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„Wirtshausbriefe“ – unzulässige Namensanmaßung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: § 43, § 1330

EMRK: Art 20

UrhG: § 78, § 85

Der Erstbekl ist Gesellschafter, einziger Geschäftsführer und Chefredakteur der Zweitbekl, die Medieninhaberin und Herausgeberin eines satirischen Online-Magazins ist. Die Kl (eine politische Partei) erhebt schon seit einiger Zeit die Forderung nach einer sogenannten „Wirtshausprämie“, die dem Gasthaussterben entgegenwirken soll. Die Redaktion der Zweitbekl beschloss, sich mit dieser Thematik satirisch zu befassen, indem eine Anzahl an Wirten mit einem gefälschten Brief angeschrieben wird, der Empörung auslösen und den Weg in die Medien finden sollte.

Der Brief ist höchst professionell aufgemacht. Seine Gestaltung ist durch die Verwendung des Bildzeichens, der Daten und Signatur der Kl sowie seinen Inhalt stark geprägt. Das Schreiben erinnert (bewusst) an die aktuellen Forderungen der Kl und ist daran (wenn auch ironisch) thematisch stark angelehnt. Ein durchschnittlicher Empfänger des Briefes konnte – auch wenn er den Inhalt befremdlich gefunden haben mag – davon ausgehen, dass tatsächlich eine der Kl zumindest im weiteren Sinn zuordenbare Aussendung vorliegt, zumal er keine anderen Anhaltspunkte hatte (und zwar weder aus dem Schreiben noch der öffentlichen Debatte bis dahin). Es lag keinerlei Hinweis auf die Urheberschaft der Bekl vor, sodass ein durchschnittlicher Leser nicht zwingend darauf schließen konnte, es liege eine Satire vor. Das Schreiben enthielt weder einen Hinweis auf die Bekl (die auch zuvor nicht mit diesem Thema in Erscheinung getreten waren), noch sonst einen Hinweis auf Urheber außerhalb des Ingerenzbereichs der Kl. Auch jener Teil der durchschnittlichen Leser, der den Inhalt des Schreibens korrekt als Scherzerklärung aufgefasst hat, kann die Aussendung aufgrund der verwendeten Symbole, des Briefkopfes und der Signatur mangels anderer Anhaltspunkte dennoch der Verantwortungssphäre der Kl zuschreiben.

Die Briefe der Bekl erwecken den Anschein, es handle sich um solche der Kl (mögen sie auch nicht der offiziellen Parteilinie entsprechen). Es liegt daher eine Täuschung des Publikums und damit eine unzulässige Namensanmaßung vor.

Den dadurch verletzten Persönlichkeitsrechten der Kl (§ 43 ABGB) steht insoweit keine zulässige Meinungsäußerung der Bekl entgegen: Die Sanktionslosigkeit von Desinformation – hier in Form einer unbefugten Namensanmaßung – würde bedeuten, dass die Meinungsfreiheit auch über den Weg von bewussten Täuschungen und Verletzungen von Persönlichkeitsrechten ausgeübt werden kann. Derartiges ist allerdings von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt.

Von der Verletzung des Namensrechts war auch die Verwendung des Bildzeichens der Kl umfasst, weil diesem (als Buchstabenkombination) Namensfunktion zukommt. Dieses Zeichen ist zufolge der ihm innewohnenden Namensfunktion deshalb nach § 43 ABGB schutzfähig, weil es Unterscheidungskraft (Kennzeichnungskraft) besitzt, also etwas Besonderes, Individuelles an sich hat, das sich schon seiner Art nach dazu eignet, seinen Träger von anderen Personen zu unterscheiden

OGH 21. 1. 2025, 4 Ob 192/24z

Entscheidung

Das den Bekl vorgeworfene Verhalten ist einer Verletzung des Bildnisschutzes iSd § 78 UrhG in den wesentlichen anspruchsbegründenden Punkten vergleichbar, weshalb der Kl im Anlassfall ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung analog zu § 85 UrhG zusteht. Die gegenteilige (und nicht näher begründete) Ansicht in 4 Ob 165/05a (= RdW 2006/468) wird nicht mehr aufrecht erhalten. Dies entspricht auch den Wertungen des § 1330 Abs 2 ABGB.

Die Urteilsveröffentlichung ist trotz der nachträglichen „Aufklärung“ über die Urheberschaft des Briefs in den Medien deshalb erforderlich und nicht bloß durch einen Widerruf gegenüber den betroffenen Wirten ersetzbar, weil nicht feststeht, dass die Empfänger der Briefe und sonstige durch die Namensanmaßung getäuschte Personen von der nachfolgenden Berichterstattung überhaupt erfahren haben. Der Brief gelangte nicht nur den eigentlichen Adressaten zur Kenntnis, sondern darüber hinaus einem weiteren unbestimmten Personenkreis, und sollte nach den festgestellten Intentionen der Bekl auch den Weg in die Medien finden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36396 vom 13.02.2025