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Amtsmissbrauch bei „schlichter Hoheitsverwaltung“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

StGB § 302

Beim (Budget-)Voranschlag einer Gemeinde (hier: nach der Stmk GemO) handelt es sich um eine (Verwaltungs-)Verordnung; der Budgetvollzug und die Erstellung des Rechnungsabschlusses dienen der Umsetzung des Voranschlags und die gesamten Gebarung der Gemeinde (also auch die Einhaltung des Voranschlags) unterliegen der Prüfung durch den Prüfungsausschuss, den Gemeinderat bzw - außerhalb der Gemeinde - durch die Gemeindeaufsichtsbehörde.

Die Tätigkeit eines Gemeindebeamten im Rahmen der Kassen- und Buchführung (§ 85 Abs 1 Stmk GemO) ist daher, soweit sie die Durchführung des Voranschlags dokumentieren und damit die Grundlagen für die Prüfung des Budgetvollzugs sicherstellen soll, „schlichte Hoheitsverwaltung“, also Handeln „in Vollziehung der Gesetze“. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist nicht der einzelne (wirtschaftliche) Vorgang (also etwa eine Auszahlung, die - wie hier - der Privatwirtschaftsverwaltung angehören kann), sondern der Voranschlag als Hoheitsakt und das Verfahren zur Gebarungsprüfung. Einzelne Buchungsvorgänge sind daher „Amtsgeschäfte“ iSd § 302 Abs 1 StGB; sie können den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt erfüllen, wenn sie wissentlich missbräuchlich und mit entsprechendem Schädigungsvorsatz vorgenommen werden. Als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes kommt primär das Kontrollrecht (des Prüfungsausschusses) des Gemeinderats in Betracht.

OGH 9. 4. 2015, 17 Os 45/14t

Entscheidung

Der OGH hat zusammengefasst zudem ua ausgesprochen:

-Der Tatbestand des § 302 StGB (Missbrauch der Amtsgewalt) erfasst nur Organhandeln im Rahmen der Hoheitsverwaltung („in Vollziehung der Gesetze“). Hoheitsverwaltung wird von der Privatwirtschaftsverwaltung in erster Linie nach den Formen des Verwaltungshandelns abgegrenzt. Privatwirtschaftsverwaltung liegt typischerweise - von (hier nicht relevanten) einzelnen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - auch bei der Vergabe von Subventionen (Förderungen) vor. Ist aber ein Rechtsakt nicht der Hoheitsverwaltung, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen, werden vom Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt auch Handlungen (rechtlicher oder tatsächlicher Art) nicht erfasst, die (lediglich) seiner Vorbereitung (oder hier: seiner Durchführung) dienen.
Unter dem Begriff „schlichte Hoheitsverwaltung“ versteht man ein Verwaltungshandeln, das selbst nicht normativer Art ist, sondern entweder in tatsächlichen Verrichtungen oder in Rechtsformen in Erscheinung tritt, die auch Privaten zur Verfügung stehen (also in nicht typisch hoheitlichen Rechtsformen). Solches Verwaltungshandeln wird demnach nicht aufgrund einer spezifischen Handlungsform zur Hoheitsverwaltung, sondern wegen des inneren Zusammenhangs mit (möglichen) Hoheitsakten (Vorbereitung, Begleitung oder Umsetzung der Hoheitsakte; hier: Kassen- und Buchführung eines Gemeindebeamten - „schlichte Hoheitsverwaltung“).
-Beim Voranschlag der Gemeinde (§ 75 Stmk GemO) handelt es sich um eine (Verwaltungs-)Verordnung, die gem § 76 Abs 3 Stmk GemO kundzumachen ist; sie entfaltet zwar keine Außenwirkung (gegenüber Gemeindebürgern), wohl aber Bindungswirkung gegenüber Gemeindeorganen in Bezug auf die Deckung von Ausgaben im Voranschlag (vgl § 20 Stmk Gemeindehaushaltsordnung [GHO]).
Der Budgetvollzug und die Erstellung des Rechnungsabschlusses dienen der Umsetzung des Voranschlags. Insbesondere Buchführung und Rechnungsabschluss (als Pendant zum Voranschlag) sind so zu gestalten, dass die Einhaltung des Voranschlags nachvollzogen werden kann (vgl die Vorschriften über die Buchhaltung in §§ 49, 52, 62 f und 70 Stmk GHO).
Zur Überprüfung der gesamten Gebarung der Gemeinde (also auch der Einhaltung des Voranschlags) dahingehend, ob sie wirtschaftlich, zweckmäßig und sparsam geführt wird und ob sie den Gesetzen und sonstigen Vorschriften entspricht, sind innerhalb der Gemeinde der Prüfungsausschuss (als Hilfsorgan des Gemeinderates) und in weiterer Folge der Gemeinderat berufen, außerhalb der Gemeinde die Gemeindeaufsichtsbehörde (§§ 86 bis 89 Stmk GemO, § 73 Stmk GHO).
Die Tätigkeit eines Gemeindebeamten im Rahmen der Kassen- und Buchführung (§ 85 Abs 1 Stmk GemO) ist daher, soweit sie die Durchführung des Voranschlags dokumentieren und damit die Grundlagen für die Prüfung des Budgetvollzugs sicherstellen soll, schlichte Hoheitsverwaltung, also Handeln „in Vollziehung der Gesetze“. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist nicht der einzelne (wirtschaftliche) Vorgang, der dieser Tätigkeit zugrunde liegt (also etwa eine Auszahlung, die - wie hier - der Privatwirtschaftsverwaltung angehören kann), sondern der Voranschlag als Hoheitsakt und das Verfahren zur Gebarungsprüfung.
Einzelne Buchungsvorgänge sind „Amtsgeschäfte“ (§ 302 Abs 1 StGB), weil sie - der unmittelbaren Erfüllung der zuvor genannten Vollziehungsaufgaben der Gemeinde dienen. Sie können den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt erfüllen, wenn sie wissentlich missbräuchlich und mit entsprechendem Schädigungsvorsatz vorgenommen werden. Als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes kommt primär das Kontrollrecht (des Prüfungsausschusses) des Gemeinderats in Betracht. Dieses erschöpft sich nämlich nicht bloß in einem (in diesem Zusammenhang nicht ausreichenden) staatlichen Anspruch auf einen den Vorschriften entsprechenden Gebrauch der Befugnis. Es ist vielmehr Ausfluss demokratischer Kontrolle der (sonstigen) Gemeindeorgane durch den Gemeinderat als gewählten allgemeinen Vertretungskörper („Gemeindeparlament“) im Rahmen der Selbstverwaltung und solcherart unter dem Aspekt der Tatbestandserfüllung beachtlich.
-Gründet das Gericht einen Freispruch auf die Annahme, dass ein Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt sei, und trifft es nicht Feststellungen zu allen übrigen, reicht es für eine erfolgreiche Urteilsanfechtung nicht, allein die den Freispruch begründende Annahme zu bekämpfen. Vielmehr ist überdies ein Feststellungsmangel hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale geltend zu machen, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19945 vom 28.07.2015