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Der Artikel gibt einen Überblick über die Neuregelung des § 212a Abs 2b BAO. Gemeinsam mit dem Artikel "Die Neuregelung des § 212a Abs 9 BAO durch das AbgÄG 2022" stellt er die mit dem AbgÄG 2022 erfolgten Änderungen des § 212a BAO vor.
§ 212a Abs 2b Z 1 BAO idF AbgÄG 2022 sieht vor, dass ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO zurückzuweisen ist, wenn "keine Beschwerde eingebracht wurde". Damit ist klar, dass die in der Literatur diskutierte Frage, ob in diesem Fall statt einer Zurückweisung auch eine Abweisung in Betracht kommt, vom Gesetzgeber zugunsten der Zurückweisung entschieden wurde. Offen ist allerdings auch nach dem AbgÄG 2022 weiterhin die Frage, bis wann eine Bescheidbeschwerde eingebracht werden kann: Sind Aussetzungsanträge nur dann nicht zurückzuweisen, wenn zum Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Abgabenbehörde bereits eine Bescheidbeschwerde vorliegt (was bedeutet, dass ein Aussetzungsantrag entweder nach oder frühestens zeitgleich mit der Einbringung der Bescheidbeschwerde zu stellen wäre), oder steht es der Abgabenbehörde frei, zuzuwarten, bis eine solche Beschwerde eingeht? Mit anderen Worten: Ist nur dann zurückzuweisen, wenn endgültig feststeht, dass keine Bescheidbeschwerde mehr eingebracht werden wird? In diesem Zusammenhang ist auch zu erörtern, ob und wie lange die zuständige Abgabenbehörde zuwarten darf bzw kann.
Nach hM in der Literatur,1 nach der Rechtsprechung2 und nach Meinung der Finanzverwaltung3 setzt ein Aussetzungsantrag das Vorliegen einer Bescheidbeschwerde voraus. Dies kann auch aus § 212a Abs 1 BAO abgeleitet werden, der als Tatbestandsvoraussetzung ua normiert, dass die Einhebung einer Abgabe von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängen muss.4
Betrachtet man die in der Literatur geführte Diskussion und die dort angeführten Probleme und Lösungsvorschläge, sind grundsätzlich vier verschieden Szenarien denkbar. Dabei stellen sich zwei verschiedene Fragen, die grundsätzlich voneinander unabhängig sind: Erstens stellt sich die Frage nach der Entscheidungsform über einen Aussetzungsantrag, wenn die dafür nötigen Voraussetzungen - nämlich das Vorliegen einer Bescheidbeschwerde (vgl
nochmals § 212a Abs 1 BAO) zu jenem Zeitpunkt, in dem der Aussetzungsantrag bei der Abgabenbehörde eingelangt ist (womit der Aussetzungsantrag frühestens zeitgleich mit der Einbringung der Bescheidbeschwerde zu stellen wäre) - nicht vorliegen: Hat eine Abweisung oder eine Zurückweisung zu erfolgen? Der Unterschied zwischen beiden Entscheidungsformen dürfte in praktischer Sicht darin liegen, ob die Nachfrist des § 212a Abs 7 BAO anwendbar ist oder nicht (siehe dazu noch unten). Zweitens stellt sich die Frage, ob Aussetzungsanträge sofort nach ihrem Einlangen zu behandeln sind und über sie eine Entscheidung zu treffen ist - wobei dem Aussetzungsantrag nicht stattzugeben wäre, wenn keine Bescheidbeschwerde vorliegt - oder ob die Abgabenbehörde zuwarten darf - oder sogar zuwarten muss -, bis eine Bescheidbeschwerde einlangt, bevor sie eine nicht-stattgebende Entscheidung trifft. In weiterer Folge stellt sich wiederum die Frage, ob diese nicht-stattgebende Entscheidung in Form einer Zurückweisung oder einer Abweisung zu ergehen hat. Diese letztere Frage wurde, wie gesagt, vom AbgÄG zugunsten der Zurückweisung entschieden.
Die dargestellte Problematik dürfte sich insb in jenen Fällen ergeben, in denen ein Abgabepflichtiger für die Einbringung der Bescheidbeschwerde Fristverlängerung - dh über die einmonatige, mit Bekanntgabe des Abgabenbescheides beginnende Beschwerdefrist des § 245 Abs 1 BAO hinaus - beantragt. Somit ist zum Zeitpunkt des Ablaufes der einmonatigen Beschwerdefrist aufgrund des § 210 BAO - dessen Frist ebenfalls einen Monat beträgt und mit Bekanntgabe des Abgabenbescheides beginnt - Fälligkeit eingetreten. Um den Eintritt der Wirkungen der Fälligkeit (Säumniszuschlag gem § 217 BAO) zu vermeiden, stünde dem Abgabepflichtigen nur ein Antrag auf Zahlungserleichterungen (Stundung oder Ratenzahlung) gem § 212 BAO zur Verfügung.5 Ein Aussetzungsantrag wäre gerade nicht zulässig, da zum Zeitpunkt seiner Einbringung eben noch keine Bescheidbeschwerde vorliegt. Damit wäre der Abgabepflichtige - zumindest vor dem 1. 7. 2021 - mit den höheren Stundungszinsen (im Vergleich zu den Aussetzungszinsen) belastet. Jedoch ist seit dem 1. 7. 2021 der Zinssatz für Stundungszinsen - voraussichtlich bis 30. 6. 2024 - und Aussetzungszinsen ident.6
In den in der Folge dargestellten Szenarien wird bei der zuständigen Abgabenbehörde ein Antrag auf Aussetzung der Abgabe gem § 212a BAO eingebracht. Es liegt allerdings zum Zeitpunkt des Einlangens dieses Antrages bei der Abgabenbehörde noch keine Bescheidbeschwerde (bei der Abgabenbehörde) vor und die Abgabenbehörde wartet nicht ab, ob der Antragsteller noch eine Bescheidbeschwerde einbringt. Dieses Szenario ist auch der Grundfall, der in der Literatur dargestellt wird.7
Szenario 1a: Nach einem Teil der Literatur ist ein solcher Antrag jedenfalls zurückzuweisen.8 Die Konsequenzen einer Zurückweisung liegen insb darin, dass keine Nachfrist iSd § 212a Abs 7 BAO eintritt und für die Abgabe - da die Säumnis nur bis zu jenem Zeitpunkt hinausgeschoben wird, in dem der Zurückweisungsbescheid bekannt gegeben wird - zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Zurückweisungsbescheids oftmals bereits Fälligkeit eingetreten sein wird (vgl § 217 Abs 4 lit b iVm § 230 Abs 6 BAO).9 Somit wird oftmals ein Säumniszuschlag nach § 217 BAO zu entrichten sein (sofern nicht die fünftägige Respirofrist nach § 217 Abs 5 BAO angewendet werden kann).10
Szenario 1b: Der Unterschied zu Szenario 1a ergibt sich dadurch, dass der Aussetzungsantrag nicht zurückzuweisen wäre, sondern von der zuständigen Abgabenbehörde abzuweisen ist.11 Durch diese andere Form der Entscheidung ergibt sich als Konsequenz, dass infolge der Abweisung des Aussetzungsantrages gem § 212a Abs 7 BAO eine Nachfrist von einem Monat für die Entrichtung der fälligen Abgaben besteht. Es ist somit für die Abgabe(n) kein Säumniszuschlag zu entrichten.
Szenario 2 unterscheidet sich von Szenario 1 lediglich dadurch, dass die Abgabenbehörde mit ihrer Entscheidung über den Aussetzungsantrag noch zuwartet, ob vom Antragsteller eine Bescheidbeschwerde eingebracht wird. Wird - letztlich - keine Bescheidbeschwerde eingebracht, stellt sich in gleicher Weise wie bei Szenario 1 die Frage, ob der Aussetzungsantrag zurückzuweisen (Szenario 2a) oder abzuweisen ist (Szenario 2b). Wird eine Zurückweisung für zulässig gehalten, steht die Nachfrist gem § 212a Abs 7 BAO nicht zu und es muss grundsätzlich am Tag der Bekanntgabe des Zurückweisungsbescheides die Abgabe entrichtet werden, widrigenfalls ein Säumniszuschlag gem § 217 BAO droht (siehe oben).
Bei Szenario 2 sind zwei Vorfragen zu klären: Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Abgabenbehörde mit ihrer Entscheidung zuwarten kann oder ob sie zuwarten muss.
Nach § 85a BAO hat die Abgabenbehörde eine Entscheidungspflicht. Insofern hat die Abgabenbehörde ohne unnötigen zeitlichen Aufschub ein Anbringen wie einen Aussetzungsantrag zu bearbeiten. Eine grundlose Verzögerung der Bearbeitung soll damit verhindert12 und überflüssige Handlungen sollen damit vermieden werden:13 Grundsätzlich ist so rasch wie möglich zu entscheiden.14 Wenn vor diesem Hintergrund die Abgabenbehörde mit der Entscheidung zuwartet, bis die Beschwerdefrist verstrichen ist, wird ihr keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorzuwerfen sein, da das Zuwarten nicht unbegründet erfolgt; weiters kann argumentiert werden, dass die Abgabenbehörde auch nicht gegen die Pflicht zu einer möglichst raschen Entscheidung verstößt, da das Zuwarten im Interesse des Abgabepflichtigen liegt. Die erste Vorfrage ist damit dahin gehend zu beantworten, dass ein Zuwarten durch die Abgabenbehörde erlaubt ist (da sie nicht gegen § 85a BAO verstößt).
Zweitens stellt sich die Frage, über welchen Zeitraum die Abgabenbehörde zuwarten kann bzw muss. Sinnvoll wäre uE, dass die Abgabenbehörde das Ablaufen der Beschwerdefrist abwartet und erst dann tätig wird. Auch die Literatur scheint davon auszugehen, dass lediglich bis zum Ende der Beschwerdefrist zuzuwarten ist.15 Diese Vorgehensweise wird insb dann praktische Bedeutung haben, wenn der Abgabepflichtige eine Verlängerung der Beschwerdefrist beantragt hat (vgl § 245 Abs 3 BAO), da es diesfalls zur Fristhemmung kommt (diese beginnt gem § 245 Abs 4 S 1 BAO mit dem Tag der Einbringung des Antrages),16 der Eintritt der Fälligkeit (vgl § 210 BAO) jedoch nicht hinausgeschoben wird. Dies soll das folgende Beispiel veranschaulichen:
Beispiel (wobei die Berechnung der offenen Restfrist nach der hM und einem Teil der VwGH-Rsp erfolgt):17
Die Zustellung des Abgabenbescheides erfolgt am 11.10.; die Beschwerdefrist würde daher am 11.11. enden. Der Fristverlängerungsantrag, mit dem eine Verlängerung bis Ende Jänner des Folgejahres beantragt wurde, erfolgt am 23.10. Ebenfalls am 23.10. stellt der Abgabepflichtige auch einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO. Die Zustellung der Abweisung des Fristverlängerungsantrages erfolgt am 5.12.
Die Restfrist berechnet sich ab Stellung des Fristverlängerungsansuchens (= 23.10.) bis zum Ende der Beschwerdefrist (= 11.11.) und ergibt 20 Tage. Sie läuft ab dem Tag, der dem Tag der Zustellung der abweisenden Entscheidung folgt (= 6.12.), weiter und endet somit am 25.12. Da der 25.12. und der 26.12. gesetzliche Feiertage sind, endet die Frist somit frühestens am 27.12. oder - falls dieser auf einen Samstag oder Sonntag fällt - erst am 28.12. oder 29.12.
Bringt der Abgabepflichtige bis zum Ende der oben dargestellten Restfrist die Beschwerde ein, ist diese rechtzeitig. Bis zu diesem Zeitpunkt darf daher die Abgabenbehörde mit der Entscheidung über den Aussetzungsantrag vom 23.10. zuwarten. Bringt der Abgabepflichtige innerhalb dieser Restfrist eine Beschwerde ein, ist - sofern die sonstigen inhaltlichen Voraussetzungen des § 212a BAO erfüllt sind - dem Aussetzungsantrag stattzugeben; bringt der Abgabepflichtige innerhalb dieser Restfrist keine Beschwerde ein, ist dem Aussetzungsantrag nicht stattzugeben (nach dem AbgÄG 2022 hat jedenfalls eine Zurückweisung zu erfolgen; siehe sogleich den folgenden Abschnitt).
Z 1 sieht nunmehr vor, dass "der Antrag auf Aussetzung der Einhebung [...] zurückzuweisen [ist], wenn 1. keine Beschwerde eingebracht wurde".
Die Einfügung der Z 1 bringt klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Diskussion um die Form der nicht-stattgebenden Entscheidung, die oben unter Abschn 1 dargestellt wurde, beenden wollte und als nicht-stattgebende Entscheidung lediglich eine Zurückweisung vorsieht, wenn keine (rechtzeitige) Bescheidbeschwerde vorliegt. Diese gesetzgeberische Absicht ergibt sich nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, sondern auch aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien, wonach Zurückweisungen nach § 212a Abs 2b BAO keine Nachfrist nach § 212a Abs 7 BAO auslösen: "Ebenso wie bei Zurückweisungen aufgrund Abs. 3 lösen auch solche nach Abs. 2b keine Nachfrist im Sinne des Abs. 7 zweiter Satz aus (vgl. dazu auch RAE 2014, Rz 535)." 18 Der Gesetzgeber wollte die Möglichkeit einer Abweisung, die wie oben geschildert (Abschn 1) in der Literatur für zulässig gehalten wurde, deswegen ausschließen, damit der Abgabepflichtige nicht die Möglichkeit einer Nachfrist in Anspruch nehmen kann. Damit sollen - möglicherweise - auch missbräuchliche Inanspruchnahmen ausgeschlossen werden (siehe oben Abschn 1). Aus der Neuregelung ergeben sich daher die beiden möglichen Konsequenzen wie in Szenario 1a und 2a in Abschn 1 geschildert.
Unklar ausgedrückt und nicht abschließend geregelt hat der Gesetzgeber jedoch die Frage, ob die zuständige Abgabenbehörde zuwarten kann oder sogar zuwarten muss, bis eine Bescheidbeschwerde eingegangen ist, bzw ob sie unmittelbar tätig werden und den Aussetzungsantrag zurückweisen muss, wenn zum Zeitpunkt seines Einlangens bei der Abgabenbehörde keine Bescheidbeschwerde vorliegt.
Aus dem Wortlaut "wenn [...] keine Beschwerde eingebracht wurde" geht eben gerade nicht hervor, ob es zulässig ist, auch nach Einbringung des Aussetzungsantrages eine Beschwerde
(innerhalb der Beschwerdefrist) einzubringen. Auch die Gesetzesmaterialien19 betonen lediglich, dass in den "genannten Fällen" - womit offenbar Z 1 bis Z 3 des neuen § 212a Abs 2b BAO gemeint sind - eine Aussetzung der Einhebung "von vornherein nicht möglich ist" (kursive Hervorhebung nicht im Original). Auch von den Gesetzesmaterialien wird daher gerade nicht ausgeschlossen, dass eine Aussetzung der Einhebung im Nachhinein - nämlich bei Einbringung der Bescheidbeschwerde nach Einbringung des Aussetzungsantrages - noch zulässig wird.
UE sind die Argumente, die für ein Zuwarten sprechen, auch nach dem AbgÄG 2022 weiterhin gültig: Zunächst wird, wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, die Entscheidungspflicht gem § 85a BAO durch ein Zuwarten nicht verletzt, da ein solches Zuwarten nicht unbegründet erfolgt und letztlich im Interesse des Abgabepflichtigen liegt.
Als weiteres Argument ist der Aspekt des Missbrauchs heranzuziehen bzw die Verhinderung eines potenziellen Missbrauchs durch den Abgabepflichtigen. Dieser könnte sich nämlich mittels Aussetzungsanträgen eine Nachfrist verschaffen (und dadurch die Konsequenzen einer Säumnis gem § 217 BAO jedenfalls vermeiden), ohne je die Absicht gehabt zu haben, eine Bescheidbeschwerde einzubringen. Da aber nach der Neuregelung durch das AbgÄG Aussetzungsanträge zurückzuweisen sind, steht dem Abgabepflichtigen nach der klaren Absicht des Gesetzgebers ohnehin keine Nachfrist iSd § 212a Abs 7 BAO mehr zu. Damit ist auch die Gefahr potenziellen Missbrauchs ausgeschlossen. Dies stellt wiederum ein Argument dafür dar, dass die Abgabenbehörde zuwarten darf, bis die Beschwerdefrist abgelaufen ist; erst wenn nach Ablauf der Beschwerdefrist klar ist, dass keine - rechtzeitige - Beschwerde mehr einlangen wird, ist daher uE der Aussetzungsantrag zurückzuweisen.
Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung ist nicht nur dann zurückzuweisen,
"wenn 1. keine Beschwerde eingebracht wurde" (siehe dazu den vorangegangenen Abschnitt), sondern auch dann, wenn
"2. der Bescheid keine Nachforderung im Sinne des Abs. 1 ausweist,
3. er nach Ergehen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren
eingebracht wird [...]".
Die Z 2 und Z 3 der Neuregelung sollen in der Folge dargestellt werden. Sie weisen allerdings weniger Auslegungsprobleme auf als die Z 1.
Nach der neuen Z 2 hat auch dann eine Zurückweisung zu erfolgen (womit eine Nachfrist gem § 212a Abs 7 BAO ebenfalls wie bei Z 1 ausgeschlossen ist), wenn "der Bescheid keine Nachforderung im Sinne des Abs. 1 ausweist".
Unter einer "Nachforderung" iSd Abs 1 ist uE in Einklang mit der bisherigen hM in der Literatur und der Ansicht der Finanzverwaltung jene des § 198 Abs 2 BAO zu verstehen; einer solchen Nachforderung muss somit nicht eine frühere Festsetzung oder die Buchung des Ergebnisses einer Selbstbemessung vorangehen.20
Diese Neuregelung entspricht der bisherigen hM und ist daher lediglich deklarativ: Schon bisher kam, sollte ein Abweichen von einem Anbringen (einer Abgabenerklärung) zum Nachteil der Partei nicht zu einer Nachforderung führen (zB wenn der Bescheid angesichts der Höhe von Vorauszahlungen trotz dieser Abweichung eine Gutschrift zur Folge hatte), eine Aussetzung der Einhebung nicht in Betracht.21
Die Neuregelung stellt lediglich klar, dass eine Zurückzuweisung (und keine Abweisung) zu erfolgen hat. Fragen des Zuwartens stellen sich hier nicht: Die Abgabenbehörde hat bei fehlender Nachforderung unverzüglich zurückzuweisen.
Nach der neuen Z 3 hat auch dann eine Zurückweisung zu erfolgen (womit eine Nachfrist gem § 212a Abs 7 BAO ebenfalls wie bei Z 1 und Z 2 ausgeschlossen ist), wenn " 3. er [= der Aussetzungsantrag] nach Ergehen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren eingebracht wird [...]".
Eine "Entscheidung des Verwaltungsgerichts" ist - lege non distinguente - nicht nur eine Entscheidung, die durch Erkenntnis getroffen wurde, sondern auch eine mit Beschluss des Verwaltungsgerichts getroffene Entscheidung (vgl § 278 BAO).
Auch diese Neuregelung entspricht der bisherigen hM und ist daher deklarativ: Der Zeitraum, in dem ein Aussetzungsantrag gestellt werden kann, endete auch nach der bisherigen Rechtslage mit der Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (somit bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung und bei mündlichen Erledigungen - ungeachtet der Regelung des § 277 Abs 4 BAO, wonach die Beschwerdeentscheidung diesfalls immer auch zugestellt werden muss - durch Verkündung).22
Die Neuregelung stellt auch in diesem Punkt lediglich klar, dass eine Zurückweisung und keine Abweisung zu erfolgen hat. Probleme des Zuwartens stellen sich hier ebenso wenig wie bei Z 2: Liegt eine "Entscheidung" des Verwaltungsgerichts vor, ist unverzüglich zurückzuweisen.
Eine Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde iSd §§ 262 ff BAO ist keine "Entscheidung des Verwaltungsgerichts". Im Falle einer verbösernden Beschwerdevorentscheidung kommt demnach im Zuge der Stellung eines Vorlageantrages auch eine
Aussetzung der Einhebung in Betracht; dies ergibt sich letztlich auch aus dem - durch das AbgÄG 2022 - unveränderten Abs 5 des § 212a BAO.23
Im fortgesetzten Verfahren - dh nach Aufhebung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (in der Regel des BFG) durch den VwGH - kommt wie nach der bisherigen Rechtslage ebenfalls eine Aussetzung der Einhebung in Betracht.24 Hier hat daher keine Zurückweisung eines Aussetzungsantrages zu erfolgen.
Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung ist des Weiteren zurückzuweisen, wenn "4. zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzverfahren anhängig ist". Ausweislich der Gesetzesmaterialien25 wird damit der ständigen Rsp des VwGH26 Rechnung getragen, die den (spezielleren) insolvenzrechtlichen Normen Vorrang vor den abgabenverfahrensrechtlichen Vorschriften einräumt.27 So ist die Entrichtung von Abgaben nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabenschuldners nur nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Regelungen zulässig, was im Ergebnis bedeutet, dass Abgabenschulden grundsätzlich lediglich im Rahmen der Bestimmung des § 128 IO (Befriedigung der Insolvenzgläubiger) eingehoben werden können, der Fiskus also bloß quotenmäßig im Weg der Verteilung der Masse durch den Masseverwalter befriedigt wird (siehe dazu aber unten). Da die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung iSd § 212a BAO nach laufender Rsp des (UFS und) BFG28 eine Einhebungsmaßnahme bildet, die abgabenverfahrensrechtlichen Normen den insolvenzrechtlichen aber wie vorstehend ausgeführt nachgehen, dürfen mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keine (abgabenverfahrensrechtlichen) Einhebungsschritte mehr gesetzt werden. Mit anderen Worten: Die zuständige Abgabenbehörde darf nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keinen Zahlungsaufschub nach § 212a BAO mehr bewilligen, ein darauf gerichteter Antrag steht den insolvenzrechtlichen Vorschriften entgegen und ist daher mangels Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen.
Ausnahmsweise darf die zuständige Abgabenbehörde einen Zahlungsaufschub iSd § 212a BAO nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens uE nur dann bewilligen, wenn aus Sicht des Fiskus eine Masseforderung vorliegt; der Antrag ist diesfalls vom Masseverwalter zu stellen. Diese Überlegung wird uE von den Gesetzesmaterialien gestützt, die lediglich von "Insolvenzgläubiger[n]", nicht aber von Massegläubigern sprechen. Masseforderungen sind Forderungen, die - im Gegensatz zu Insolvenzforderungen - nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstehen; um eine Forderung des Fiskus als Masseforderung (iSd § 46 Z 2 IO) ansprechen zu können, muss der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt also während des Insolvenzverfahrens verwirklicht werden.29 Masseforderungen bilden - anders als Insolvenzforderungen - Ansprüche an die Insolvenzmasse, die vorweg, dh vor den Insolvenzgläubigern, zu befriedigen sind (§ 47 Abs 1 IO). Problematisch in diesem Zusammenhang ist die Rsp des VwGH,30 wonach sich die Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseforderung im Fall der Ertragsteuern (ESt und KöSt) nach § 4 Abs 2 Z 2 BAO richte: Sofern der Abgabenanspruch nicht bereits nach § 4 Abs 2 Z 1 BAO (Kalendervierteljahr bei ESt- und KöSt-Vorauszahlung) entstanden sei, entstehe er für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahrs31 - also idR immer nach Insolvenzeröffnung: Damit wären ESt und KöSt aus Sicht des Fiskus de facto regelmäßig Masseforderungen,32 sodass die kapiteleinleitend referierte Bestimmung des § 128 IO (Befriedigung der Insolvenzgläubiger) im Hinblick auf den Fiskus tendenziell zur Ausnahme verkäme und auch der Anwendungsbereich des § 212a Abs 2b Z 4 BAO erheblich reduziert würde.
Da die Neufassung des § 212a Abs 2b Z 4 BAO die Zurückweisung eines Antrags auf Aussetzung der Einhebung lediglich dann vorsieht, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzverfahren anhängig ist, kann ein solcher Antrag nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens selbstverständlich wieder gestellt werden.
Ritz/Koran, BAO7 (2021) § 212a Rz 6 ("Die Einhebung einer Abgabe ist aussetzbar, wenn ihre Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt. Dies gilt nur insoweit, als mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Beschwerdepunkten angefochten wird, in denen er von einem Anbringen abweicht."); Urtz in Altenburger/Kneihs, Schriftsätze an VwG, VfGH und VwGH6 (2018) 49; Capek in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.02 (2021) zu § 212a BAO, Rz 6 ff.
"Eine Antragstellung auf Aussetzung der Einhebung ist von der Einbringung der maßgeblichen Berufung [nunmehr: Beschwerde] bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über diese zulässig": VwGH 10. 12. 1991, 91/14/0164.
Ebenso RAE Rz 415; "Aussetzungsanträge sind grundsätzlich frühestens gleichzeitig mit der Bescheidbeschwerde einzubringen (VwGH 11.2.1994, 92/17/0152)".
Vgl zB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 23 (Stand 1. 9. 2020, rdb.at).
ZB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 24.
Gemäß § 323c Abs 13 BAO idF BGBl I 2021/228 betragen die Stundungszinsen gem § 212 Abs 2 BAO ab 1. 7. 2021 bis 21. 11. 2021 sowie ab 1. 2. 2022 bis 30. 6. 2024 2 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr. Somit ergibt sich seit 21. 12. 2022 ein aktueller Zinssatz für Stundungszinsen in Höhe von 3,88 %.Gemäß § 212a Abs 9 BAO (seit dem AbgÄG 2004, BGBl I 2004/180) beträgt die Höhe der Aussetzungszinsen 2 % über dem Basiszinssatz. Insofern ergibt sich seit 21. 12. 2022 ebenfalls ein aktueller Zinssatz für Aussetzungszinsen in Höhe von 3,88 %.
ZB Schaden, Bleibt eine Lücke im Rechtsschutzsystem? ÖJZ 1989, 419; Ellinger, Änderungen der BAO durch das 2. AbgÄG 1987, ÖStZ 1988, 166; Stoll, BAO-Kommentar (1994) 2271; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 23.
ZB Schaden, ÖJZ 1989, 419.
Dies setzt voraus, dass aufgrund des weitgefassten Gesetzeswortlautes unter einer "Erledigung" iSd § 230 Abs 6 BAO auch eine Zurückweisung zu verstehen ist.
Nach dem oben Gesagten müsste, um einen Säumniszuschlag zu vermeiden, die Entrichtung der fälligen Abgaben am Tag der Bekanntgabe (= Zustellung) des Zurückweisungsbescheides vorgenommen werden (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 27 f). Dies wird in der Praxis wohl oftmals nicht gelingen. UE spricht aber nichts dagegen, die fünftägige Respirofrist nach § 217 Abs 5 BAO auch in diesem Fall anzuwenden, was die Problematik des Säumniszuschlages wohl entschärfen dürfte.
RAE 2014 Rz 416 ("Anträge, die vor Einbringen einer Bescheidbeschwerde gestellt werden, sind, wenn kein Zurückweisungsgrund vorliegt, als unbegründet abzuweisen, wenn nicht bis zur Erledigung des Antrages die Beschwerde eingebracht wird."); Ellinger, ÖStZ 1988, 166 (167), wobei anzumerken ist, dass Ellinger auch erwähnt, dass die Abgabenbehörde möglicherweise zuwarten kann: "Da die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung nur während eines anhängigen Berufungsverfahrens in Betracht kommt, können Aussetzungsanträge grundsätzlich frühestens gleichzeitig mit der maßgeblichen Berufung eingebracht werden; ein früher gestellter Antrag ist, wenn nicht bis zu seiner Erledigung die Berufung eingebracht wurde, als unbegründet abzuweisen"; so auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 23.
ZB Reiter in Schuh/Macho/Kerstinger, Handbuch zur Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung29 (2015) Entscheidungspflicht - § 85a BAO.
Vgl zB Ritz, BAO5 § 85a Rz 5 (mwN der Rsp).
Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 85a Anm 6 (Stand 1. 9. 2020, rdb.at).
ZB Stoll, BAO 2271.
Des Weiteren kommt es bei Anträgen auf Mitteilung der dem Bescheid fehlenden Begründung (§ 245 Abs 2) zu einer Fristhemmung.
Siehe zu diesem Beispiel und zur Fristberechnung im Allgemeinen Akar/Urtz, Beginn und Ende der Fristhemmung bei Anträgen auf Mitteilung der dem Bescheid fehlenden Begründung sowie bei Fristverlängerungsanträgen (§ 245 Abs 4 BAO), ÖStZ 2019, 542 (546).
Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 10; RAE 2014 Rz 426.
ZB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 8.
Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 25; VwGH 10. 12. 1991, 91/14/0164; 10. 4. 1991, 91/15/0011; RAE 2014 Rz 418.
ZB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 13; RAE 2014 Rz 434.
ZB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 26; RAE 2014 Rz 419. Zur Diskussion, wie vorzugehen ist, wenn bereits bescheidmäßig der Ablauf der Aussetzung verfügt wurde (§ 212a Abs 5 BAO), siehe weiterführend Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 26a und 26b.
ZB VwGH 27. 1. 1981, 0842/80; 14. 9. 1993, 91/15/0103.
So auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rz 81.
ZB UFS 22. 7. 2005, RV/0341-G/04, und 1. 8. 2005, RV/0339-G/04; BFG 27. 1. 2016, RV/5200007/2014. Diese Rsp stützt sich auf ein Erkenntnis des VwGH vom 17. 10. 2002, 2002/17/0238, wonach die Einhebung einer Abgabe nur ausgesetzt werden kann, wenn Einhebungsschritte überhaupt in Betracht kommen (im gegenständlichen Fall war die Abgabe bereits entrichtet worden).
K.F. Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze § 46 IO (Stand 1.11.2012, rdb.at) Rz 100.
K.F. Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze § 46 IO (Stand 1.11.2012, rdb.at) Rz 105.
Hinsichtlich der USt stellt sich die Problematik nicht in der Schärfe wie im Fall der Ertragsteuern. Zwar entsteht auch die "Jahres-USt" mit Ablauf des Kalenderjahrs, § 19 Abs 2 UStG sieht aber für USt-Vorauszahlungen einen davon abweichenden Steuerentstehungszeitpunkt vor (idR mit Ablauf des Monats, in dem die Leistung ausgeführt wurde), sodass die USt-Ansprüche des Fiskus problemlos bloße Insolvenzforderungen sein können (vgl K.F. Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze § 46 IO [Stand 1.11.2012, rdb.at] Rz 155 ff).