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Vorabentscheidungsersuchen zum Kommunikationsplattformen-Gesetz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2000/31/EG: Art 3

RL 2010/13/EU idF RL (EU) 2018/1808: Art 28a

Das Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) zielt auf eine Stärkung der „Plattformverantwortlichkeit“ der (auch ausländischen) Anbieter von Kommunikationsplattformen ab. Der VwGH hat dazu nun ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet:

Bei den Regelungen des KoplG handelt es sich um allgemeine Verpflichtungen, die für die Anbieter von Kommunikationsplattformen wirksam werden, ohne dass es dazu eines individuell-konkreten Rechtsaktes (etwa eines Bescheids) bedarf. Der VwGH nimmt an, dass die Regelungen des KoPl-G den koordinierten Bereich iSd E-CommerceRL (RL 2000/31/EG) berühren. Gem Art 3 Abs 4 E-CommerceRL dürfen die Mitgliedstaaten unter gewissen Voraussetzungen vom Herkunftslandprinzip abweichen und im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft abweichende “Maßnahmen ergreifen“. Fraglich ist für den VwGH zunächst, ob auch die allgemeinen Verpflichtungen für Anbieter von Kommunikationsplattformen wie im KoPl-G (also ohne individuell-konkrete Rechtsakte) solche "Maßnahmen" iSv Art 3 Abs 4 E-CommerceRL darstellen können.

Die E-CommerceRL sieht auch die Einhaltung bestimmter Formvorschriften bei der Ergreifung von Maßnahmen vor. Von diesen Voraussetzungen darf ein Mitgliedstaat nur in "dringlichen Fällen" abweichen. In diesem Fall müssen die Maßnahmen der Kommission und dem Sitzmitgliedstaat "so bald wie möglich" (nachträglich) und unter Angabe der Gründe mitgeteilt werden, aus denen der Mitgliedstaat der Auffassung ist, dass es sich um einen dringlichen Fall handelt. Der VwGH möchte diesbezüglich wissen, ob das Unterbleiben dieser Mitteilung an die Kommission und den Sitzmitgliedstaat über die getroffene Maßnahme dazu führt, dass diese Maßnahme - nach Ablauf eines ausreichenden Zeitraums für die (nachträgliche) Mitteilung - auf einen bestimmten Dienst nicht angewendet werden darf.

Die Dritte Frage betrifft jene Anbieter, die neben der Kommunikationsplattform auch einen Video-Sharing-Plattform-Dienst iSd AVMD-RL (RL 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste idF RL (EU) 2018/1808) anbieten. Für Video-Sharing-Plattform-Anbieter ist das Herkunftslandprinzip in Art 28a Abs 1 AVMD-RL geregelt; Art 28a Abs 1 AVMD-RL verweist (bloß) auf Art 3 Abs 1 E-CommerceRL. Dazu stellt sich für den VwGH die Frage, ob das Herkunftslandprinzip der AVMD-RL einer Anwendung der Verpflichtungen des KoPl-G auf jene Inhalte dieser Plattformen entgegensteht, bei denen es sich nicht um Videos handelt, also insb auf die zu den Videos geposteten Kommentare, und ob „Maßnahmen“ nach der E-CommerceRL erlassen werden dürfen, die nicht die Videos betreffen.

VwGH 24. 5. 2022, Ro 2021/03/0032-0034 (EU 2022/0003-0005)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32667 vom 14.06.2022