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Soziales Netzwerk – Schutz der Persönlichkeitsrechte

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1330

EC-RL: Art 15

ECG: § 18

UrhG: § 78, § 81

Im vorliegenden Verfahren wurde bereits der EuGH befasst (C-18/18 = Rechtsnews 2804) und der OGH hält dazu nun ua fest:

Nach Art 15 Abs 1 der EC-RL (§ 18 Abs 1 ECG) besteht für Access-Provider und für Host-Provider keine allgemeine Überwachungspflicht hinsichtlich der fremden Inhalte, die von ihnen übermittelt oder gespeichert werden. Sie dürfen nicht dazu verpflichtet werden, von sich aus aktiv nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen. Die Anordnung zielgerichteter Überwachungsmaßnahmen der nationalen Behörden ist aber zulässig; dazu gehören insb Unterlassungsanordnungen der Zivilgerichte. Die Überwachungspflicht (Kontrollpflicht) des Providers wird dabei durch eine „konkrete Information“ ausgelöst (qualifizierter Hinweis oder Abmahnung nach § 81 Abs 1a UrhG).

Die Unterlassungsanordnung darf auch künftige Rechtsverletzungen erfassen, und zwar auch durch andere (dritte) Nutzer.

Mit dem Begriff „wortgleich“ werden idente Verstöße erfasst, wobei aber auch in diesem Zusammenhang der weite Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen ist. Die Beurteilung hängt letztlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Sinngleiche Inhalte sind solche, die im Kern dem rechtswidrigen Inhalt entsprechen. Im Rahmen dieser Beurteilung ist ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen von Kl und Provider herzustellen (effektiver Rechtsschutz – keine unverhältnismäßigen Überwachungsmaßnahmen). Eine Unterlassungsanordnung ist dann zulässig, wenn sich die „Kern-Übereinstimmung“ auf den ersten laienhaften Blick ergibt oder durch technische Mittel (zB Filtersoftware) festgestellt werden kann. Zudem müssen die maßgebenden Kriterien für das Rechtswidrigkeitsurteil in der Unterlassungsverfügung ausreichend bestimmt angegeben werden.

OGH 15. 9. 2020, 6 Ob 195/19y

Ausgangsfall

Die inkriminierten Äußerungen („miese Volksverräterin“, „korrupter Trampel“ und “Mitglied einer Faschistenpartei“) wurden von einem registrierten privaten Nutzer auf seiner Profil-Seite eines sozialen Netzwerks veröffentlicht und nehmen klar erkennbar auf die im kommentierten Bildbericht abgebildete Kl Bezug. In Ermangelung eines konkreten Verhaltensvorwurfs mit überprüfbarem Tatsachenkern stellen sie beleidigende Werturteile iSd § 1330 Abs 1 ABGB dar (vgl bereits ausführlich 6 Ob 116/17b.

Das Unterlassungsbegehren der Kl (gestützt auf § 78 UrhG) und das vorliegenden Sicherungsbegehren richten sich gegen den Betreiber des sozialen Netzwerks und zielen auf die Unterlassung einer Veröffentlichung und/oder Verbreitung von sie zeigenden Lichtbildern ab, wenn im Begleittext diese wörtlichen und/oder sinngleichen Behauptungen über sie verbreitet werden.

Nach Ansicht des OGH gibt die beantragte einstweilige Verfügung das zu unterlassende Verhalten konkret an und verlangt keine autonome Beurteilung der Bekl. Die Unterlassungsverfügung des ErstG ist auch ausreichend bestimmt, macht den Inhalt des Rechtswidrigkeitsurteils unmissverständlich deutlich und ist nicht überschießend; sie schafft somit keine unverhältnismäßige Kontrollverpflichtung für die Bekl.

Weder überschießend noch zu unbestimmt ist nach Ansicht des OGH auch das Unterlassungsgebot betr Behauptungen, die die Kl der Verbreitung von Lügen bezichtigen; für die Bekl wird auch damit keine unverhältnismäßige Kontrollverpflichtung geschaffen. Die Erweiterung des Unterlassungsbegehrens durch die Wendung „sinngleich“ ist zulässig; die Kriterien für das Rechtswidrigkeitsurteil werden deutlich angegeben. Die Frage, ob eine Verwendung einer bestimmten Formulierung nach Titelerlassung auf den ersten laienhaften Blick den Vorwurf der Verbreitung einer Lüge ausdrückt, ist wiederum im Exekutionsverfahren zu klären.

Insgesamt stellt der OGH die erstinstanzliche Entscheidung insoweit wieder her, als sie vom RekursG hinsichtlich sinngleicher Behauptungen dahin eingeschränkt worden war, dass das Unterlassungsgebot nur für sinngleiche Behauptungen gelten sollte, die der Bekl „von der Kl oder dritter Seite zur Kenntnis gebracht“ wurden “oder sonst zur Kenntnis“ gelangten.

Eine Einschränkung des Unterlassungsgebots auf Österreich kann – unter Berücksichtigung gewisser Kautelen – durchaus dem Standpunkt des EuGH in der Rs C-18/18 (Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland) entsprechen, konnte hier aber dahin gestellt bleiben, weil die Bekl im Revisionsrekursverfahren darauf nicht mehr zurückkam (vgl dazu auch 4 Ob 36/20b, Rechtsnews 29104; in jenem Verfahren war die Frage der weltweiten Geltung der einstweiligen Verfügung Gegenstand des erst- und des zweitinstanzlichen Verfahrens).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30008 vom 30.11.2020