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Rechteübertragung: Beschränkung betr Übertragungstechnologien

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UrhG: § 17, § 24

Die Bekl bietet ein Online-TV an, das die Möglichkeit umfasst, Fernsehprogramme live zu streamen. Dabei leitet sie die empfangenen Fernsehsignale gleichzeitig, vollständig und unverändert an die Nutzer weiter. Das TV-Angebot der Bekl ist im gesamten Internet nutzbar, auch unabhängig von einem physischen Netz der Bekl (sog OTT).

Der kl Rundfunkunternehmer hat seine Rechte betr seine analog und digital verbreiteten Rundfunksendungen mit Wahrnehmungsvertrag einer Verwertungsgesellschaft zur treuhändigen Wahrnehmung eingeräumt. Die Weitersendung als Live-Stream im Internet (über OTT-Dienste) oder ein sonstiges Computernetzwerk sowie der Dienst des Internet-Videorecorders wurde von der Rechteeinräumung ausgenommen.

Die Reichweite einer allfälligen freiwilligen Rechteübertragung ist allein nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen, konkret durch Vertragsauslegung zu bestimmen. Die Beschränkung der Rechteeinräumung im Hinblick auf bestimmte Übertragungstechnologien (hier Live-Stream über OTT-Dienste) erscheint dabei nicht unzulässig. Abgesehen vom hier maßgebenden Grundsatz der Privatautonomie ist auch nicht erkennbar, warum durch die vertragliche Beschränkung der Rechteübertragung an eine Verwertungsgesellschaft der gesetzmäßige Umfang des Weitersenderechts (des hier kl Rundfunkunternehmers) ausgehebelt werden sollte.

OGH 26. 11. 2020, 4 Ob 185/20i

Entscheidung

Online-Videorecorder

Zudem bietet die Bekl einen virtuellen Videorecorder unter der Bezeichnung “View Control“ an, mit dem ausgestrahlte Fernsehsendungen sieben Tage lang „nachgeholt“ werden können (“Catch Up-Funktion“).

Mit dem Online-Videorecorder der Bekl wird eine digitale Vervielfältigung der Fernsehprogramme der Kl vorgenommen, die unter § 15 Abs 1 UrhG fällt. Auf die Privatkopieausnahme des § 42 Abs 4 UrhG kann sich die Bekl als Unternehmerin nicht berufen, wenn ihr die Sendungskopie zuzurechnen ist. Dies ist hier der Fall: Bereits in der E 4 Ob 149/20w (= Rechtsnews 29848) hat der OGH dazu den Ansatz des BGH übernommen, wonach für die Zurechnung va darauf abzustellen ist, wer die Organisationshoheit über das Aufnahmegeschehen hat und ob die Sendungskopie nur für den jeweiligen konkreten Nutzer (technisch) erstellt wird, ober ob von der Fernsehsendung eine Masterkopie oder eine Art Kopiervorlage angefertigt und jedem Nutzer, der sie ansehen will, nur der Zugriff darauf gewährt wird.

Bei der vorliegenden siebentägigen “Catch Up-Funktion“ des Online-Videorecorders der Bekl kann der Kunde nach einmaliger Aktivierung von „View Control“ auf eine beliebige Sendung zugreifen, die in den letzten sieben Tagen ausgestrahlt wurde, ohne einen individuellen Aufnahmeauftrag für die jeweilige Sendung erteilt zu haben. Auch ohne ein einzigen individuellen Auftrag zur Aufnahme einer bestimmten Sendung wird diese sieben Tage lang vorgehalten und auf den Servern der Bekl gespeichert. Bei dem vorliegenden Verfahren der De-Duplizierung hat die Bekl die Organisationshoheit über das Aufnahmegeschehen, weil die Vorhaltung (Speicherung und Vervielfältigung) der Sendungen von der Bekl veranlasst wird und der Nutzer nur auf die vorgehaltenen Sendungen zugreift.

Auf die Frage, ob eine Masterkopie oder eine sonstige zentrale Kopiervorlage zur Verfügung gestellt wird, kommt es nicht an. Auch der Umstand, dass der Nutzer die „View Control“ zu Beginn der Nutzung einmal aktivieren muss, ist nicht von Bedeutung.

Sicherungsverfahren – unwiederbringlicher Schaden

Das ErstG erließ die beantragte einstweilige Verfügung gegen die Bekl (Verbot des Live-Streamings und der Speicherung der Fernsehprogramme der Kl), trug der Kl jedoch auch eine Sicherheitsleistung iHv 100.000 € auf. Das ErstG ging dabei davon aus, dass viele Nutzer den TV-Anbieter wechseln würden, wenn sie die klagsgegenständlichen TV-Sender nicht uneingeschränkt konsumieren könnten. Das ErstG verweist dazu auf eine Studie im Gerichtsakt, erhebt die konkreten Ergebnisse der Studie jedoch nicht zu seinen Feststellungen. Die Studie geht von einem dauerhaften Entfall der Programme der Kl aus, im hier anhängigen Provisorialverfahren kommt es aber nur auf die Dauer dieses Verfahrens an. Außerdem geht die Studie von einem Wechsel der Nutzer zu anderen TV-Anbietern aus, was allerdings voraussetzen würde, dass die anderen (Konkurrenz-)Anbieter über ein vergleichbares Angebot verfügen wie die Bekl ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung. Das, was hier im Provisorialverfahren für die Bekl gilt, trifft allerdings auch auf andere Drittanbieter zu.

Ein gravierender, unwiederbringlicher Schaden der Bekl infolge des drohenden Kundenverlusts kann aufgrund des bescheinigten Sachverhalts nicht verlässlich beurteilt werden; konkrete Ermittlungen dazu würden den Rahmen des Provisorialverfahrens sprengen. Entgegen den Ausführungen der Bekl ist auch nicht bescheinigt, dass Nutzer den TV-Anbieter nicht häufig wechseln wollen und daher – nach einem allfälligen erfolgreichen Abschluss des Hauptverfahrens für die Bekl – nicht mehr zu dieser zurückkehren würden.

Droht als Folge einer befristeten Unterlassungsverfügung ein vorübergehender Kundenverlust, kann dies in erster Linie einen Umsatzverlust bedeuten. Zum Ausgleich dazu hat das ErstG der Kl eine Sicherheitsleistung aufgetragen. Dass diese Sicherheitsleistung zur Abdeckung des Verlustrisikos nicht ausreicht, behauptet die Bekl im Revisionsrekurs nicht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30485 vom 24.02.2021