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Anhängige Normenprüfungen beim VfGH – Übersicht

Bearbeiter: Barbara Tuma

Zusammengestellt von der LexisNexis-Redaktion

Die Oktober-Session des VfGH beginnt am 23. 9. 2019. Auf dem Programm des Plenums stehen rund 50 teils sehr umfangreiche Fälle und einige Verfahren werden voraussichtlich in der nächsten Session im November oder Dezember fortgesetzt werden. Über 500 Verfahren werden in Kleiner Besetzung (fünf Richter) entschieden.

1. Va auf der Tagesordnung

Auf der Tagesordnung der Session stehen laut Presseaussendung des VfGH vom 19. 9. 2019 va folgende Fälle:

-SV-Reform:
Zur „Kassenfusion“ (siehe Sozialversicherungs-Organisationsgesetz [SV-OG], BGBl I 2018/100, Rechtsnews 26585) wurden bisher insgesamt 14 Gesetzesprüfungsanträge beim VfGH eingebracht, darunter ein Drittelantrag von Abgeordneten des Bundesrats und Anträge von Gebietskrankenkassen und Betriebskrankenkassen, Arbeiterkammern, des LG Linz als ASG, von Versicherten und von 113 Mitgliedern der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, die als Versicherungsvertreter in die Verwaltungskörper von SV-Trägern entsendet worden sind. Die Anträge richten sich insb gegen die Vereinigung der Gebietskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse. Die Antragsteller sehen darin einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Selbstverwaltung.
(G 67-71/2019, G 78-81/2019, G 82-86/2019, G 89-93/2019, G 99-101/2019, G 158/2019, G 113, 116/2019, G 119-120/2019, G 140/2019, G 141/2019, G 177/2019, G 191-193/2019)
-Sicherheitspaket 2018:
Der Antrag von 61 NR-Abgeordnete wendet sich gegen mehrere Maßnahmen, die unter der Bezeichnung „Sicherheitspaket“ im Jahr 2018 eingeführt worden waren (siehe dazu va Rechtsnews 25418 zu BGBl I 2018/27 und Rechtsnews 25419 zu BGBl I 2018/27). Dazu zählen die Ermittlung und Speicherung von (Bild-)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern durch Sicherheitsbehörden (§ 54 Abs 4b SPG), die Übermittlung und Speicherung von (Bild-)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern aus Section-Control-Anlagen an bzw durch Sicherheitsbehörden (§ 98a Abs 2 StVO 1960), die Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch Installation eines Programms („Bundestrojaner“) in einem Computersystem ohne Wissen des Betroffenen (§ 135a StPO 1975) und das Eindringen in und die Durchsuchung von Wohnungen zum Zweck der Installation eines Programms zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten (§ 135a Abs 3 StPO 1975). Nach Ansicht der antragstellenden Abgeordneten seien die angefochtenen Bestimmungen unverhältnismäßig und würden gegen mehrere Grundrechte verstoßen, va gegen das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens; überdies sei die Ermittlung von Daten durch Einsatz von Kameras ohne konkreten Anlass als (Wieder-)Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu werten.
Die geheime Überwachung verschlüsselter Nachrichten ist auch Gegenstand eines Antrags der SPÖ-Bundesratsfraktion, der Ende Juli 2019 neuerlich eingebracht wurde (zur Zurückweisung des ersten Antrags vgl Rechtsnews 27442).
Die beiden Anträge werden gemeinsam beraten (begonnen haben die Beratung bereits in der Juni-Session).
(G 72-74/2019, G 181,182/2019)
-Rauchverbot:
Mehrere Besitzer von Nachtlokalen wenden sich gegen das absolute Rauchverbot in der Gastronomie ab 1. 11. 2019 (BGBl I 2019/66, Rechtsnews 27659). In ihrem Individualantrag wollen sie die „Nachtgastronomie“ von den übrigen Lokalen unterschieden wissen: Es bestünden Unterschiede im Tatsächlichen gegenüber der Speisegastronomie (unterschiedliche Alters- und Gästestruktur sowie abweichendes Nutzungsverhalten) und ein absolutes Rauchverbot würde zudem zu einer erhöhten Belästigung der Nachbarn (Anrainer) durch rauchende Gäste vor den Nachtlokalen führen, woraus sich in der Folge weitere Beschränkungen des Betriebs solcher Lokale ergeben könnten.
(G 189/2019)
-Sozialhilfe-Grundsatzgesetz:
Gegen das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (BGBl I 2018/41, Rechtsnews 27358) wendet sich ein Antrag von 21 SPÖ-Mitgliedern des Bundesrates. Ihrer Ansicht nach verstoßen mehrere Bestimmungen dieses Grundsatzgesetzes gegen den Gleichheitssatz, das Legalitätsprinzip und – wegen des hohen Detaillierungsgrades – gegen das „Wesen“ eines Grundsatzgesetzes (insb die Deckelung, die degressive Kürzung bei Bezugsberechtigten in Haushaltsgemeinschaften und die Kürzung bei Bezugsberechtigten, die am österreichischen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind).
(G 164, 171/2019)
-Akteneinsicht – Wahrung von Geschäftsgeheimnissen:
Ein privater Rundfunkveranstalter hatte bei der KommAustria Beschwerde gegen den ORF erhoben und einen Verstoß gegen das ORF-Gesetz durch den Erwerb der Übertragungsrechte für die UEFA Champions League behauptet. Obwohl die vom ORF vorgelegten Unterlagen als vertraulich gekennzeichnet waren, wurden sie dem Bf von der KommAustria zur Kenntnis gebracht. Die KommAustria wies den Antrag zwar ab; die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des ORF wurde vom BVwG jedoch nicht aufgegriffen, weshalb der ORF nun vor dem VfGH eine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend macht.
(E 1025/2018)
-Adelszeichen „von“:
Karl Habsburg-Lothringen wurde schuldig erkannt, durch Führung des Adelszeichens „von“ auf der Homepage http://www.karlvonhabsburg.at/ gegen das Adelsaufhebungsgesetz vom 3. 4. 1919 verstoßen zu haben. Das VwG Wien bestätigte zwar den Schuldspruch, sah von der Verhängung einer Geldstrafe aber ab, weil es den – noch in Kronen ausgedrückten – Strafsatz als unanwendbar erachtete. In seiner Beschwerde wendet sich Habsburg-Lothringen sowohl gegen den Schuldspruch als auch gegen das Adelsaufhebungsgesetz selbst.
(E 1851/2019)
-Linzer Plakatierungsverordnung:
Im Gebiet der Stadt Linz unterliegt das Anschlagen von Druckwerken an öffentlichen Orten (Plakatieren) weitreichenden Beschränkungen, die durch Verordnung der (damaligen) Bundespolizeidirektion Linz vom 1. 2. 1983 eingeführt wurden. Im Erk VfSlg 10.886/1986 hat sich der VfGH bereits mit dieser V beschäftigt, sah zum damaligen Zeitpunkt aber noch keine Veranlassung, ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der PlakatierungsV einzuleiten. Angesichts des Vorbringens des Bf, dass es in der Innenstadt von Linz faktisch keine Möglichkeiten mehr gibt, Plakate anzubringen, hegt der VfGH (nunmehr) aber Zweifel an der Gesetzeskonformität des § 1 Abs 1 und 2 PlakatierungsV (mehr Beschränkungen, als zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlich sind, und daher Verstoß gegen die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung). Prüfungsbeschluss VfGH 27. 2. 2019, E 1890/2018.
(V 20/2019)

2. Weitere offene Fragen

Weiters sind – soweit überblickbar – zu folgenden veröffentlichten Prüfungsbeschlüssen bzw Gesetzesprüfungsanträgen bisher noch keine Endentscheidungen ergangen:

Abgabenrecht

-Grunderwerbsteuer für Sacheinlage in Körperschaft. Prüfung des § 22 Abs 5 UmgrStG idF BGBl I 2003/71 betreffend die Anknüpfung an den Einheitswert für die Bemessung der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Eigentum an Sacheinlagen bei deren Einbringung in eine Körperschaft im Rahmen von Umgründungen (geprüfte Passage geändert durch BGBl I 2015/118; Prüfungsbeschluss anlässlich der Beschwerde nach der E BFG 8. 2. 2018, RV/5101027/2016). Prüfungsbeschluss VfGH 26. 6. 2019, E 1086/2018, Rechtsnews 27622 (G 156/2019).
-Antragsfrist für Aufhebung „abgeleiteter“ Abgabenbescheide wegen absoluter Nichtigkeit des „Grundlagenbescheides“. Prüfung von § 295 Abs 4 letzter Satz BAO. Prüfungsbeschluss VfGH 13. 6. 2019, E 4256/2018, Rechtsnews 27621 (G 159/2019).
-

Nach Entscheidungen des BFG wurden häufig Beschwerden an den VfGH erhoben, ua betr

-Umsatzsteuerpflicht der Entschädigung eines Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalters gem § 276 ABGB. Beschwerde nach der E BFG 15. 5. 2018, RV/7102233/2017; beim VfGH anhängig zu E 2512/2018.
-Spendenbegünstigung für Kunst- und Kultureinrichtungen verfassungswidrig? Beschwerde nach der E BFG 27. 12. 2018, RV/7100563/2017; beim VfGH anhängig zu E 615/2019.

3. Weitere erledigte Fälle der letzten Session

Neben den Erkenntnissen, über die bereits in den Rechtsnews bzw Zeitschriften berichtet wurde, wurden in der vorhergehenden Session ua auch folgende Fälle erledigt bzw deren Behandlung vom VfGH abgelehnt:

-Verluste aus Konvertierung eines Fremdwährungskredits keine Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Beschwerde nach der E BFG 7. 2. 2018, RV/7105808/2015; beim VfGH anhängig zu E 1146/2018.
Behandlung der Beschwerde abgelehnt mit Beschluss vom 11. 6. 2019.
-Verkauf einer Eigentumswohnung und Zurückmietung ohne Aufgabe des Hauptwohnsitzes; behauptete Verfassungswidrigkeit von § 30 Abs 2 Z 1 lit a und b EStG 1988. Beschwerde nach der E BFG 21. 2. 2019, RV/7104377/2017; beim VfGH anhängig zu E 1261/2019.
Behandlung der Beschwerde abgelehnt mit Beschluss vom 11. 6. 2019.
-Ungleichbehandlung von Kapitalerträgen: Zusammenfassend regeln die §§ 27a EStG, dass Zinsen aus Darlehen ua, denen ein Bankgeschäft zugrunde liegt, mit maximal 25 % besteuert werden, Darlehen und nicht verbriefte Forderungen hingegen, denen kein Bankgeschäft zugrunde liegt, nach § 33 EStG mit bis zu 50 % – rechtlich (und volkswirtschaftlich) eine nicht mehr zu rechtfertigende Begünstigung des Banken- und Versicherungssektors. Mehrere Beschwerden, ua nach der E BFG 28. 2. 2019, RV/6100828/2014; beim VfGH anhängig zu E 1399/2019.
Behandlung der Beschwerde abgelehnt mit Beschluss vom 11. 6. 2019.
-Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft wegen (Wieder-)Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit (auf der Tagesordnung der Juni-Session; siehe Rechtsnews 27413).
Behandlung der Beschwerde abgelehnt mit Beschluss VfGH 17. 6. 2019, E 1302/2019.

Hinweis: Auf der Homepage des VfGH werden nun auch Übersichten angeboten, welche Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zu bestimmten Stichtagen anhängig sind; siehe dazu auf www.vfgh.gv.at den Unterpunkt „Normprüfungsverfahren“ im Menü „Rechtsprechung“.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27969 vom 20.09.2019