Fachliteratur

Peter Lerche. Ausgewählte Abhandlungen.

Peter Pernthaler

Herausgegeben von Rupert Scholz, Dieter Lorenz und anderen. Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 969. Duncker & Humblot, Berlin 2004. 566 Seiten, gebunden, € 118,-.

Die vorliegende Sammlung wieder abgedruckter Untersuchungen - aus Anlass des 75. Geburtstages des Autors - gibt nicht nur einen gut gelungenen Überblick über die Schwerpunkte seines eigenen wissenschaftlichen Werkes, sondern zeichnet damit zugleich eine außerordentlich fruchtbare Periode der deutschen Staatsrechtslehre nach. Der Leser wird sehr bald erkennen, dass hier ein sorgfältig abwägender, fast immer verständnisbereit anerkennender Geist am Werk ist, dessen Freude die sprachgewaltige Argumentation, nicht aber die Keule der methodischen Vernichtung ist. Wie ein beeindruckendes Programm für das Lebenswerk des Autors liest sich daher die frühe Abhandlung „Stil, Methode, Ansicht“ (1961), wo die methodischen Extreme der deutschen Staatsrechtslehre in aller Gegensätzlichkeit als Teilwahrheiten erkannt und zu einem Ausgleich in der konkreten juristischen Problemlösung vermittelt werden. Schon hier kündigt sich an, was später die eigentliche wissenschaftliche Originalität und Leistung Lerches ausmacht: Die Verbindung zwischen formaler Strenge im Verfahren und materieller Offenheit gegenüber den jeweils maßgebenden Wertgesichtspunkten und notwendigen Sachbezügen des Rechts. In seinen großen prägenden Werken (vor allem „Übermaß und Verfassungsrecht“) zeigt sich Lerche ebenso wie in den hier neu aufgelegten Beiträgen begrenzter Themenstellung als der große Vermittler der Verfassungsprinzipien mit alltäglichen Rechtsproblemen und Einzelfällen. In einer Zeit „des allgemeinen Verblassens vorgegebener gesellschaftlicher Übereinstimmung“ (251) - und damit auch der normativen Gesinnung der Menschen (Hans Huber) - sucht er den Rechtsstaat als Staat der Vernunft in einer „Punkt-für-Punkt-Rationalität“ zu sichern. Allgemeine Anordnungen müssen nicht nur als generelle Normen analysiert werden, sondern auch mit Augenmaß für die notwendigen punktuellen Besonderheiten konkretisiert werden, freilich ohne das Normenmaterial „immer feiner zu zerstäuben“. Viel Verantwortung für die Geltung und Bedeutung der Verfassung trifft daher den einfachen Gesetzgeber, der geradezu eine „Grundrechtsprägung“ vornimmt. Lerche geht davon aus, dass die Grundrechte in der unterverfassungsrechtlichen Rechtsordnung einer Fülle von Konflikten und Interessengegensätzen ausgesetzt sind, die zum Ausgleich gebracht werden müssen, was wiederum zur Forderung eines angemessenen Verfahrens führt. Die damit einhergehende „Unterspülung“ der stringenten Verfassungsnormen und der „Verlust an Leuchtkraft grundrechtlicher Substanz“ ist der Preis für die Ausweitung des Geltungsanspruches der Grundrechte auf die volle Fläche unterverfassungsrechtlicher Rechtskonstellationen (322).

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Artikel-Nr.
ZfV 2007/2527

14.01.2008
Heft 6/2007
Autor/in
Peter Pernthaler
Peter Pernthaler