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Abfallbehandlungsverfahren: „Beseitigung“ oder „Verwertung“?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

AWG 2002: § 2

RL 2008/98/EG idF RL (EU) 2018/851: Art 3, Anh I, Anh II

Nach der Rsp des EuGH (vgl EuGH 28. 7. 2016, Edilizia Mastrodonato, C-147/15, Rn 38 ff, mwN) liegt das entscheidende Merkmal einer Abfallverwertungsmaßnahme darin, dass ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, wodurch natürliche Ressourcen erhalten werden können. Die Schonung der natürlichen Ressourcen muss der Hauptzweck der Verwertungsmaßnahme sein. Ist die Schonung natürlicher Ressourcen nur ein Nebeneffekt einer Maßnahme, deren Hauptzweck die Abfallbeseitigung ist, kann dies die Einstufung der Maßnahme als Beseitigungsmaßnahme nicht in Frage stellen.

In den Anhängen zur RL 2008/98/EG [über Abfälle ...] idF RL (EU) 2018/851 werden die gängigsten Beseitigungs- und Verwertungsverfahren angegeben, ohne dass sie eine abschließende Aufzählung aller Beseitigungs- und Verwertungsverfahren iSd RL 2008/98/EG idF RL (EU) 2018/851 enthalten. Ein bestimmtes Abfallbehandlungsverfahren kann nicht zugleich als "Beseitigung" und als "Verwertung" eingestuft werden. Lässt sich ein Abfallbehandlungsverfahren angesichts der bloßen Bezeichnung des betreffenden Verfahrens nicht einem oder einer einzigen der in den Anhängen der RL erwähnten Verfahren oder Verfahrenskategorien zuordnen, muss es im Licht der Ziele und der Begriffsbestimmungen der RL von Fall zu Fall eingestuft werden. Kriterien für die Beurteilung, ob eine Maßnahme als Beseitigung oder als Verwertung einzustufen ist, sind etwa, ob die Maßnahme auch dann vorgenommen worden wäre, wenn derartige Abfälle nicht zur Verfügung gestanden hätten und deshalb auf andere Mat hätte zurückgegriffen werden müssen; weiters etwa, ob die Abfälle gegen Bezahlung erworben wurden, was darauf hindeutet, dass der Hauptzweck der fraglichen Maßnahme die Verwertung der Abfälle ist.

Der VwGH schließt sich dieser Beurteilung zur Abgrenzung der Verwertung von der Beseitigung an.

VwGH 29. 1. 2020, Ra 2019/13/0103

Entscheidung

Im vorliegenden Fall wurde – auf Antrag der Revisionswerberin – ein Böschungsaustausch (im Rahmen eines Schotterabbaues) in der Weise vorgenommen, dass hiezu eine Bodenaushubdeponie bewilligt wurde. Das Bodenaushubmaterial sollte in der Folge in diese Deponie – als neue Böschung – eingebracht werden.

Ablagerungen in oder auf dem Boden (zB Deponien) sind nach Anhang 2 zum AWG 2002 als Beseitigung zu beurteilen (D1). Die Rückgewinnung von anderen (als Metallen) anorganischen Stoffen ist aber nach diesem Anhang als Verwertung zu beurteilen (R5). Im Hinblick darauf, dass der Anhang nach § 2 Abs 5 Z 5 AWG 2002 nur eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren enthält, kann die mit der RL (EU) 2018/851 vorgenommene "Klarstellung" zum Begriff der "Verfüllung" auch im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden; die Verwertung anorganischer Stoffe zur Verfüllung ist als Verwertungsmaßnahme zu beurteilen. Von dieser Ansicht ist auch bereits der österreichische Gesetzgeber anlässlich der AWG-Novelle 2010, BGBl I 2011/9, ausgegangen (vgl die Erläuterungen zur RV, 1005 BlgNR 24. GP 21, wo explizit die Verfüllung zur Sicherung der Böschungen oder der Sohle einer Kiesgrube als Verwertungsmaßnahme genannt ist).

Somit ist die vorliegende Abfallbehandlungsmaßnahme zunächst nicht eindeutig einer einzigen der im Anhang zum AWG 2002 genannten Verfahrenskategorien zuzuordnen. Es ist daher unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien fallbezogen zu beurteilen, ob es sich um Beseitigung oder Verwertung handelt.

Wie die Revision zutreffend aufzeigt, wurde diese Abgrenzung bisher im Verfahren vor dem LVwG nicht erörtert; es fehlen daher hiezu auch Feststellungen, sodass eine abschließende Beurteilung durch den VwGH nicht erfolgen kann. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin bereits in der Beschwerde – wenn auch iZm der Bestreitung der Abfalleigenschaft – ausgeführt hat, dass ihr das Material auf ihren Wunsch hin überlassen wurde, damit sie es für eigene Zwecke verwenden könne. Dieser vorgebrachte Umstand, zu dem keine Feststellungen getroffen wurden, könnte – wie der vom EuGH genannte Umstand des Erwerbs gegen Bezahlung – darauf hindeuten, dass der Hauptzweck der Maßnahme die Verwertung der Abfälle wäre.

Die Revision verweist weiters zutreffend darauf, dass der Ablauf der Frist für die jeweils eingebrachten Mengen gesondert zu ermitteln ist. Zwar führt eine Vermengung von Abfall mit Nichtabfall zur Abfalleigenschaft des Gesamtgemenges, wenn eine Separierung der vermengten Stoffe nicht mehr möglich ist (vgl VwGH 26. 2. 2015, 2012/07/0123, mwN). Soweit aber – wie offenkundig hier (wenn auch bisher nur jeweils das Jahr betreffend) – feststellbar ist, wann welche Mengen eingebracht wurden, sind diese einzelnen Mengen für den Ablauf der Frist der beitragsfreien Zwischenlagerung gesondert zu beurteilen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29046 vom 12.05.2020