News

Verletzung von Persönlichkeitsrechten in elektronischem Kommunikationsnetz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 16, § 20

ECG: § 20, § 21, § 22

ZPO: § 549, § 556, § 557, § 558

1. Will eine natürliche Person wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten in einem elektronischen Kommunikationsnetz einen Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags im Mandatsverfahren nach § 549 ZPO stellen, muss sie eine erhebliche Persönlichkeitsverletzung geltend machen, die sie in ihrer Menschenwürde beeinträchtigt, und der Klage einen Nachweis aus dem elektronischen Kommunikationsnetz anschließen. Der Unterlassungsauftrag ist zu erlassen, wenn sich der behauptete Anspruch aus den Angaben in der Klage schlüssig ableiten lässt (§ 549 Abs 1 ZPO).

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, etwa mangels Geltendmachung einer erheblichen, die Menschenwürde beeinträchtigenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten, ist der Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags abzuweisen und idR das ordentliche Verfahren über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch einzuleiten (§ 549 Abs 3 ZPO iVm § 556 Abs 5 ZPO). Das ordentliche Verfahren ist auch durchzuführen, wenn gegen die Erlassung eines Unterlassungsauftrags Einwendungen erhoben werden (§ 549 Abs 5 iVm § 557 Abs 3 ZPO). Im ordentlichen Verfahren ist mit Urteil zu entscheiden (§ 549 Abs 3 ZPO iVm § 558 ZPO); darin ist auszusprechen, ob der Unterlassungsauftrag aufrecht erhalten bleibt oder ob und inwiefern derselbe aufgehoben wird, und auch über die meritorische Berechtigung des Unterlassungsbegehrens zu erkennen. Kommt das Gericht zum Ergebnis, dass zwar die Voraussetzungen für die Erlassung des Unterlassungsauftrags gefehlt haben, wohl aber der Anspruch berechtigt ist, ist der Bekl zur Unterlassung zu verurteilen. In einem solchen Fall ist auch der Unterlassungsauftrag aufrecht zu erhalten. Für die Sachentscheidung im ordentlichen Verfahren ist daher nicht mehr relevant, ob eine erhebliche, die Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung von Persönlichkeitsrechten iSd § 549 Abs 1 ZPO vorliegt; die Klage ist betreffend die materielle Anspruchsberechtigung vielmehr als „gewöhnliche“ Unterlassungsklage zu behandeln.

2. Materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung dafür, dass eine Host-Providerin iZm der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts durch einen Dritten in Anspruch genommen werden kann, ist gem § 20 Abs 3 ABGB eine Abmahnung der Host-Providerin. Die Abmahnung kann auch im Fall des § 20 Abs 3 ABGB durch entsprechendes Vorbringen in einem bereits anhängigen Verfahren ersetzt werden. In diesem Fall entsteht dann ein Unterlassungsanspruch, wenn die Providerin das beanstandete Verhalten fortsetzt oder das Vorliegen einer Rechtsverletzung bestreitet.

3. Grds darf zwar auch eine Verpflichtung einer Host-Providerin zur Unterlassung der Verbreitung von Persönlichkeitsrechte verletzenden Inhalten keinen strengeren Anforderungen unterliegen, als sie das Sachrecht im Sitzmitgliedstaat dieser Host-Providerin vorsieht („Herkunftslandprinzip“ der E-Commerce-RL). Das Herkunftslandprinzip gilt jedoch nicht unbeschränkt: Neben den Bereichsausnahmen gem § 21 ECG (Art 3 Abs 3 iVm dem Anhang der E-Commerce-RL [RL 2000/31/EG]) können Gerichte auch gem § 22 ECG (in Umsetzung des Art 3 Abs 4 der E-Commerce-RL) im Einzelfall zum Schutz taxativ genannter Rechtsgüter und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abweichend vom Herkunftslandprinzip Maßnahmen treffen – ua zum Schutz der Würde einzelner Menschen (§ 22 Abs 2 Z 2 ECG entsprechend Art 3 Abs 4 lit a sublit i der E-Commerce-RL), das sind jedenfalls Ehrverletzungen, die den Kernbereich der Persönlichkeitsrechte betreffen – wozu die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie gehören. Ob die Voraussetzungen für ein Abweichen vom Herkunftslandprinzip des § 20 Abs 1 ECG vorliegen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

4. In den Urteilsspruch betr die Host-Providerin ist keine zeitliche Befristung des Unterlassungsgebots aufzunehmen.

OGH 30. 8. 2023, 6 Ob 166/22p

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34650 vom 20.10.2023