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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Ist ein Verletzungsverfahren wegen wahrscheinlicher Nichtigkeit des Patents unterbrochen worden, hat das Gericht das Verfahren auf Antrag des Kl fortzusetzen, wenn der Bekl „nicht binnen einem Monat ab Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses nachweist“, dass er beim Patentamt einen Nichtigkeitsantrag eingebracht hat, dass ein Nichtigerklärungsverfahren zwischen den Streitteilen bereits anhängig ist oder dass er sich einem solchen Verfahren als Nebenintervenient angeschlossen hat (vgl § 156 Abs 3 PatG). Nicht nur der Wortlaut der Bestimmung, sondern auch Systematik und Zweck sprechen dafür, die Frist des § 156 Abs 3 PatG bereits mit der Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses beginnen zu lassen. Ein Berichtigungsbeschluss löst keine neue Frist aus, wenn sich aus dem ursprünglichen Beschluss (aus objektiver Sicht) hinreichend klar ergibt, dass es sich um einen Beschluss nach § 156 Abs 3 PatG handeln soll.
§ 192 Abs 2 ZPO sieht einen Rechtsmittelausschluss für Beschlüsse vor, mit denen ua eine Unterbrechung verweigert oder einem Fortsetzungsantrag stattgegeben wird. Anderes gilt jedoch dann, wenn die Unterbrechung zwingend vorgeschrieben ist. § 156 Abs 3 PatG hat nach stRsp des Fachsenats einen derartigen zwingenden Charakter, weswegen ein Revisionsrekurs gegen einen Beschluss des RekursG zulässig ist, mit dem ein die Unterbrechung des Verfahrens gem § 156 Abs 3 PatG anordnender Beschluss des ErstG in eine Antragsabweisung abgeändert wurde. Nichts anderes kann für die Stattgabe eines auf § 156 Abs 3 4. Satz PatG gestützten Fortsetzungsantrags durch das RekursG gelten.
Ausgangsverfahren
Der ursprüngliche Unterbrechungsbeschluss (Zustellung der Beschlussausfertigung am 17. 5. 2023) war mit „§ 156 PatG“ und dem Umstand begründet, „dass die Nichtigkeit des Klagspatent II wahrscheinlich ist und das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des [nicht näher konkretisierten] Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt zu unterbrechen war“. Gegen diesen Beschluss erhob die Kl Rekurs.
Nachdem die Kl am 20. 6. 2023 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hatte, weil die Bekl nicht binnen eines Monats ab Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses einen entsprechenden Nachweis iSd § 156 Abs 3 und 4 PatG oder nach § 12 PatV-EG erbracht habe, beantragte die Bekl nicht nur die Abweisung dieses Fortsetzungsantrags, sondern stellte am 26. 6. 2023 auch den Antrag, einen „abgeänderten Unterbrechungsbeschluss“ zu treffen; es sei ihr nämlich nicht mehr möglich gewesen, dem Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt beizutreten, weil ein solcher Beitritt gem Art 105 EPÜ iVm Regel 89 EPÜ nur binnen drei Monaten ab Einbringung der Verletzungsklage zulässig gewesen wäre.
Am 27. 2. 2024 legte die Bekl einen Nichtigkeitsantrag gegen den österreichischen Teil des Klagspatents II vor – zeitlich nach Zustellung des Beschlusses (am 1. 2. 2024), mit dem dem Rekurs der Kl gegen den ursprünglichen Unterbrechungsbeschluss nicht Folge gegeben worden war.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 25. 7. 2024 wies das ErstG den Fortsetzungsantrag der Kl ab und berichtigte „wegen irrtümlicher Unterlassung gem §§ 419, 430 ZPO“ den Spruch des ursprünglichen Unterbrechnungsbeschlusses dahingehend, dass das Verfahren wegen wahrscheinlicher Nichtigkeit des Klagspatents II im Hinblick auf alle der Bekl diesfalls offen stehenden Handlungsmöglichkeiten (§ 156 Abs 3, 4 PatG, § 12 PatV-EG) unterbrochen wird. Da die Bekl zwischenzeitlich einen entsprechenden Nachweis erbracht habe, habe es bei der Unterbrechung zu bleiben.
Das RekursG änderte diesen Beschluss im Sinne einer Fortsetzung des Verfahrens ohne Berücksichtigung des Nichtigkeitseinwands ab.
Der ordentliche Revisionsrekurs der Bekl ist wegen fehlender Rsp zur Fristenberechnung nach § 156 Abs 3 ZPO zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist aufgrund der Reihung der Rekursanträge der Kl primär der Fortsetzungsantrag der Kl, und nicht die Berichtigung des ursprünglichen Unterbrechungsbeschlusses.
Entscheidung
Wortlaut
Schon nach seinem Wortlaut stellt § 156 Abs 3 PatG nur auf eine „Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses“ ab, nicht auf die Rechtskraft wie etwa die Abs 2, 5 und 6. Auch § 157 Abs 1 Z 1 PatG spricht bloß davon, dass jemand „den Unterbrechungsbeschluss“ vorlegt, während § 161 PatG bei der Strafverfolgung den Lauf der Monatsfrist des § 156 Abs 3 PatG mit der „Zustellung einer Aufforderung des Strafgerichtes an den Beschuldigten“ beginnen lässt.
Eine Zustellung des rechtskräftigen Beschlusses, wie § 156 Abs 3 PatG nach Ansicht der Bekl zu lesen sei, ist in den Verfahrensgesetzen hingegen nicht üblich (idR wird der erstinstanzliche Beschluss zugestellt und nach ungenütztem Verstreichen der Rechtsmittelfrist oder Ausschöpfung des Instanzenzugs dessen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit gem § 7 EO, § 150 GeO in einem Aktenvermerk und mittels Stampiglie auf den Ausfertigungen bestätigt; s auch § 156 Abs 2 PatG).
Systematik und den Zweck
Auch Systematik und Zweck sprechen dafür, die Frist des § 156 Abs 3 PatG bereits mit der Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses beginnen zu lassen:
Was die Systematik und den Zweck betrifft, ist § 156 Abs 3 ZPO insofern eine Besonderheit, als eine Unterbrechung nach der allgemeinen Bestimmung des § 190 ZPO ein bereits anhängiges gerichtliches oder Verwaltungsverfahren voraussetzt. § 191 ZPO, wonach ein Zivilverfahren wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung auch dann unterbrochen werden kann, wenn (noch) kein Strafverfahren anhängig ist, ist einerseits fakultativ und andererseits iZm der amtswegigen Anzeigepflicht nach § 78 StPO zu sehen (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny3 II/3 § 190 ZPO Rz 74; § 191 ZPO Rz 5 f, 15 ff).
Gem § 391 Abs 2 EO ist in einem Beschluss, mit dem eine einstweilige Verfügung vor Einleitung eines Prozesses erlassen wurde, (idR) eine „angemessene Frist“ für die Einbringung der Rechtfertigungsklage zu setzen. Nach der Rsp verfolgt diese Bestimmung den Zweck, die gefährdete Partei unter Androhung der Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu zwingen, die zur Geltendmachung des behaupteten Anspruchs notwendige Klage in möglichst kurzer Zeit anzubringen, damit die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Lage unverzüglich einer Klärung zugeführt wird (RS0005632; vgl auch Kodek in Deixler-Hübner, EO, § 391 Rz 23a).
Das RekursG hat zutreffend darauf verwiesen, dass auch § 157 PatG eine Beschleunigung eines Nichtigkeits- bzw Einspruchsverfahrens für den Fall der Unterbrechung vorsieht (s dazu jüngst 4 Ob 111/24p, Rechtsnews 35769). Dies kann als gesetzgeberischer Interessenausgleich verstanden werden. Einerseits soll ein doppelter Verfahrensaufwand durch die zwingende Unterbrechung – iSd Grundsatzes der Prozessökonomie – vermieden werden, andererseits soll aber ein bereits anhängiger Streit über einen konkreten Verletzungsvorwurf zeitnah einer Klärung zugeführt werden.
Die RV zur Patentrechts- und Gebührennovelle 2004, BGBl I 2004/149 (621 BlgNR 22. GP S 22), nimmt zwar nicht explizit zur Fristberechnung Stellung, verweist zu § 156 und § 157 PatG aber ebenfalls auf die „Vermeidung von Verfahrensverzögerungen“ und den Beschleunigungsgrundsatz.
Systematik und Zweck sprechen somit ebenfalls dafür, die Frist des § 156 Abs 3 PatG bereits mit der Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses beginnen zu lassen; dies steht zudem in Einklang mit der Wirksamkeit von Beschlüssen gem § 426 Abs 1 ZPO. (Ob diese Auslegung auch für den Fall einer mündlichen Verkündung bei gleichzeitigem Rechtsmittelverzicht gilt, muss hier nicht geklärt werden.)
Soweit die Bekl beispielhaft auf § 117 Abs 4 WRG und die E 1 Ob 31/19v, Zak 2019/436, sowie auf § 20 lit c StarkstromwegeG und 1 Ob 62/21f verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass es dort jeweils um die Frage ging, ob eine Partei, gegen die ein Bescheid erlassen worden war, das Gericht anrufen muss, solange dessen Bestand noch ungewiss ist. Hier ist die Parteien- und Interessenlage wie aufgezeigt jedoch eine andere. Während die Kl den Verletzungsstreit eingeleitet hat und auch führen will, ist es Sache der Bekl, ob sie zur Abwehr der gegen sie erhobenen Ansprüche den Einwand der Nichtigkeit des Patentes erheben will oder nicht (vgl 4 Ob 368/86).
Die Monatsfrist des § 156 Abs 3 PatG begann hier somit mit der Zustellung der Beschlussausfertigung am 17. 5. 2023 und war sohin im Zeitpunkt der Einbringung des Nichtigkeitsantrags durch die Bekl am 27. 2. 2024 längst abgelaufen.
Berichtigungsbeschluss
Die Bekl stützt ihren Revisionsrekurs weiters darauf, dass der Berichtigungsbeschluss vom 25. 7. 2024 eine neue Frist nach § 156 Abs 3 PatG ausgelöst habe.
Da im Revisionsrekursverfahren vorrangig über den Fortsetzungsantrag zu entscheiden ist, ist weder auf die Voraussetzungen der §§ 419, 430 ZPO einzugehen, noch der ursprüngliche Beschluss auszulegen. Soweit die Bekl in ihrem Revisionsrekurs (vermeintliche) Unterschiede herausarbeitet, ist ihr daher nur kurz entgegenzuhalten, dass eine Berichtigung nach § 419 ZPO gem stRsp nur dann zulässig ist, wenn das, was ausgesprochen wurde, offensichtlich nicht dem Willen des Gerichtes zur Zeit der Fällung der Entscheidung entsprochen hat und sich dies aus dem ganzen Zusammenhang und insb aus den Entscheidungsgründen ergibt (vgl RS0041418 uvm).
Dem RekursG kann ebenfalls darin beigepflichtet werden, dass für die Lösung dieser Frage die Rsp zum Lauf der Rechtsmittelfrist bei der Berichtigung einer Entscheidung – zumindest wertungsmäßig – herangezogen werden kann. In beiden Fällen muss eine Partei aktiv tätig werden, um einen Rechtsnachteil von sich abzuwenden, nämlich zum einen die Wirkungen einer Entscheidung, und zum anderen die Verfahrensfortsetzung.
Nach jüngerer stRsp beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der berichtigten Entscheidung (neu) zu laufen (vgl RS0041797). Zur Vermeidung eines Missbrauchs gilt dies jedoch nicht, wenn Rechtsmittelwerber über den wirklichen Inhalt der Entscheidung nicht im Zweifel sein konnte (RS0041797 [T1]; RS0041760) sowie dann, wenn die Berichtigung die Stellung des Rechtsmittelwerbers nicht zu seinem Nachteil veränderte (RS0041797 [T4]).
Geht man iSd ErstG und des Revisionsrekurses von einem berichtigungsfähigen Fehler aus, konnte die Bekl hier aus dem Gesamtzusammenhang aber keinen Zweifel haben, dass das ErstG einen Beschluss iSd § 156 Abs 3 PatG fassen wollte, und sie daher binnen eines Monats einen Nachweis vorzulegen hat, dass sie ein entsprechendes Verfahren iSd § 156 Abs 3 oder Abs 4 PatG bzw § 12 PatV-EG eingeleitet oder sich an einem solchen beteiligt hat. Die spätere angeordnete Berichtigung hätte dies daher nur klargestellt. (Wäre die Bekl hingegen der Meinung gewesen, dass der Spruch des Unterbrechungsbeschlusses zu eng gefasst und sie dadurch beschwert ist, insb weil Rechtsunsicherheit darüber besteht, welche Anträge von ihr eingebracht werden können bzw müssen, oder das ErstG zu Unrecht einen Beschluss nach § 190 ZPO gefasst hat, wäre es an ihr gelegen, selbst einen Rekurs zu erheben.)
Bei der Übertragung dieser Grundsätze ist zudem die unterschiedliche Ausgangslage zu berücksichtigen: Bei der Berichtigung von Entscheidungen nach § 419 ZPO steht die Rechtskraftwirkung und der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels im Vordergrund. § 156 Abs 3 PatG hat jedoch – wie eingangs bereits dargelegt – die Verfahrensbeschleunigung vor Augen, wobei die Fortsetzung die Einbringung eines Nichtigkeitsantrags und dessen Berücksichtigung im Verletzungsverfahren nicht generell abschneidet, sondern eine vor Schluss der mündlichen Verhandlung ergehende Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung zu berücksichtigen ist (zur Wiederaufnahmsklage s § 156 Abs 6 PatG). Es spricht also auch aus diesem Gesichtspunkt nichts dagegen, die Frist bereits mit Zustellung des ursprünglichen Beschlusses beginnen zu lassen, wenn sich daraus (aus objektiver Sicht) hinreichend klar ergibt, dass es sich um einen Beschluss nach § 156 Abs 3 PatG handeln soll.
Selbst wenn man auf die Wertungen des § 146 ZPO abstellen würde, wäre es Sache der Bekl gewesen, binnen 14 Tagen ab Wegfall des Hindernisses – hier ab Kenntnis, dass ein Beitritt zum bereits anhängigen Nichtigkeitsverfahren vor dem Europäischen Patentamts nicht mehr möglich war – die versäumte Prozesshandlung nachzuholen. Sie beantragte jedoch am 26. 6. 2023 nur, einen „abgeänderten Unterbrechungsbeschluss“ zu fassen, ohne einen entsprechenden Nichtigkeitsantrag einzubringen.
Dem RekursG ist somit beizupflichten, dass der von der Bekl erst am 27. 2. 2024 eingebrachte Nichtigkeitsantrag – ungeachtet des erstinstanzlichen Berichtigungsbeschlusses – der von der Kl beantragten Verfahrensfortsetzung gem § 156 Abs 3 PatG nicht entgegensteht.