundfunk und Art 10 EMRK konstituieren eine Funktionsverantwortung des Gesetzgebers für die Ausgestaltung der Rundfunkordnung. Diese soll umfassend die Freiheit des öffentlichen Diskurses im Wege des Rundfunks gewährleisten und zielt auf die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und die Ausgewogenheit der Programme ab. Die Wahrnehmung seiner besonderen demokratischen und kulturellen Aufgabe liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Sie verschafft darüber hinaus aber potentiellen Nutzerinnen und Nutzern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Möglichkeit, jederzeit und ortsunabhängig auf die öffentlich zugänglichen Quellen der Information, des Wissens, an Unterhaltung und kulturellem Angebot des ORF zurückzugreifen.

Der Gesetzgeber verletzt daher den Gleichheitsgrundsatz nicht, wenn er die objektive Möglichkeit der Teilnahme am Angebot des ORF mit einem Finanzierungsbeitrag belastet, indem er im privaten Bereich an das Vorliegen einer im Inland gelegenen Adresse anknüpft und (auch) für den betrieblichen Bereich eine Beitragspflicht vorsieht. Hiebei bestehen dem Grunde nach gegen die Sachlichkeit einer Beitragspflicht im betrieblichen Bereich keine Bedenken, zumal Unternehmer ein betriebsspezifisches Interesse an Information haben können.

Es ist dem Gleichheitsgrundsatz kein Gebot zu entnehmen, die Belastung an die Kosten konsumierter Leistungen zu knüpfen. Auch besteht kein gleichheitsrechtliches Gebot, nach der Art des konsumierten Angebots oder der Höhe des Einkommens der Beitragspflichtigen differenzierende Beiträge vorzusehen. Entscheidend ist nach dem Gleichheitsgrundsatz, dass jene Personen der Beitragspflicht unterliegen, denen die reale objektive – von den subjektiven Präferenzen der Nutzer unabhängige – Möglichkeit zuzurechnen ist, die öffentliche Leistung der Einrichtung zu nutzen. Darauf, ob von der Möglichkeit im Einzelnen Gebrauch gemacht oder auf diese verzichtet wird, kommt es im Rahmen einer teilhabeorientierten gleichmäßigen Lastenverteilung nicht an.

Der Gleichheitsgrundsatz schließt auch nicht aus, dass eine Beitragspflicht für Personen besteht, die tatsächlich am Hauptwohnsitz bzw in der Betriebsstätte über keine Empfangseinrichtung verfügen, um Programme des ORF konsumieren zu können: Auch ohne eine Empfangseinrichtung besteht für den Beitragspflichtigen eine reale Möglichkeit, die öffentliche Leistung zu nutzen, weil eine solche idR aufgrund der Verbreitung im gesamten Bundesgebiet und des Entwicklungsstandes der Kommunikationstechnologie durch einen geringen Aufwand seitens des Beitragspflichtigen technisch hergestellt werden kann. Entgegen der Auffassung des Bf gebietet der Gleichheitsgrundsatz somit nicht, die Beitragspflicht an die Innehabung einer technischen Möglichkeit zum Empfang von Rundfunkprogrammen zu knüpfen.

Dies gilt für die Beitragspflicht im privaten Bereich und im betrieblichen Bereich gleichermaßen.

Hauptwohnsitz – Haushaltsgemeinschaft

Auch begegnet die gesetzliche Ausgestaltung der Beitragspflicht im privaten Bereich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Gesetzgeber verletzt den Gleichheitsgrundsatz nicht, wenn er in § 3 Abs 1 ORF-Beitrags-Gesetz 2024 die Beitragspflicht für jede im Inland gelegene Adresse vorsieht, an der zumindest eine volljährige Person mit Hauptwohnsitz im Zentralen Melderegister eingetragen ist. Mit dieser Anknüpfung berücksichtigt der Gesetzgeber, dass die reale Möglichkeit zur Nutzung der öffentlichen Leistung für den Beitragspflichtigen typischerweise in dessen Wohnung besteht, und schließt er zugleich – durch Anknüpfung an den Hauptwohnsitz – eine unsachliche mehrfache Belastung dieses Nutzens aus, die im Falle der Innehabung von weiteren Wohnsitzen wie etwa Zweitwohnsitzen oder Ferienwohnsitzen eintreten könnte.

Dem Gesetzgeber kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn der Beitrag im Falle mehrerer an einer Adresse eingetragener Beitragsschuldner gem § 3 Abs 2 ORF-Beitrags-Gesetz 2024 nur einmal zu entrichten ist, zumal der Beitrag – gleichheitsrechtlich unbedenklich – nicht als nutzungsabhängige, individuelle Gebühr, sondern als ein – unabhängig von einem konkreten Nutzerverhalten anfallender – Finanzierungsbeitrag ausgestaltet ist. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit der Teilhabe in einem Haushalt vielfach auch gemeinschaftlich organisiert werden kann. Es steht daher dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes frei, die Beitragspflicht unter Vernachlässigung potentieller Mehrfachnutzungen abstrakt auf Einheiten zu beziehen, in denen Rundfunkprogramme typischerweise angeboten und konsumiert werden können. Dass hiebei die Beitragslast je Person je nach Haushaltsgröße variiert, vermag die Sachlichkeit der Regelung schon in Anbetracht der Höhe des ORF-Beitrags nicht in Frage zu stellen.

Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die an einer Adresse mit Hauptwohnsitz im Zentralen Melderegister eingetragenen volljährigen Personen vom Gesetzgeber zu Gesamtschuldnern iSd § 6 BAO erklärt werden: Da der Beitrag von jeder dieser Personen geschuldet wird, von diesen Gesamtschuldnern haushaltsbezogen aber nur einmal zu entrichten ist, kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er das dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Institut des abgabenrechtlichen Gesamtschuldverhältnisses in das Beitragsrecht nach dem ORF-G überträgt.

In diesem Zusammenhang kann der Gesetzgeber von einem zwischen den Personen bestehenden wirtschaftlichen und tatsächlichen Band und daher davon ausgehen, dass die betroffene Haushaltsgemeinschaft Vorkehrungen für die Entrichtung des Beitrags trifft, widrigenfalls es der Behörde im Rahmen des von ihr zu übenden Auswahlermessens freisteht, den Beitrag gegenüber einem der Gesamtschuldner geltend zu machen. Ein hieran im Wege des zivilrechtlichen Regresses allenfalls anschließender Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern spricht für die Sachlichkeit der Regelung.

Einhebung des ORF-Beitrags

Der Bf ist nicht im Recht, wenn er gestützt auf Art 18 B-VG geltend macht, dass das Verfahren zur Bestimmung der Höhe des ORF-Beitrags nach § 31 Abs 1, 8 und 9 ORF-G nicht eingehalten und somit der ORF-Beitrag nicht dem ORF-G entsprechend festgesetzt worden sei.

Die Beleihung der ORF-Beitrags Service GmbH mit behördlichen Aufgaben und der Erlassung von Bescheiden zur Festsetzung der Beiträge begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Ferner vermag der VfGH nicht zu erkennen, dass § 13 und § 17 Abs 7 und 8 ORF-Beitrags-Gesetz 2024 in verfassungswidriger Weise in das Grundrecht auf Datenschutz gem § 1 DSG eingreifen würden. Die gesetzlich verankerte Erhebung und Verarbeitung der Daten dient der Erhebung von Beiträgen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich und – unter Berücksichtigung ihrer Ausgestaltung – auch verhältnismäßig.

Informationsfreiheit

Ferner vermag der VfGH nicht zu erkennen, dass die Verpflichtung zur Entrichtung des ORF-Beitrags die in Art 10 Abs 1 EMRK verankerte Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit verletzte. Die durch Art 10 Abs 1 EMRK garantierte Freiheit zum Empfang von Informationen wird nämlich nicht in einer grundrechtlich relevanten Art und Weise berührt, wenn die reale Möglichkeit zur Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einer Beitragsleistung der hier in Rede stehenden Höhe unterworfen wird.

Insgesamt ist nicht zu erkennen, dass die Verpflichtung zur Entrichtung des ORF-Beitrags den Einzelnen in seinen durch Art 10 EMRK gewährleisteten Rechten verletzte, ohne Zwang selbstbestimmt zu entscheiden, welche Medien er unterstütze.

Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) konnte der VfGH sinngemäß auf die Erwägungen zum Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG, Art 2 StGG) verweisen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36906 vom 03.07.2025