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Asyl für Unionsbürger?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

AsylG 2005: § 2, § 6

Asylprotokoll

BFA-VG: § 19

Ein Unionsbürger hat Hintergrund bei Stellung eines Antrags auf Asyl in Österreich zum einen die in § 19 Abs 1 BFA-VG festgeschriebene gesetzliche Vermutung, wonach ein Mitgliedstaat der EU ein sicherer Herkunftsstaat ist, zu widerlegen. Zum anderen hat der Antragsteller die Vermutung des Einzigen Artikels lit d Asylprotokoll (Protokoll Nr 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union [EU] zum EU-Vertrag von Lissabon), wonach der Antrag offensichtlich unbegründet ist und sich der Antragsteller nicht des Schutzes des Herkunftsstaates bedienen könnte, zu entkräften. Nach der Rsp des VfGH trifft einen Antragsteller in Bezug auf die Widerlegung der Vermutung, dass der Antrag offensichtlich unbegründet ist, eine nähere Begründungspflicht.

Das BFA trifft eine Ermittlungspflicht, um zu beurteilen, ob der Antrag eines Unionsbürgers auf internationalen Schutz auf seine Begründetheit hin zu prüfen ist und damit iSd Einzigen Artikels des Asylprotokolls „berücksichtigt“ werden muss. Die Bestimmungen des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 über den Ablauf des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz bleiben dabei unberührt.

Die Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz allein aufgrund des Umstandes, dass der Antragsteller Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates ist, ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen und daher nicht zulässig. Im Hinblick auf dieses Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob das Asylprotokoll selbst unmittelbare Grundlage einer derartigen Zurückweisung eines in Österreich gestellten Antrags eines Unionsbürgers sein kann, weil das Asylprotokoll die verfahrensrechtlichen Modalitäten seiner Anwendung nicht regelt.

VwGH 16. 5. 2024, Ro 2023/19/0001

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35663 vom 16.07.2024