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Dem Auskunftsrecht des Art 15 DS-GVO kommt sowohl in der Datenschutz-Grundverordnung1 als auch in der Praxis2 zentrale Bedeutung zu. Es ermöglicht betroffenen Personen den Zugriff zu der grundlegenden Information, ob ihre personenbezogenen Daten verarbeitet wurden, sodass in weiterer Folge Rückschlüsse über die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung gezogen werden können.3
Der Auskunftsanspruch kann jedoch mit Rechten und Freiheiten des Verantwortlichen sowie dritter Personen kollidieren.4 Problematisch wird eine Interessenkollision insb dann, wenn eine (berufliche) Geheimhaltungspflicht - wie die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht - auf den Auskunftsanspruch trifft.5
Der vorliegende Beitrag untersucht, bis zu welchem Umfang ein Auskunftsanspruch der Gegnerpartei nach Art 15 DS-GVO vom Rechtsanwalt zu erfüllen ist und inwiefern dies mit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht vereinbar ist. Der Auskunftsanspruch des eigenen Mandanten wird außer Acht gelassen, weil es hier idR zu keiner Kollision mit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht kommt.
» Deskriptoren: Datenschutzrecht; Berufsrecht, anwaltliches; Verschwiegenheitspflicht; Geheimhaltungspflicht; Öffnungsklausel; Auskunftsrecht; Daten, personenbezogene; Rechtsanwaltsordnung
» Normen: VO (EU) 2016/679: Art 12, 15, 23; RAO: § 9; DSt: § 1; ZPO: § 321; StPO: § 157; AVG: § 49; StGG: Art 9, 10, 10a; EMRK: Art 6, 8; GRC: Art 7, 47, 48; B-VG: Art 10
Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht wurde in den letzten Jahren vielfach thematisiert: Insb die drastischen Erweiterungen der Geldwäsche-Meldepflichten6 haben zu zahlreichen Beiträgen in der Literatur7 geführt, welche die Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht für den Rechtsanwaltsberuf betonen.
Die Verschwiegenheitspflicht wird als zentrales Element und als Voraussetzung der anwaltlichen Berufsausübung betrachtet.8 Im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kommt es naturgemäß zur Verarbeitung personenbezogener Daten sowohl des eigenen Mandanten als auch dritter Betroffener, wie etwa der Gegnerpartei.9 Daher ist zu untersuchen, inwiefern ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch des Gegners trotz anwaltlicher Verschwiegenheitspflicht zu beantworten ist. In Anbetracht der durchschnittlich langen Dauer von sechs (BG) bzw dreizehn (LG) Monaten von streitigen Verfahren in Österreich10 könnte die Geltendmachung des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts in erheblichen Konflikt mit den Interessen von Anwalt und Mandantschaft geraten und in vielen Fällen bei vollumfänglicher Beantwortung der Gegnerpartei die Prozesstaktik verraten.11
Das Auskunftsbegehren, welches in Art 15 DS-GVO verankert ist, kann als zentrales Betroffenenrecht bezeichnet werden.12 Die betroffene Person wird erst durch die Ausübung ihres Rechts auf Auskunft in die Lage versetzt, zum einen überhaupt Kenntnis von der Verarbeitung zu erlangen, zum anderen die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung zu überprüfen.13 Der EuGH sieht das Auskunftsrecht als grundlegend erforderlich an, um der betroffenen Person die Möglichkeit der Feststellung zu geben, ob die Verarbeitung ihrer Daten rechtmäßig ist, und um in weiterer Folge Betroffenenrechte geltend machen zu können.14
Art 15 DS-GVO ist zwingendes Recht und somit weder durch AGB noch durch individuelle Vertragsbestimmungen abdingbar.15 Das Auskunftsrecht stellt eine Ausgestaltung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar16 und ist vom Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten des Art 8 GRC erfasst sowie ausdrücklich durch Art 8 Abs 2 Satz 2 GRC gewährleistet.17
Das Recht auf Auskunft bedarf nicht der Erfüllung von Voraussetzungen, es ist daher bedingungslos zu gewähren.18 Liegen keine personenbezogenen Daten über den Antragsteller vor, ist der Verantwortliche zu einer Negativauskunft verpflichtet, der er sich auch nicht durch die Löschung der Daten entziehen kann.19
Die Auskunft muss unentgeltlich20 sowie gem Art 12 Abs 3 DS-GVO unverzüglich, jedenfalls aber innerhalb eines Monats beantwortet werden.21 Diese Frist kann bei komplexen Anträgen bzw einer hohen Anzahl derselben nach vorheriger Verständigung des Betroffenen um zwei Monate verlängert werden.22
Der Verantwortliche darf bei begründetem Zweifel an der Identität des Antragstellers gem Art 12 Abs 6 DS-GVO einen Nachweis einfordern. Eine generelle Pflicht zum Identitätsnachweis besteht jedoch nicht.23 Die DSB sieht eine Ausweiskopie als geeignet an, um die Identität eindeutig nachzuweisen.24
Als Verordnung des europäischen Gesetzgebers genießt die DS-GVO nicht nur Anwendungsvorrang,25 sondern auch unmittelbare Anwendbarkeit.26
Das Standesrecht der Rechtsanwälte ist nicht im Katalog der Zuständigkeiten der Europäischen Union enthalten, insofern besteht keine unionsrechtliche Regelungskompetenz.27 Vielmehr ist gem Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG die Republik Österreich in Gesetzgebung und Vollziehung für die Regelung des Berufsrechts der Rechtsanwälte zuständig.28
Art 15 Abs 1 DS-GVO legt in katalogischer Art die Informationen fest, die dem Auskunftswerber zur Verfügung zu stellen sind. Das sind die Verarbeitungszwecke, die Kategorien der personenbezogenen Daten, die Empfänger, falls möglich, die Dauer der Speicherung, die Information über Betroffenenrechte, das Bestehen des Beschwerderechts bei der DSB, eventuell Informationen über die Herkunft der Daten und Informationen über mögliches Profiling.
Dieser Katalog scheint klar und eindeutig. Doch enthält Art 15 Abs 3 DS-GVO die unklare Bestimmung des Anspruches auf "eine Kopie der personenbezogenen Daten". Nach den Erwägungsgründen hat die betroffene Person ein Recht darauf, Daten in Patientenakten zu erhalten.29 Dies wird von Teilen der Literatur30 so verstanden, dass das Recht auf Datenkopie ebenso ua E-Mails und Datenbankauszüge umfasst.
Wybitul/Baus sprechen sich überzeugend für eine enge Auslegung der Kopie, beschränkt auf die Kataloginformationen des Art 15 Abs 1 DS-GVO, aus.31 Ähnlicher Auffassung sind in Deutschland etwa auch der hessische Datenschutzbeauftragte,32 das bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht33 und das LG Köln.34
Auch in der österreichischen Rechtsordnung war der Umfang der Kopie bereits Gegenstand einer aktuellen Entscheidung: Das BVwG stellte fest, dass "das datenschutzrechtliche Auskunftsbegehren auf die personenbezogenen Daten des Auskunftswerbers beschränkt" ist.35 Bereits davor hatte die DSB festgestellt, dass von der Einsicht ausgenommene Aktenbestandteile nicht auskunftspflichtig sind.36
Beschränkt wird der Anspruch zusätzlich durch Art 15 Abs 4 DS-GVO, der vorsieht, dass die Kopie der Daten nicht die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigen darf.37
Die Verschwiegenheitspflicht folgt aus dem obersten anwaltlichen Gebot der Treuepflicht gegenüber dem Mandanten38 und wird vom Gesetzgeber an mehreren Stellen39 gesetzlich anerkannt. Die zentrale Norm der Verschwiegenheitspflicht befindet sich in § 9 RAO;40 sie wird vom OGH in stRsp41 als grundlegendes Element der Rechtsanwaltschaft angesehen. Hierbei handelt es sich um eine elementare Voraussetzung für die Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit, die vor allem zur Erhaltung des besonderen Vertrauensverhältnisses42 zwischen Rechtsanwalt und Mandantschaft unentbehrlich ist.43
Eine Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht stellt sowohl eine Berufspflichtverletzung iSv § 1 DSt 44 als auch eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dar.45
In § 9 Abs 2 RAO ist die grundlegende Verpflichtung zur Verschwiegenheit normiert: Demnach ist der Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit in all jenen Angelegenheiten verpflichtet, die ihm anvertraut wurden oder im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit bekannt geworden sind, insofern die Mandantschaft daran ein Geheimhaltungsinteresse besitzt. Von der Verschwiegenheitspflicht sind ebenso RechtsanwaltsanwärterInnen, juristische Mitarbeiter und sonstige Arbeitnehmer der Rechtsanwaltskanzlei erfasst.46
Neben § 9 Abs 2 RAO finden sich etwa in der ZPO47 und in der StPO48 bedeutende Regelungen, die dem Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht dienen: Auf prozessualer Ebene ist die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht durch Zeugnisver-
weigerungsrechte in § 321 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO sowie in § 157 Abs 1 Z 2 StPO geschützt.49
Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ist zwar nicht ausdrücklich verfassungsrechtlich geschützt,50 wird jedoch aus mehreren Grundrechten des StGG,51 der EMRK52 sowie der GRC53 abgeleitet. Der EuGH54 hat bereits im Jahr 1982 die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannt.
Von der Verschwiegenheitspflicht umfasst sind jedenfalls die Klienteninformationen.55 Dabei handelt es sich um den gesamten Informationsaustausch zwischen Klienten und Rechtsanwalt, der das Mandat betrifft, sowie sämtliche Aufzeichnungen darüber. Erfasst werden sowohl aktive Mitteilungen als auch bloßes Bekanntwerden von Informationen im Rahmen der Vertretung, sofern die Geheimhaltung im Interesse der Partei liegt.56 Auch öffentlich bekannte sowie gerichtsbekannte57 Tatsachen können unter die Verschwiegenheitspflicht fallen, wenn diese dem Rechtsanwalt im Rahmen des Vertretungsverhältnisses bekannt geworden sind.58
Der Schutz durch die Verschwiegenheitspflicht schließt ebenso jene Informationen mit ein, die der Mandant bereits vor Begründung des Mandatsverhältnisses im Vertrauen auf die Verschwiegenheit preisgegeben hat.59 Dieser Schutz endet nicht mit dem Ende des Rechtsvertretungsverhältnisses.60 Die Verschwiegenheitspflicht ist somit sachlich und zeitlich umfassend.61
Der Rechtsanwalt kann durch seine Partei von der Verschwiegenheit entbunden werden. Die Entbindung ist im Kontext der Erklärung zu verstehen und entfaltet bei Gültigkeit rechtliche Wirkung hinsichtlich der Zeugnisverweigerungsgründe oder der Einsichtnahme und Ausfolgung von Dokumenten.62 Dieser Umstand muss jedenfalls auch bei der Beantwortung eines Auskunftsbegehrens berücksichtigt werden.63
Die Entbindung kommt jedoch nur im Einzelfall infrage und nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Mandanten.64 Aber selbst bei einer Entbindung durch die Mandantschaft hat der Rechtsanwalt weiterhin Sorgfaltspflichten wahrzunehmen und darf nicht ungeprüft Informationen offenbaren.65
Mit dem Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 201866 wurde § 9 RAO ein Abs 3a - inzwischen Abs 4 - hinzugefügt. Hierfür hat der österreichische Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art 23 Abs 1 lit g DS-GVO Gebrauch gemacht.67 Eine Beschränkung des Auskunftsbegehrens ist demnach für jene Berufsstände möglich, die bei Verletzung der berufsständischen Regeln mit erheblichen Sanktionen belegt werden können.68
Die steiermärkische Rechtsanwaltskammer erachtet § 9 Abs 4 RAO als unionsrechtskonform und weist auf die Verschwiegenheitspflicht als unumstößlichen Grundsatz des Berufsstandes des Rechtsanwaltes hin.69
In § 9 Abs 4 RAO ist vorgesehen, dass sich eine betroffene Person nicht auf ihre Rechte aus den Art 12-22 und 34 DS-GVO sowie § 1 DSG berufen kann, insofern dies "das Recht des Rechtsanwalts auf Verschwiegenheit zur Sicherstellung des Schutzes der Partei oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen oder der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erfordert".70
In der Regierungsvorlage wird hierzu festgehalten, dass die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht zu den "tragenden Säulen des Anwaltsberufes" gehört und ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit sowie des Grundrechts auf ein faires Verfahren ist. Des Weiteren erfolgt ein Verweis auf § 9 Abs 3 RAO: Das Umgehungsverbot zeigt auf, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht über Umwege eingeschränkt werden darf, was auch auf die datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte zu erstrecken ist.71
Der Gesetzgeber führt außerdem expressis verbis an, dass auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen ist. Die Rechte der betroffenen Person sollen daher nur dann berücksichtigungswürdig sein, wenn das Recht (bzw die Pflicht) des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheit der Geltendmachung im konkreten Einzelfall nicht entgegensteht. Dies ist nach dem Gesetzgeber erforderlich, um eine (missbräuchliche) Geltendma-
chung von Betroffenenrechten zur Einsicht in Unterlagen und Akten des gegnerischen Rechtsanwaltes während eines laufenden Verfahrens zu verhindern.72
Der Rechtsanwalt kann zweifellos aufgrund seiner beruflichen Selbstständigkeit als Verantwortlicher iSd DS-GVO tätig werden.73 Diesen trifft daher jedenfalls die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsbegehren.74 Eine ausbleibende Reaktion auf ein Auskunftsbegehren kann gem Art 83 Abs 5 lit b DS-GVO mit einer Strafe von bis zu € 20 Mio oder 4 % des Gesamtjahresumsatzes geahndet werden.75
Eine Geheimhaltungspflicht iZm dem Auskunftsanspruch kann sich jedoch nach Art 15 Abs 4 DS-GVO aus einem berechtigten Interesse Dritter oder des Verantwortlichen ergeben. Der Verantwortliche ist hierfür beweispflichtig.76 Als berechtigtes Interesse Dritter kann jedenfalls auch das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant sowie die damit einhergehende Verschwiegenheitspflicht betrachtet werden.77
Jede Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht ist - aufgrund des hohen Stellenwertes der Verschwiegenheit für den Rechtsstaat - restriktiv auszulegen.78 In der Einleitung der Regierungsvorlage zur Einführung des (nunmehrigen) § 9 Abs 4 RAO wird jedoch ausdrücklich angeführt, dass es durch die Anpassungen zu keiner Unterschreitung des bisherigen Schutzniveaus der DS-GVO kommen soll.79
Zu beachten ist jedenfalls, dass der Rechtsanwalt eine Berufspflichtverletzung verwirklicht, wenn er im Auskunftsbegehren mehr schützenswerte Informationen preisgibt, als er müsste.80 Eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann ebenso fahrlässig erfolgen,81 weswegen eine Sorgfaltspflichtverletzung durch Unkenntnis der Reichweite des § 9 Abs 4 RAO sowie der Verschwiegenheitspflicht von disziplinarrechtlicher Bedeutung82 ist.
Hinsichtlich der Beantwortung des Auskunftsersuchens durch den Rechtsanwalt stellt sich nun die Frage, welche Informationen iSd DS-GVO beauskunftet werden müssen, welche risikofrei beauskunftet werden können und welche durch die Verschwiegenheitspflicht geschützt sind. Jedenfalls zuzustimmen ist Thiele, der darauf hinweist, dass ein pauschaler Verweis auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht als Reaktion auf ein Auskunftsbegehren unzulässig ist.83
Die Reichweite des berechtigten Geheimhaltungsinteresses wird in jedem Fall die Mandantenkorrespondenz sowie inhaltsbezogene Aufzeichnungen umfassen.84 Der Meinung von Brink/Joos 85 folgend, werden auch vorbereitende Dokumente zur Einholung rechtlichen Rats hiervon erfasst. Dörnhöfer argumentiert, dass bereits eine Übersicht über die verarbeiteten personenbezogenen Daten in verständlicher Form genügt.86
Zur Reichweite des Auskunftsanspruches stellte das BVwG bereits 2018 fest, dass "ein Rechtsanwalt mit Hilfe des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts keinesfalls verpflichtet werden kann, Auskunft über den Inhalt von Urkunden, die sein Mandant übergeben hat, oder über den Inhalt einer E-Mail-Korrespondenz mit dem Mandanten zu geben, die dem Berufsgeheimnis unterfallen, auch wenn solche Dokumente automationsunterstützt verarbeitete Daten eines Auskunftswerbers enthalten sollten". Hierzu zählt das BVwG auch Inhalte elektronischer Akten.87
Eine Kopie jener Dokumente zu verlangen, ist uE nicht von Art 15 DS-GVO gedeckt und würde die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verletzen. Die Schwärzung einer Kopie wäre zwar rein faktisch möglich, würde jedoch zu einem erheblichen Mehraufwand führen, was bei einem diesbezüglichen Vorsatz des Auskunftswerbers wohl an Rechtsmissbrauch grenzt.
Inhaltlich kann sich der Rechtsanwalt - stets unter Berufung auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht als Begründung - uE auf eine Auskunft88 über die Kategorien der personenbezogenen Daten sowie die sonstigen verbindlichen Kataloginformationen des Art 15 Abs 1 DS-GVO beschränken. Diese Informationen sind uE auch vom Rechtsanwalt herauszugeben, solange es dadurch im Einzelfall nicht zu einer Offenlegung des Vertretungsverhältnisses oder sonstiger schutzwürdiger Informationen kommt.
Das Recht auf Auskunft gem Art 15 DS-GVO ist das zentrale Recht der betroffenen Person, um Kenntnis von der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu erlangen und in weiterer Folge deren Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Ein unbeschränkter Auskunftsanspruch gegenüber einem Mitglied des Standes der Rechtsanwälte würde jedoch einen groben Eingriff in die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht darstellen.
Es kann daher uE jedenfalls festgehalten werden, dass der Rechtsanwalt bei einem Auskunftsbegehren weder Unterlagen, Urkunden oder E-Mails herausgeben noch eine Kopie davon anfertigen muss, sofern dadurch die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht beeinträchtigt wird.
Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass er sich unter Verweis auf seine Verschwiegenheitspflicht jeglicher Auskunftspflicht entledigen und die Auskunft schlicht verweigern kann: Er muss vielmehr ordnungsgemäß nach den Vorgaben von Art 12 Abs 1 und Art 15 DS-GVO beauskunften.
Allein die Auskunft darüber, dass personenbezogene Daten des Betroffenen verarbeitet werden und auf welcher Grundlage dies beruht, eröffnet dem Betroffenen die Möglichkeit einer Beschwerde bei der Datenschutzbehörde (bzw der Rechtsanwaltskammer)89 und ist daher in diesem konkreten Anwendungsfall ausreichend, um die Betroffenenrechte aus der DS-GVO effektiv wahrnehmen zu können. Eine vollständige Übersicht der Kataloginformationen des Art 15 Abs 1 DS-GVO erfüllt daher die datenschutzrechtliche Auskunftsverpflichtung des Rechtsanwalts.
Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DS-GVO), ABl L 2016/119, 1 idF L 2018/127, 2.
Siehe etwa BVwG 27. 9. 2018, W214 2127449-1; DSB 15. 3. 2016, DSB-D122.424/0002-DSB/2016.
Haidinger in Knyrim (Hrsg), Der DatKomm Art 15 DSGVO Rz 1 (Stand 1. 10. 2018).
Ehmann in Selmayr/Ehmann (Hrsg), Datenschutz-Grundverordnung2 (2018) Art 15 Rz 35.
Siehe dazu etwa Glaser, Die 4. Geldwäsche-RL - Grundfragen und Anwendungsperspektiven, AnwBl 2017, 161.
Statt vieler etwa Völkel/Farahmandnia, Die Verschwiegenheitspflicht der RechtsanwältInnen im Spannungsverhältnis zu Melde- und Auskunftspflichten nach der RAO, ecolex 2019, 465.
Scheuba, Zentrale standesrechtliche Pflichten gegenüber dem Klienten, in Csoklich/Scheuba (Hrsg), Standesrecht der Rechtsanwälte (2018) 52 (55 f).
Vgl Raji, Auskunftsanspruch in der Praxis. Ausgewählte Fragen zum Auskunftsrecht nach Art 15 DS-GVO, ZD 2020, 279 (280).
Vgl ErlRV 65 BlgNR XXVI. GP, 160 zur Einführung von § 9 Abs 4 RAO.
Specht in Sydow (Hrsg), Datenschutzgrundverordnung2 (2018) Art 15 Rz 1; Haidinger in DatKomm Art 15 DSGVO Rz 1.
Schmidt-Wudy in Wolff/Brink (Hrsg), BeckOK Datenschutzrecht Art 15 Rz 2 (Stand 1. 11. 2020).
EuGH 7. 5. 2009, C-553/07 (Rijkeboer) Rz 51, jusIT 2009/74, 151 (Jahnel); gleichlautend ErwGr 63 VO (EU) 2016/679.
Specht in Datenschutzgrundverordnung2 Art 15 Rz 1.
Specht in Datenschutzgrundverordnung2 Art 15 Rz 1.
Riesz in Holoubek/Lienbacher (Hrsg), GRC-Kommentar2 Art 8 Rz 72 (Stand 1. 4. 2019); Schmidt-Wudy in BeckOK Datenschutzrecht Art 15 Rz 5; Paal in Paal/Pauly (Hrsg), DSGVO BDSG Kommentar3 (2021) Art 15 DS-GVO Rz 3.
Haidinger in DatKomm Art 15 DSGVO Rz 25.
Haidinger in DatKomm Art 15 DSGVO Rz 26.
ErwGr 59 VO (EU) 2016/679.
Haidinger/Illibauer, Informationspflichten und Betroffenenrechte, in Knyrim (Hrsg), Praxishandbuch Datenschutzrecht4 (2020) 199 (215).
Souhrada-Kirchmayer, Das Auskunftsrecht nach der Datenschutz-Grundverordnung, in Jahnel (Hrsg), Datenschutzrecht. Jahrbuch 2017 (2017) 76 (77).
Ehmann in Datenschutz-Grundverordnung2 Art 15 Rz 24; DSB 31. 7. 2019, DSB-D123.901/0002-DSB/2019, ecolex 2019/477, 1089 (Primosch) = jusIT 2020/13, 40 (Jahnel).
DSB 31. 7. 2019, DSB-D123.901/0002-DSB/2019.
EuGH 15. 7. 1964, C-6/64 (Costa/E.N.E.L).
EuGH 5. 2. 1963, C-26/62 (Van Gend en Loos/Niederländische Finanzverwaltung).
Übersichtlich aufbereitet unter <ec.europa.eu/info/about-european-commission/what-european-commission-does/law/areas-eu-action_de> (2. 1. 2021).
Muzak, B-VG6 Art 10 Rz 24 (Stand 1. 10. 2020).
ErwGr 63 VO (EU) 2016/679.
Haidinger/Illibauer in Knyrim, Praxishandbuch Datenschutzrecht4, 199 (221); Schmidl, Rechtsdurchsetzung im Datenschutz nach der DSGVO und dem DSG 2018, in Nunner-Krautgasser/Garber/Klauser (Hrsg), Rechtsdurchsetzung im Datenschutz nach der DSGVO und dem DSG 2018 (2019) 1 (8).
Wybitul/Baus, Wie weit geht das Recht auf Auskunft und Kopie nach Art 15 DSGVO?, CR 2019, 494 (495), mit Verweis auf Härting, Was ist eigentlich eine "Kopie"?, CR 2019, 219 (220).
Ronellenfitsch, 47. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz und Erster Bericht zur Informationsfreiheit, 81 <datenschutz.hessen.de/sites/datenschutz.hessen.de/files/2018_47_TB.pdf> (2. 1. 2021).
Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht, 8. Tätigkeitsbericht, 46 <lda.bayern.de/media/baylda_report_08.pdf> (2. 1. 2021).
LG Köln 18. 3. 2019, 26 O 25/18, Rz 21.
BVwG 2. 3. 2020, W214 2224106-1, Punkt 3.2.2.3.
DSB 18. 4. 2019, DSB-D122.913/0001-DSB/2019, jusIT 2019/78, 215. (Thiele).
Dazu sogleich in Punkt 4.
Schur, Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in der österreichischen Rechtsordnung, AnwBl 2009, 257 (258).
So etwa in § 321 ZPO, § 157 StPO, § 49 Abs 1 Z 2 AVG etc.
Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl 96/1868 idF BGBl I 58/2020.
RIS-Justiz RS0116762, zuletzt in OGH 27. 5. 2010, 5 Ob 67/10d.
So etwa ausdrücklich in OGH 21. 12. 2004, 4 Ob 228/04i, SZ 2004/187.
Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek (Hrsg), RAO10 § 9 Rz 24 (Stand 15. 9. 2018, rdb.at); Feil, Anwaltsrecht8 (2014) § 9 RAO Rz 24.
Bundesgesetz vom 28. Juni 1990 über das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter - DSt), BGBl I 474/1990 idF I 58/2020.
RIS-Justiz RS0055168, zuletzt in OGH 18. 6. 2020, 24 Ds 1/20m.
Csoklich, Berufliche Verschwiegenheit - unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, AnwBl 2013, 571 (574); siehe dazu auch das in § 9 Abs 3 RAO statuierte Umgehungsverbot.
Gesetz vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung - ZPO), RGBl 113/1895 idF BGBl I 109/2018.
Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975 idF I 24/2020.
Schur, AnwBl 2009, 257 (258); G. Kodek, Das Aussageverweigerungsrecht von Rechtsanwälten - eine Bestandsaufnahme, AnwBl 2019, 136 (137).
Csoklich/Huber, Anwaltliche Verschwiegenheit und ihre Durchbrechung, insbesondere bei den Anwaltsgehilfen, AnwBl 2015, 80 (81).
Etwa aus dem Fernmeldegeheimnis (Art 10a StGG), dem Briefgeheimnis (Art 10 StGG) und dem Hausrecht (Art 9 StGG).
Etwa aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK sowie dem Recht auf Privat- und Familienleben nach Art 8 EMRK.
Die GRC schützt die Verschwiegenheitspflicht durch Art 7 (Schutz von Wohnung und Kommunikation) iVm Art 47 (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf) und Art 48 Abs 2 (Verteidigungsrechte).
EuGH 18. 5. 1982, 155/79 (AM & S/Kommission).
Scheuba in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte, 52 (57).
Völkel/Farahmandnia, ecolex 2019, 465 (465).
Fichtenbauer, Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwaltes als Vertragsverfasser, AnwBl 1993, 69 (69 ff); Scheuba in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte, 52 (57).
RIS-Justiz RS0116763, zuletzt in OGH 6. 2. 2012, 16 Bkd 6/11.
RIS-Justiz RS0072359; ähnlich bereits OGH 15. 12. 1969, Bkd 42/69.
Vgl Völkel/Farahmandnia, ecolex 2019, 465 (465).
Scheuba in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte, 52 (61).
Siehe Unterpunkt 4; BVwG 27. 9. 2018, W214 2127449-1, Punkt 3.2.2.
OGH 16. 12. 1996, 3 Bkd 4/96; Lehner in RAO10 § 9 Rz 41.
Wenngleich die erläuternden Materialien (fälschlicherweise) von Art 23 Abs 1 lit i und j sprechen, deckt die Öffnungsklausel des lit g den konkreten Fall ab.
Haidinger in DatKomm Art 23 DSGVO Rz 19; Peuker in Sydow (Hrsg), Datenschutzgrundverordnung2 Art 23 Rz 32.
Brandl, Stellungnahme des Ausschusses der steiermärkischen Rechtsanwaltskammer zu Informationspflicht und Auskunftsbegehren gemäß DSGVO und DSG, GZ 2017/0151.
ErlRV 65 BlgNR XXVI. GP, 160.
ErlRV 65 BlgNR XXVI. GP, 160.
Thiele, Datenschutz für Anwaltskanzleien, jusIT 2018/42, 106 (109).
Haidinger in DatKomm Art 15 DSGVO Rz 15.
DSB 21. 6. 2018, DSB-D122.844/0006-DSB/2018, ZIIR 2018, 355 (Thiele) = Dako 2019/25, 32 (Knoll).
Bäcker in Kühling/Buchner (Hrsg), DS-GVO/BDSG3 Art 15 Rz 42a.
Schepers, Der Umgang mit einem Auskunftsersuchen nach der DSGVO, DStR 2019, 1109 (1110); Haidinger in DatKomm Art 23 DSGVO Rz 19; vgl auch Raji, ZD 2020, 279 (284).
Etwa OBDK 8. 11. 2010, 9 Bkd 2/10, AnwBl 2011, 78 (Klingsbigl); OGH 18. 6. 2020, 24 Ds 1/20m.
So OGH 25. 10. 2004, 4 Bkd 3/04, AnwBl 2005/7991, 295 (Strigl) hinsichtlich einer anwaltlichen Zeugenaussage trotz Zeugnisverweigerungsgrundes; RIS-Justiz RS0119489.
RIS-Justiz RS0116765, zuletzt OGH 30. 6. 2008, 12 Bkd 2/08, AnwBl 2008, 457 (Klingsbigl).
Siehe bereits bei Unterpunkt 3.1.
Thiele, jusIT 2018/3, 106 (110); DSB 27. 10. 2014, DSB-D122.215/0004-DSB/2014; bestätigt durch BVwG 27. 9. 2018, W214 2127449-1, Punkt 3.2.2.; so auch zur deutschen Rechtslage Brink/Joos, Reichweite und Grenzen des Auskunftsanspruchs und des Rechts auf Kopie, ZD 2019, 483 (488).
Vgl Völkel/Farahmandnia, ecolex 2019, 465 (465).
Brink/Joos, ZD 2019, 483 (488).
Dörnhöfer in Bresich/Dopplinger/Dörnhöfer/Kunnert/Riedl (Hrsg), Datenschutzgesetz Kommentar (2018) § 44 DSG Rz 1.
BVwG 27. 9. 2018, W214 2127449-1, Punkt 3.2.2.
Ähnlich auch Thiele, Die anwaltliche Datenverarbeitung de lege lata und de lege ferenda, ZIIR 2017, 372 (375).
So argumentiert etwa Conrad, Recht des Datenschutzes, in Auer-Reinsdorff/Conrad (Hrsg), Handbuch IT- und Datenschutzrecht3 (2019) 1761 (Rz 594).